und Zer- streuun- gen des Hertzens.Wegs gerade hin auf JEsum fortgehen solltet, ist des neben sich gehens, sehens, und umkehrens, des beurtheilens, und zurecht le- gens anderer ihrer Wegen und Führungen, bey euch kein En- de, da heißts immer bey euch, wie bey Petro: Was soll aber die- ser? Was soll jener? Gewißlich zu Christi gröstem Verdruß, und derjenigen, denen (wie gar leicht geschiehet) dergleichen offt gantz lieblose und unchristliche Urtheil wieder gesagt werden, mercklichen Schaden und Nachtheil, voraus, wann ihr Hertz noch etwas an- ders als dem Liebes-Safft der süssen Wurtzel Jesse offen stehet. Es duncket ein jedes sein eigener Weg der richtigste, und da verdrängt und drucket je eines das andere hinunter, als ob Christi Schooß nicht weit genug wäre, alles zu fassen. Niemand siehet recht gründ- lich gern, daß alle andere von Christo zärtlicher und gelinder trac- tirt, höher gesetzt, mit mehr Weißheit, Heiligkeit, Freude und Trost begnadet werden, als aber er: Niemand ist, der da nichts seyn, nichts gelten, sondern gern alle Ehre von sich ablehnen, und nach der Vermahnung und Exempel JEsu nur anderer Diener, ja der geringste seyn wollte a; Niemand, oder doch sehr wenig, die an nichts anders gedächten, als an die Liebe ihres Vatters und JEsu, von nichts anders redten, als von Sachen, dardurch der Nächste erbauet, zu JESU gelocket, und die Liebe gegen Jhme möchte angeblasen werden; Welche herrliche Tugenden als rechte hertzberuhigende Gnaden doch gantz natürlich in ein Hertz fliessen würden, welches stäts in denen Gedancken stunde, es habe nichts auf der Erden zu thun als nur vom Vatter zu nehmen, und zu JE- su zu kommen. Und O wie selig und ruhig! wie eines frölich- und ohne Anklag vor GOtt und Menschen stehenden Gewissens wäre ein Hertz, daß nichts anders, als aus so Christlichen Gedancken flies- sendes redte und thäte; daß, wo nur das geringste im Gemüth sich regete, das zum Unglauben, Hochmuth, Ungedult, Bitterkeit und Entfrembdung gegen dem Nächsten reitzete, selbiges flugs, wie eine Funcke Feuers auf dem Kleid ausgefchüttelt würde, mit denen Worten: Gehe hin du Gedancke an deinen Ort, woher du kommst, dann du kommst nicht vom Vatter, und förderest mich nicht zu meinem HErrn JESU Christo. Wo seynd aber solche Leute?
Ach!
aMarc X. 43-45.
Wunder-Geheimnuß des
und Zer- ſtreuun- gen des Hertzens.Wegs gerade hin auf JEſum fortgehen ſolltet, iſt des neben ſich gehens, ſehens, und umkehrens, des beurtheilens, und zurecht le- gens anderer ihrer Wegen und Fuͤhrungen, bey euch kein En- de, da heißts immer bey euch, wie bey Petro: Was ſoll aber die- ſer? Was ſoll jener? Gewißlich zu Chriſti groͤſtem Verdruß, und derjenigen, denen (wie gar leicht geſchiehet) dergleichen offt gantz liebloſe und unchriſtliche Urtheil wieder geſagt werden, mercklichen Schaden und Nachtheil, voraus, wann ihr Hertz noch etwas an- ders als dem Liebes-Safft der ſuͤſſen Wurtzel Jeſſe offen ſtehet. Es duncket ein jedes ſein eigener Weg der richtigſte, und da verdraͤngt und drucket je eines das andere hinunter, als ob Chriſti Schooß nicht weit genug waͤre, alles zu faſſen. Niemand ſiehet recht gruͤnd- lich gern, daß alle andere von Chriſto zaͤrtlicher und gelinder trac- tirt, hoͤher geſetzt, mit mehr Weißheit, Heiligkeit, Freude und Troſt begnadet werden, als aber er: Niemand iſt, der da nichts ſeyn, nichts gelten, ſondern gern alle Ehre von ſich ablehnen, und nach der Vermahnung und Exempel JEſu nur anderer Diener, ja der geringſte ſeyn wollte a; Niemand, oder doch ſehr wenig, die an nichts anders gedaͤchten, als an die Liebe ihres Vatters und JEſu, von nichts anders redten, als von Sachen, dardurch der Naͤchſte erbauet, zu JESU gelocket, und die Liebe gegen Jhme moͤchte angeblaſen werden; Welche herrliche Tugenden als rechte hertzberuhigende Gnaden doch gantz natuͤrlich in ein Hertz flieſſen wuͤrden, welches ſtaͤts in denen Gedancken ſtunde, es habe nichts auf der Erden zu thun als nur vom Vatter zu nehmen, und zu JE- ſu zu kommen. Und O wie ſelig und ruhig! wie eines froͤlich- und ohne Anklag vor GOtt und Menſchen ſtehenden Gewiſſens waͤre ein Hertz, daß nichts anders, als aus ſo Chriſtlichen Gedancken flieſ- ſendes redte und thaͤte; daß, wo nur das geringſte im Gemuͤth ſich regete, das zum Unglauben, Hochmuth, Ungedult, Bitterkeit und Entfrembdung gegen dem Naͤchſten reitzete, ſelbiges flugs, wie eine Funcke Feuers auf dem Kleid ausgefchuͤttelt wuͤrde, mit denen Worten: Gehe hin du Gedancke an deinen Ort, woher du kommſt, dann du kommſt nicht vom Vatter, und foͤrdereſt mich nicht zu meinem HErrn JESU Chriſto. Wo ſeynd aber ſolche Leute?
