Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

und Seeligkeit.
kan sie doch die tägliche Erfahrung nicht klug machen, daß sie auf
ihrer Hut wären, und die Gefahr vermeydeten; Satanas kan sie
immer überdölplen und ihre Affecten in Unordnung bringen, daß sie
die Sünd an statt GOttes, die Lust des Fleisches an statt der Freud
im Heil. Geist erwehlen, und also die Höll vor den Himmel, und
den Fluch für den Segen nehmen, ja ein stinckendes Raaben-Aas
vor die himmlische Lieblichkeit JEsu Christi und sein theures Manna.

§. 3. Und ob sie schon tausendfältig gewarnet werden, daß sie anDaß sie
aus eige-
nem Scha-
den nicht
wollen
klug wer-
den,

ihrem eigenen und unzehlich anderer Schaden hätten sollen witzig
werden, so wagen sie es doch immer auf ein frisches, und naschen
von der verbottenen Frucht, sich thorecht einbildend, weil sie nicht
am ersten Bissen erworget und ersticket, so habe es ferners nichts
zu bedeuten, ja sie lassen sich nichts Böses träumen, obschon sie an
sich und anderen sehen, wie sich offt eine begangene Sünd erst in
vielen Jahren hernach so gewaltig regen und rumoren oder wüthen
kan, daß dem Menschen die Welt zu enge wird, und ihm ein
Stich über den anderen ins Hertz gehet, daß auch seine Gestalt
veraltet a. Dessen ungeachtet meint der unsinnige Mensch der
Schatz und das Kleinod werde ihm dennoch bleiben, und obschon
er auf das Fleisch gesäet, werde er dennoch ewiges Leben und Frie-
den in GOtt erndten. Von solcher stäter Raserey den Menschen
zu curieren, ist JEsus Christus selbst seine Weißheit worden, und
das äusserlich durch sein heilig Evangelium, darinn so viele unschätz-
bare Handleitungen anzutreffen, und auch so viel theure Räthe, wie
der Mensch dem ewigen Verderben entgehen, und ein unendliches
Heyl finden könne.

§. 4. Aber der thorechte Mensch duncket sich weiser zu seyn alssich wei-
ser dün-
cken als
GOtt, und
also dessen
Rath zur
Seeligkeit
verwerf-
fen.

GOtt, so daß er bey jeder Versuchung den Rath GOttes wider
seine eigene Seel verwirfft, sonderlich wo die Macht der Sünde
hart ansetzet, und ein altes ungetödetes Laster wieder erwachet, da
dann der Teufel so hefftig zuscheuret, und drein blasset, daß sich
der arme Mensch der grimmigen Anfällen nicht erwehren kan, und
also bey dem hellen Liecht des Evangelii eins übers ander oder stäts
stolpere, und aus einem Strick in den andern gerathet, weilen er die
listigen Anschläg der Schlangen nicht kennt, und ihme die Tieffen

des
a Hiob XXXIII.
K

und Seeligkeit.
kan ſie doch die taͤgliche Erfahrung nicht klug machen, daß ſie auf
ihrer Hut waͤren, und die Gefahr vermeydeten; Satanas kan ſie
immer uͤberdoͤlplen und ihre Affecten in Unordnung bringen, daß ſie
die Suͤnd an ſtatt GOttes, die Luſt des Fleiſches an ſtatt der Freud
im Heil. Geiſt erwehlen, und alſo die Hoͤll vor den Himmel, und
den Fluch fuͤr den Segen nehmen, ja ein ſtinckendes Raaben-Aas
vor die himmliſche Lieblichkeit JEſu Chriſti und ſein theures Manna.

§. 3. Und ob ſie ſchon tauſendfaͤltig gewarnet werden, daß ſie anDaß ſie
aus eige-
nem Scha-
den nicht
wollen
klug wer-
den,

ihrem eigenen und unzehlich anderer Schaden haͤtten ſollen witzig
werden, ſo wagen ſie es doch immer auf ein friſches, und naſchen
von der verbottenen Frucht, ſich thorecht einbildend, weil ſie nicht
am erſten Biſſen erworget und erſticket, ſo habe es ferners nichts
zu bedeuten, ja ſie laſſen ſich nichts Boͤſes traͤumen, obſchon ſie an
ſich und anderen ſehen, wie ſich offt eine begangene Suͤnd erſt in
vielen Jahren hernach ſo gewaltig regen und rumoren oder wuͤthen
kan, daß dem Menſchen die Welt zu enge wird, und ihm ein
Stich uͤber den anderen ins Hertz gehet, daß auch ſeine Geſtalt
veraltet a. Deſſen ungeachtet meint der unſinnige Menſch der
Schatz und das Kleinod werde ihm dennoch bleiben, und obſchon
er auf das Fleiſch geſaͤet, werde er dennoch ewiges Leben und Frie-
den in GOtt erndten. Von ſolcher ſtaͤter Raſerey den Menſchen
zu curieren, iſt JEſus Chriſtus ſelbſt ſeine Weißheit worden, und
das aͤuſſerlich durch ſein heilig Evangelium, darinn ſo viele unſchaͤtz-
bare Handleitungen anzutreffen, und auch ſo viel theure Raͤthe, wie
der Menſch dem ewigen Verderben entgehen, und ein unendliches
Heyl finden koͤnne.

