kan sie doch die tägliche Erfahrung nicht klug machen, daß sie auf ihrer Hut wären, und die Gefahr vermeydeten; Satanas kan sie immer überdölplen und ihre Affecten in Unordnung bringen, daß sie die Sünd an statt GOttes, die Lust des Fleisches an statt der Freud im Heil. Geist erwehlen, und also die Höll vor den Himmel, und den Fluch für den Segen nehmen, ja ein stinckendes Raaben-Aas vor die himmlische Lieblichkeit JEsu Christi und sein theures Manna.
§. 3. Und ob sie schon tausendfältig gewarnet werden, daß sie anDaß sie aus eige- nem Scha- den nicht wollen klug wer- den, ihrem eigenen und unzehlich anderer Schaden hätten sollen witzig werden, so wagen sie es doch immer auf ein frisches, und naschen von der verbottenen Frucht, sich thorecht einbildend, weil sie nicht am ersten Bissen erworget und ersticket, so habe es ferners nichts zu bedeuten, ja sie lassen sich nichts Böses träumen, obschon sie an sich und anderen sehen, wie sich offt eine begangene Sünd erst in vielen Jahren hernach so gewaltig regen und rumoren oder wüthen kan, daß dem Menschen die Welt zu enge wird, und ihm ein Stich über den anderen ins Hertz gehet, daß auch seine Gestalt veraltet a. Dessen ungeachtet meint der unsinnige Mensch der Schatz und das Kleinod werde ihm dennoch bleiben, und obschon er auf das Fleisch gesäet, werde er dennoch ewiges Leben und Frie- den in GOtt erndten. Von solcher stäter Raserey den Menschen zu curieren, ist JEsus Christus selbst seine Weißheit worden, und das äusserlich durch sein heilig Evangelium, darinn so viele unschätz- bare Handleitungen anzutreffen, und auch so viel theure Räthe, wie der Mensch dem ewigen Verderben entgehen, und ein unendliches Heyl finden könne.
§. 4. Aber der thorechte Mensch duncket sich weiser zu seyn alssich wei- ser dün- cken als GOtt, und also dessen Rath zur Seeligkeit verwerf- fen. GOtt, so daß er bey jeder Versuchung den Rath GOttes wider seine eigene Seel verwirfft, sonderlich wo die Macht der Sünde hart ansetzet, und ein altes ungetödetes Laster wieder erwachet, da dann der Teufel so hefftig zuscheuret, und drein blasset, daß sich der arme Mensch der grimmigen Anfällen nicht erwehren kan, und also bey dem hellen Liecht des Evangelii eins übers ander oder stäts stolpere, und aus einem Strick in den andern gerathet, weilen er die listigen Anschläg der Schlangen nicht kennt, und ihme die Tieffen
des
aHiob XXXIII.
K
und Seeligkeit.
kan ſie doch die taͤgliche Erfahrung nicht klug machen, daß ſie auf ihrer Hut waͤren, und die Gefahr vermeydeten; Satanas kan ſie immer uͤberdoͤlplen und ihre Affecten in Unordnung bringen, daß ſie die Suͤnd an ſtatt GOttes, die Luſt des Fleiſches an ſtatt der Freud im Heil. Geiſt erwehlen, und alſo die Hoͤll vor den Himmel, und den Fluch fuͤr den Segen nehmen, ja ein ſtinckendes Raaben-Aas vor die himmliſche Lieblichkeit JEſu Chriſti und ſein theures Manna.
§. 3. Und ob ſie ſchon tauſendfaͤltig gewarnet werden, daß ſie anDaß ſie aus eige- nem Scha- den nicht wollen klug wer- den, ihrem eigenen und unzehlich anderer Schaden haͤtten ſollen witzig werden, ſo wagen ſie es doch immer auf ein friſches, und naſchen von der verbottenen Frucht, ſich thorecht einbildend, weil ſie nicht am erſten Biſſen erworget und erſticket, ſo habe es ferners nichts zu bedeuten, ja ſie laſſen ſich nichts Boͤſes traͤumen, obſchon ſie an ſich und anderen ſehen, wie ſich offt eine begangene Suͤnd erſt in vielen Jahren hernach ſo gewaltig regen und rumoren oder wuͤthen kan, daß dem Menſchen die Welt zu enge wird, und ihm ein Stich uͤber den anderen ins Hertz gehet, daß auch ſeine Geſtalt veraltet a. Deſſen ungeachtet meint der unſinnige Menſch der Schatz und das Kleinod werde ihm dennoch bleiben, und obſchon er auf das Fleiſch geſaͤet, werde er dennoch ewiges Leben und Frie- den in GOtt erndten. Von ſolcher ſtaͤter Raſerey den Menſchen zu curieren, iſt JEſus Chriſtus ſelbſt ſeine Weißheit worden, und das aͤuſſerlich durch ſein heilig Evangelium, darinn ſo viele unſchaͤtz- bare Handleitungen anzutreffen, und auch ſo viel theure Raͤthe, wie der Menſch dem ewigen Verderben entgehen, und ein unendliches Heyl finden koͤnne.