Ach!
aMarc X. 43-45.
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Wunder-Geheimnuß des
Wegs gerade hin auf JEſum fortgehen ſolltet, iſt des neben ſich
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gens anderer ihrer Wegen und Fuͤhrungen, bey euch kein En-
de, da heißts immer bey euch, wie bey Petro: Was ſoll aber die-
ſer? Was ſoll jener? Gewißlich zu Chriſti groͤſtem Verdruß, und
derjenigen, denen (wie gar leicht geſchiehet) dergleichen offt gantz
liebloſe und unchriſtliche Urtheil wieder geſagt werden, mercklichen
Schaden und Nachtheil, voraus, wann ihr Hertz noch etwas an-
ders als dem Liebes-Safft der ſuͤſſen Wurtzel Jeſſe offen ſtehet. Es
duncket ein jedes ſein eigener Weg der richtigſte, und da verdraͤngt
und drucket je eines das andere hinunter, als ob Chriſti Schooß
nicht weit genug waͤre, alles zu faſſen. Niemand ſiehet recht gruͤnd-
lich gern, daß alle andere von Chriſto zaͤrtlicher und gelinder trac-
tirt, hoͤher geſetzt, mit mehr Weißheit, Heiligkeit, Freude und
Troſt begnadet werden, als aber er: Niemand iſt, der da nichts
ſeyn, nichts gelten, ſondern gern alle Ehre von ſich ablehnen, und
nach der Vermahnung und Exempel JEſu nur anderer Diener,
ja der geringſte ſeyn wollte a; Niemand, oder doch ſehr wenig,
die an nichts anders gedaͤchten, als an die Liebe ihres Vatters und
JEſu, von nichts anders redten, als von Sachen, dardurch der
Naͤchſte erbauet, zu JESU gelocket, und die Liebe gegen Jhme
moͤchte angeblaſen werden; Welche herrliche Tugenden als rechte
hertzberuhigende Gnaden doch gantz natuͤrlich in ein Hertz flieſſen
wuͤrden, welches ſtaͤts in denen Gedancken ſtunde, es habe nichts
auf der Erden zu thun als nur vom Vatter zu nehmen, und zu JE-
ſu zu kommen. Und O wie ſelig und ruhig! wie eines froͤlich- und
ohne Anklag vor GOtt und Menſchen ſtehenden Gewiſſens waͤre ein
Hertz, daß nichts anders, als aus ſo Chriſtlichen Gedancken flieſ-
ſendes redte und thaͤte; daß, wo nur das geringſte im Gemuͤth ſich
regete, das zum Unglauben, Hochmuth, Ungedult, Bitterkeit und
Entfrembdung gegen dem Naͤchſten reitzete, ſelbiges flugs, wie eine
Funcke Feuers auf dem Kleid ausgefchuͤttelt wuͤrde, mit denen
Worten: Gehe hin du Gedancke an deinen Ort, woher du kommſt,
dann du kommſt nicht vom Vatter, und foͤrdereſt mich nicht zu
meinem HErrn JESU Chriſto. Wo ſeynd aber ſolche Leute?
Ach!
und Zer-
ſtreuun-
gen des
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/146>, abgerufen am 21.11.2024.
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