§. 4. Aber der thorechte Menſch duncket ſich weiſer zu ſeyn alsſich wei-
ſer duͤn-
cken als
GOtt, und
alſo deſſen
Rath zur
Seeligkeit
verwerf-
fen.

GOtt, ſo daß er bey jeder Verſuchung den Rath GOttes wider
ſeine eigene Seel verwirfft, ſonderlich wo die Macht der Suͤnde
hart anſetzet, und ein altes ungetoͤdetes Laſter wieder erwachet, da
dann der Teufel ſo hefftig zuſcheuret, und drein blaſſet, daß ſich
der arme Menſch der grimmigen Anfaͤllen nicht erwehren kan, und
alſo bey dem hellen Liecht des Evangelii eins uͤbers ander oder ſtaͤts
ſtolpere, und aus einem Strick in den andern gerathet, weilen er die
liſtigen Anſchlaͤg der Schlangen nicht kennt, und ihme die Tieffen

des
a Hiob XXXIII.
K
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0169" n="73"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und Seeligkeit.</hi></fw><lb/>
kan &#x017F;ie doch die ta&#x0364;gliche Erfahrung nicht klug machen, daß &#x017F;ie auf<lb/>
ihrer Hut wa&#x0364;ren, und die Gefahr vermeydeten; Satanas kan &#x017F;ie<lb/>
immer u&#x0364;berdo&#x0364;lplen und ihre Affecten in Unordnung bringen, daß &#x017F;ie<lb/>
die Su&#x0364;nd an &#x017F;tatt GOttes, die Lu&#x017F;t des Flei&#x017F;ches an &#x017F;tatt der Freud<lb/>
im Heil. Gei&#x017F;t erwehlen, und al&#x017F;o die Ho&#x0364;ll vor den Himmel, und<lb/>
den Fluch fu&#x0364;r den Segen nehmen, ja ein &#x017F;tinckendes Raaben-Aas<lb/>
vor die himmli&#x017F;che Lieblichkeit JE&#x017F;u Chri&#x017F;ti und &#x017F;ein theures Manna.</p><lb/>
          <p>§. 3. Und ob &#x017F;ie &#x017F;chon tau&#x017F;endfa&#x0364;ltig gewarnet werden, daß &#x017F;ie an<note place="right">Daß &#x017F;ie<lb/>
aus eige-<lb/>
nem Scha-<lb/>
den nicht<lb/>
wollen<lb/>
klug wer-<lb/>
den,</note><lb/>
ihrem eigenen und unzehlich anderer Schaden ha&#x0364;tten &#x017F;ollen witzig<lb/>
werden, &#x017F;o wagen &#x017F;ie es doch immer auf ein fri&#x017F;ches, und na&#x017F;chen<lb/>
von der verbottenen Frucht, &#x017F;ich thorecht einbildend, weil &#x017F;ie nicht<lb/>
am er&#x017F;ten Bi&#x017F;&#x017F;en erworget und er&#x017F;ticket, &#x017F;o habe es ferners nichts<lb/>
zu bedeuten, ja &#x017F;ie la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nichts Bo&#x0364;&#x017F;es tra&#x0364;umen, ob&#x017F;chon &#x017F;ie an<lb/>
&#x017F;ich und anderen &#x017F;ehen, wie &#x017F;ich offt eine begangene Su&#x0364;nd er&#x017F;t in<lb/>
vielen Jahren hernach &#x017F;o gewaltig regen und rumoren oder wu&#x0364;then<lb/>
kan, daß dem Men&#x017F;chen die Welt zu enge wird, und ihm ein<lb/>
Stich u&#x0364;ber den anderen ins Hertz gehet, daß auch &#x017F;eine Ge&#x017F;talt<lb/>
veraltet <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Hiob XXXIII.</hi></note>. De&#x017F;&#x017F;en ungeachtet meint der un&#x017F;innige Men&#x017F;ch der<lb/>
Schatz und das Kleinod werde ihm dennoch bleiben, und ob&#x017F;chon<lb/>
er auf das Flei&#x017F;ch ge&#x017F;a&#x0364;et, werde er dennoch ewiges Leben und Frie-<lb/>
den in GOtt erndten. Von &#x017F;olcher &#x017F;ta&#x0364;ter Ra&#x017F;erey den Men&#x017F;chen<lb/>
zu curieren, i&#x017F;t JE&#x017F;us Chri&#x017F;tus &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eine Weißheit worden, und<lb/>
das a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich durch &#x017F;ein heilig Evangelium, darinn &#x017F;o viele un&#x017F;cha&#x0364;tz-<lb/>
bare Handleitungen anzutreffen, und auch &#x017F;o viel theure Ra&#x0364;the, wie<lb/>
der Men&#x017F;ch dem ewigen Verderben entgehen, und ein unendliches<lb/>
Heyl finden ko&#x0364;nne.</p><lb/>
          <p>§. 4. Aber der thorechte Men&#x017F;ch duncket &#x017F;ich wei&#x017F;er zu &#x017F;eyn als<note place="right">&#x017F;ich wei-<lb/>