§. 4. Aber der thorechte Menſch duncket ſich weiſer zu ſeyn alsſich wei- ſer duͤn- cken als GOtt, und alſo deſſen Rath zur Seeligkeit verwerf- fen. GOtt, ſo daß er bey jeder Verſuchung den Rath GOttes wider ſeine eigene Seel verwirfft, ſonderlich wo die Macht der Suͤnde hart anſetzet, und ein altes ungetoͤdetes Laſter wieder erwachet, da dann der Teufel ſo hefftig zuſcheuret, und drein blaſſet, daß ſich der arme Menſch der grimmigen Anfaͤllen nicht erwehren kan, und alſo bey dem hellen Liecht des Evangelii eins uͤbers ander oder ſtaͤts ſtolpere, und aus einem Strick in den andern gerathet, weilen er die liſtigen Anſchlaͤg der Schlangen nicht kennt, und ihme die Tieffen
des
aHiob XXXIII.
K
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0169"n="73"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und Seeligkeit.</hi></fw><lb/>
kan ſie doch die taͤgliche Erfahrung nicht klug machen, daß ſie auf<lb/>
ihrer Hut waͤren, und die Gefahr vermeydeten; Satanas kan ſie<lb/>
immer uͤberdoͤlplen und ihre Affecten in Unordnung bringen, daß ſie<lb/>
die Suͤnd an ſtatt GOttes, die Luſt des Fleiſches an ſtatt der Freud<lb/>
im Heil. Geiſt erwehlen, und alſo die Hoͤll vor den Himmel, und<lb/>
den Fluch fuͤr den Segen nehmen, ja ein ſtinckendes Raaben-Aas<lb/>
vor die himmliſche Lieblichkeit JEſu Chriſti und ſein theures Manna.</p><lb/><p>§. 3. Und ob ſie ſchon tauſendfaͤltig gewarnet werden, daß ſie an<noteplace="right">Daß ſie<lb/>
aus eige-<lb/>
nem Scha-<lb/>
den nicht<lb/>
wollen<lb/>
klug wer-<lb/>
den,</note><lb/>
ihrem eigenen und unzehlich anderer Schaden haͤtten ſollen witzig<lb/>
werden, ſo wagen ſie es doch immer auf ein friſches, und naſchen<lb/>
von der verbottenen Frucht, ſich thorecht einbildend, weil ſie nicht<lb/>
am erſten Biſſen erworget und erſticket, ſo habe es ferners nichts<lb/>
zu bedeuten, ja ſie laſſen ſich nichts Boͤſes traͤumen, obſchon ſie an<lb/>ſich und anderen ſehen, wie ſich offt eine begangene Suͤnd erſt in<lb/>
vielen Jahren hernach ſo gewaltig regen und rumoren oder wuͤthen<lb/>
kan, daß dem Menſchen die Welt zu enge wird, und ihm ein<lb/>
Stich uͤber den anderen ins Hertz gehet, daß auch ſeine Geſtalt<lb/>
veraltet <noteplace="foot"n="a"><hirendition="#aq">Hiob XXXIII.</hi></note>. Deſſen ungeachtet meint der unſinnige Menſch der<lb/>
Schatz und das Kleinod werde ihm dennoch bleiben, und obſchon<lb/>
er auf das Fleiſch geſaͤet, werde er dennoch ewiges Leben und Frie-<lb/>
den in GOtt erndten. Von ſolcher ſtaͤter Raſerey den Menſchen<lb/>
zu curieren, iſt JEſus Chriſtus ſelbſt ſeine Weißheit worden, und<lb/>
das aͤuſſerlich durch ſein heilig Evangelium, darinn ſo viele unſchaͤtz-<lb/>
bare Handleitungen anzutreffen, und auch ſo viel theure Raͤthe, wie<lb/>
der Menſch dem ewigen Verderben entgehen, und ein unendliches<lb/>
Heyl finden koͤnne.</p><lb/><p>§. 4. Aber der thorechte Menſch duncket ſich weiſer zu ſeyn als<noteplace="right">ſich wei-<lb/>ſer duͤn-<lb/>
cken als<lb/>
GOtt, und<lb/>
alſo deſſen<lb/>
Rath zur<lb/>
Seeligkeit<lb/>
verwerf-<lb/>
fen.</note><lb/>
GOtt, ſo daß er bey jeder Verſuchung den Rath GOttes wider<lb/>ſeine eigene Seel verwirfft, ſonderlich wo die Macht der Suͤnde<lb/>
hart anſetzet, und ein altes ungetoͤdetes Laſter wieder erwachet, da<lb/>
dann der Teufel ſo hefftig zuſcheuret, und drein blaſſet, daß ſich<lb/>
der arme Menſch der grimmigen Anfaͤllen nicht erwehren kan, und<lb/>
alſo bey dem hellen Liecht des Evangelii eins uͤbers ander oder ſtaͤts<lb/>ſtolpere, und aus einem Strick in den andern gerathet, weilen er die<lb/>
liſtigen Anſchlaͤg der Schlangen nicht kennt, und ihme die Tieffen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">K</fw><fwplace="bottom"type="catch">des</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[73/0169]
und Seeligkeit.
