Jndessen muß der allein gute GOTT mit seinem Werck innehalten, biß der Mensch mit seinem Gewürck und eigenen Thun zu Ende ist. Jn der Gesetzes-Angst und Treiben verliehret man die Spur in die selige Ruhe Christi und dem starcken Frieden GOttes, man laufft hin und her, wie ein verirret Schaaf im Nebel immer am alten Ort.
Wird mit dem Exem- pel eines Jüng- lings dar- gethan.
§. 9. Es war ein Jüngling, der wollte auch GOTT haben, wie du jetzt, er meynte aber, der nächste Weg dazu sey ein strenges Nach sinnen, davon ward ihm der Kopf so heiß, daß er hätte mö- gen zerspringen, wobey das Hertz schwach und kalt bliebe, da er nun in schwerem Kummer sehende, wie wenig Nutzen ihm seine Kopf-Arbeit brächte, gar anstunde, nicht wissende, was da anzufa- hen sey; siehe! da gab ihm die Gnade ein, (die Gnade, so ihn weit mehr suchte als er sie) er soll sich nur verlaugnen, seinem Willen in allen Dingen absterben, sein Hertz von Welt-Begierden ausleeren, sich dem Willen GOttes stets unterwerffen, so werd der reiche GOtt und seine arme Seel auf diesen finstern, verborgenen Steigen der Verlaugnung sein selbst wohl einander begegnen und zusammen kom- men; welchem hoch-theuren Rath des getreuen Wegweisers, deß Heiligen Geistes er auch ohne fernern Anstand mit redlichem Gemüth gehorchete; Sagte seiner Ehre, Reputation, Menschen-Willen, Lust und Nutzen ab; wandte sich zu GOTT mit hertzlichem Seh- nen, daß er doch seinen Willen durch, in und an ihm vollbringe: Dieser einfältige, schlechte Gehorsam brachte ihm gleich im ersten Anfang unbeschreiblichen Nutzen und häuffige Früchte neben einem unaussprechlichen süssen Geschmack der Süssigkeit GOttes, der ihn dermassen einnahme, daß ihm seine zuvor so sehr beliebte Anklebig- keiten eckelten, er ward ihr ohne Kampf loß; ja es wurde ihm eine höllische Pein und Verdruß gewesen seyn, wieder dahin zu kehren.
Layen machen manch- mahlen Schrifft- gelehrte zu schanden.
§. 10. Wann nun die Welt-Weise und Schrifftgelehrte so herr- liche heilige Gnade an den Geringen und Ungestudirten mercken, so stutzen sie, nicht wissende, was davon zu urtheilen sey: Sie haben die Weißheit lange Jahre mit vielem Kopfbrechen, auch mercklichen Unkösten in vielen hundert Büchern und Schrifften gesucht, weise, hoch-berühmte Männer gehört, gleichwohl ist ihr Hertz leer vom Reich
GOttes
Die geiſtliche Vermaͤhlung JEſu
Jndeſſen muß der allein gute GOTT mit ſeinem Werck innehalten, biß der Menſch mit ſeinem Gewuͤrck und eigenen Thun zu Ende iſt. Jn der Geſetzes-Angſt und Treiben verliehret man die Spur in die ſelige Ruhe Chriſti und dem ſtarcken Frieden GOttes, man laufft hin und her, wie ein verirret Schaaf im Nebel immer am alten Ort.
Wird mit dem Exem- pel eines Juͤng- lings dar- gethan.
§. 9. Es war ein Juͤngling, der wollte auch GOTT haben, wie du jetzt, er meynte aber, der naͤchſte Weg dazu ſey ein ſtrenges Nach ſinnen, davon ward ihm der Kopf ſo heiß, daß er haͤtte moͤ- gen zerſpringen, wobey das Hertz ſchwach und kalt bliebe, da er nun in ſchwerem Kummer ſehende, wie wenig Nutzen ihm ſeine Kopf-Arbeit braͤchte, gar anſtunde, nicht wiſſende, was da anzufa- hen ſey; ſiehe! da gab ihm die Gnade ein, (die Gnade, ſo ihn weit mehr ſuchte als er ſie) er ſoll ſich nur verlaugnen, ſeinem Willen in allen Dingen abſterben, ſein Hertz von Welt-Begierden ausleeren, ſich dem Willen GOttes ſtets unterwerffen, ſo werd der reiche GOtt und ſeine arme Seel auf dieſen finſtern, verborgenen Steigen der Verlaugnung ſein ſelbſt wohl einander begegnen und zuſammen kom- men; welchem hoch-theuren Rath des getreuen Wegweiſers, deß Heiligen Geiſtes er auch ohne fernern Anſtand mit redlichem Gemuͤth gehorchete; Sagte ſeiner Ehre, Reputation, Menſchen-Willen, Luſt und Nutzen ab; wandte ſich zu GOTT mit hertzlichem Seh- nen, daß er doch ſeinen Willen durch, in und an ihm vollbringe: Dieſer einfaͤltige, ſchlechte Gehorſam brachte ihm gleich im erſten Anfang unbeſchreiblichen Nutzen und haͤuffige Fruͤchte neben einem unausſprechlichen ſuͤſſen Geſchmack der Suͤſſigkeit GOttes, der ihn dermaſſen einnahme, daß ihm ſeine zuvor ſo ſehr beliebte Anklebig- keiten eckelten, er ward ihr ohne Kampf loß; ja es wurde ihm eine hoͤlliſche Pein und Verdruß geweſen ſeyn, wieder dahin zu kehren.