&#x017F;er du&#x0364;n-<lb/>
cken als<lb/>
GOtt, und<lb/>
al&#x017F;o de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Rath zur<lb/>
Seeligkeit<lb/>
verwerf-<lb/>
fen.</note><lb/>
GOtt, &#x017F;o daß er bey jeder Ver&#x017F;uchung den Rath GOttes wider<lb/>
&#x017F;eine eigene Seel verwirfft, &#x017F;onderlich wo die Macht der Su&#x0364;nde<lb/>
hart an&#x017F;etzet, und ein altes ungeto&#x0364;detes La&#x017F;ter wieder erwachet, da<lb/>
dann der Teufel &#x017F;o hefftig zu&#x017F;cheuret, und drein bla&#x017F;&#x017F;et, daß &#x017F;ich<lb/>
der arme Men&#x017F;ch der grimmigen Anfa&#x0364;llen nicht erwehren kan, und<lb/>
al&#x017F;o bey dem hellen Liecht des Evangelii eins u&#x0364;bers ander oder &#x017F;ta&#x0364;ts<lb/>
&#x017F;tolpere, und aus einem Strick in den andern gerathet, weilen er die<lb/>
li&#x017F;tigen An&#x017F;chla&#x0364;g der Schlangen nicht kennt, und ihme die Tieffen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K</fw><fw place="bottom" type="catch">des</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0169] und Seeligkeit. kan ſie doch die taͤgliche Erfahrung nicht klug machen, daß ſie auf ihrer Hut waͤren, und die Gefahr vermeydeten; Satanas kan ſie immer uͤberdoͤlplen und ihre Affecten in Unordnung bringen, daß ſie die Suͤnd an ſtatt GOttes, die Luſt des Fleiſches an ſtatt der Freud im Heil. Geiſt erwehlen, und alſo die Hoͤll vor den Himmel, und den Fluch fuͤr den Segen nehmen, ja ein ſtinckendes Raaben-Aas vor die himmliſche Lieblichkeit JEſu Chriſti und ſein theures Manna. §. 3. Und ob ſie ſchon tauſendfaͤltig gewarnet werden, daß ſie an ihrem eigenen und unzehlich anderer Schaden haͤtten ſollen witzig werden, ſo wagen ſie es doch immer auf ein friſches, und naſchen von der verbottenen Frucht, ſich thorecht einbildend, weil ſie nicht am erſten Biſſen erworget und erſticket, ſo habe es ferners nichts zu bedeuten, ja ſie laſſen ſich nichts Boͤſes traͤumen, obſchon ſie an ſich und anderen ſehen, wie ſich offt eine begangene Suͤnd erſt in vielen Jahren hernach ſo gewaltig regen und rumoren oder wuͤthen kan, daß dem Menſchen die Welt zu enge wird, und ihm ein Stich uͤber den anderen ins Hertz gehet, daß auch ſeine Geſtalt veraltet a. Deſſen ungeachtet meint der unſinnige Menſch der Schatz und das Kleinod werde ihm dennoch bleiben, und obſchon er auf das Fleiſch geſaͤet, werde er dennoch ewiges Leben und Frie- den in GOtt erndten. Von ſolcher ſtaͤter Raſerey den Menſchen zu curieren, iſt JEſus Chriſtus ſelbſt ſeine Weißheit worden, und das aͤuſſerlich durch ſein heilig Evangelium, darinn ſo viele unſchaͤtz- bare Handleitungen anzutreffen, und auch ſo viel theure Raͤthe, wie der Menſch dem ewigen Verderben entgehen, und ein unendliches Heyl finden koͤnne. Daß ſie aus eige- nem Scha- den nicht wollen klug wer- den, §. 4. Aber der thorechte Menſch duncket ſich weiſer zu ſeyn als GOtt, ſo daß er bey jeder Verſuchung den Rath GOttes wider ſeine eigene Seel verwirfft, ſonderlich wo die Macht der Suͤnde hart anſetzet, und ein altes ungetoͤdetes Laſter wieder erwachet, da dann der Teufel ſo hefftig zuſcheuret, und drein blaſſet, daß ſich der arme Menſch der grimmigen Anfaͤllen nicht erwehren kan, und alſo bey dem hellen Liecht des Evangelii eins uͤbers ander oder ſtaͤts ſtolpere, und aus einem Strick in den andern gerathet, weilen er die liſtigen Anſchlaͤg der Schlangen nicht kennt, und ihme die Tieffen des ſich wei- ſer duͤn- cken als GOtt, und alſo deſſen Rath zur Seeligkeit verwerf- fen. a Hiob XXXIII. K

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/169
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/169>, abgerufen am 21.11.2024.