kan ſie doch die taͤgliche Erfahrung nicht klug machen, daß ſie auf
ihrer Hut waͤren, und die Gefahr vermeydeten; Satanas kan ſie
immer uͤberdoͤlplen und ihre Affecten in Unordnung bringen, daß ſie
die Suͤnd an ſtatt GOttes, die Luſt des Fleiſches an ſtatt der Freud
im Heil. Geiſt erwehlen, und alſo die Hoͤll vor den Himmel, und
den Fluch fuͤr den Segen nehmen, ja ein ſtinckendes Raaben-Aas
vor die himmliſche Lieblichkeit JEſu Chriſti und ſein theures Manna.
§. 3. Und ob ſie ſchon tauſendfaͤltig gewarnet werden, daß ſie an
ihrem eigenen und unzehlich anderer Schaden haͤtten ſollen witzig
werden, ſo wagen ſie es doch immer auf ein friſches, und naſchen
von der verbottenen Frucht, ſich thorecht einbildend, weil ſie nicht
am erſten Biſſen erworget und erſticket, ſo habe es ferners nichts
zu bedeuten, ja ſie laſſen ſich nichts Boͤſes traͤumen, obſchon ſie an
ſich und anderen ſehen, wie ſich offt eine begangene Suͤnd erſt in
vielen Jahren hernach ſo gewaltig regen und rumoren oder wuͤthen
kan, daß dem Menſchen die Welt zu enge wird, und ihm ein
Stich uͤber den anderen ins Hertz gehet, daß auch ſeine Geſtalt
veraltet a. Deſſen ungeachtet meint der unſinnige Menſch der
Schatz und das Kleinod werde ihm dennoch bleiben, und obſchon
er auf das Fleiſch geſaͤet, werde er dennoch ewiges Leben und Frie-
den in GOtt erndten. Von ſolcher ſtaͤter Raſerey den Menſchen
zu curieren, iſt JEſus Chriſtus ſelbſt ſeine Weißheit worden, und
das aͤuſſerlich durch ſein heilig Evangelium, darinn ſo viele unſchaͤtz-
bare Handleitungen anzutreffen, und auch ſo viel theure Raͤthe, wie
der Menſch dem ewigen Verderben entgehen, und ein unendliches
Heyl finden koͤnne.
Daß ſie
aus eige-
nem Scha-
den nicht
wollen
klug wer-
den,
§. 4. Aber der thorechte Menſch duncket ſich weiſer zu ſeyn als
GOtt, ſo daß er bey jeder Verſuchung den Rath GOttes wider
ſeine eigene Seel verwirfft, ſonderlich wo die Macht der Suͤnde
hart anſetzet, und ein altes ungetoͤdetes Laſter wieder erwachet, da
dann der Teufel ſo hefftig zuſcheuret, und drein blaſſet, daß ſich
der arme Menſch der grimmigen Anfaͤllen nicht erwehren kan, und
alſo bey dem hellen Liecht des Evangelii eins uͤbers ander oder ſtaͤts
ſtolpere, und aus einem Strick in den andern gerathet, weilen er die
liſtigen Anſchlaͤg der Schlangen nicht kennt, und ihme die Tieffen
des
ſich wei-
ſer duͤn-
cken als
GOtt, und
alſo deſſen
Rath zur
Seeligkeit
verwerf-
fen.
a Hiob XXXIII.
K
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/169>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.