Layen machen manch- mahlen Schrifft- gelehrte zu ſchanden.
§. 10. Wann nun die Welt-Weiſe und Schrifftgelehrte ſo herr- liche heilige Gnade an den Geringen und Ungeſtudirten mercken, ſo ſtutzen ſie, nicht wiſſende, was davon zu urtheilen ſey: Sie haben die Weißheit lange Jahre mit vielem Kopfbrechen, auch mercklichen Unkoͤſten in vielen hundert Buͤchern und Schrifften geſucht, weiſe, hoch-beruͤhmte Maͤnner gehoͤrt, gleichwohl iſt ihr Hertz leer vom Reich
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[1302/1398]
Die geiſtliche Vermaͤhlung JEſu
Jndeſſen muß der allein gute GOTT mit ſeinem Werck innehalten,
biß der Menſch mit ſeinem Gewuͤrck und eigenen Thun zu Ende iſt.
Jn der Geſetzes-Angſt und Treiben verliehret man die Spur in die
ſelige Ruhe Chriſti und dem ſtarcken Frieden GOttes, man laufft
hin und her, wie ein verirret Schaaf im Nebel immer am alten
Ort.
§. 9. Es war ein Juͤngling, der wollte auch GOTT haben,
wie du jetzt, er meynte aber, der naͤchſte Weg dazu ſey ein ſtrenges
Nach ſinnen, davon ward ihm der Kopf ſo heiß, daß er haͤtte moͤ-
gen zerſpringen, wobey das Hertz ſchwach und kalt bliebe, da er
nun in ſchwerem Kummer ſehende, wie wenig Nutzen ihm ſeine
Kopf-Arbeit braͤchte, gar anſtunde, nicht wiſſende, was da anzufa-
hen ſey; ſiehe! da gab ihm die Gnade ein, (die Gnade, ſo ihn weit
mehr ſuchte als er ſie) er ſoll ſich nur verlaugnen, ſeinem Willen in
allen Dingen abſterben, ſein Hertz von Welt-Begierden ausleeren,
ſich dem Willen GOttes ſtets unterwerffen, ſo werd der reiche GOtt
und ſeine arme Seel auf dieſen finſtern, verborgenen Steigen der
Verlaugnung ſein ſelbſt wohl einander begegnen und zuſammen kom-
men; welchem hoch-theuren Rath des getreuen Wegweiſers, deß
Heiligen Geiſtes er auch ohne fernern Anſtand mit redlichem Gemuͤth
gehorchete; Sagte ſeiner Ehre, Reputation, Menſchen-Willen,
Luſt und Nutzen ab; wandte ſich zu GOTT mit hertzlichem Seh-
nen, daß er doch ſeinen Willen durch, in und an ihm vollbringe:
Dieſer einfaͤltige, ſchlechte Gehorſam brachte ihm gleich im erſten
Anfang unbeſchreiblichen Nutzen und haͤuffige Fruͤchte neben einem
unausſprechlichen ſuͤſſen Geſchmack der Suͤſſigkeit GOttes, der ihn
dermaſſen einnahme, daß ihm ſeine zuvor ſo ſehr beliebte Anklebig-
keiten eckelten, er ward ihr ohne Kampf loß; ja es wurde ihm eine
hoͤlliſche Pein und Verdruß geweſen ſeyn, wieder dahin zu kehren.
§. 10. Wann nun die Welt-Weiſe und Schrifftgelehrte ſo herr-
liche heilige Gnade an den Geringen und Ungeſtudirten mercken, ſo
ſtutzen ſie, nicht wiſſende, was davon zu urtheilen ſey: Sie haben
die Weißheit lange Jahre mit vielem Kopfbrechen, auch mercklichen
Unkoͤſten in vielen hundert Buͤchern und Schrifften geſucht, weiſe,
hoch-beruͤhmte Maͤnner gehoͤrt, gleichwohl iſt ihr Hertz leer vom Reich
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1398>, abgerufen am 22.11.2024.
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