Er lasset seine Sonne noch täglich aufgehen, sie lauffet ihren Weg- und der Mensch stehet so still; Die Sonne erwärmet die Erden, und thut ihre Würckung in den Gewächsen, und die Menschen wollen ih- re Hertzen von JEsu nicht erwärmen und eröffnen lassen; Die Sonn rufft uns gleichsam zu: Jch lauffe Tag und Nacht euch Menschen zu lieb, euch die Erde fruchtbar zu machen, und ihr Menschen bleibet immer in eurem Sünden-Bett, schnarchet immerfort in eurem Sün- den-Schaff; die Blumen des Felds haben ihre Freud an mir, und wenden sich nach mir, alles richtet sich nach mir, ich gefalle allem; O warum gefallt dir doch JEsus nicht? Warum begehrest du ih- me nicht zu begegnen? Er rufft dir ja so freundlich zu: Wende dich zu Mir, und du bist ja so grob und so unfreundlich, und kehrest ihm den Rücken; Siehe ich mache durch meine Wärme, daß die Bäum nach und nach wachsen und Frucht bringen; und du bleibst immer wer du bist, und bringest deinem JESU nie keine Früchte; Die Bäum halten mir still das gantz Jahr aus, von früh Morgen an biß an den Abend, und du kanst dich kaum ein halb viertel Stund lang zu deinem JESU wenden, ja du fliehest vor deiner Seelen- Sonne.
§. 19. Gewißlich es ist nichts elenders und betrübters als der Zu-Jnsonder- heit sollte dieses thun die unendliche Liebe JE- SU. stand der heutigen Christen; Es ist wohl ein Wunder, daß der Sa- tan die Hertzen der Menschen so eißkalt machen kan gegen ihrem GOtt, gegen dem so gütigen und Liebes-vollen GOtt, daß sie keine Lust zu JEsu haben; Jst dann JEsus darum euer Feind worden, weil er euch von Sünde, Tod, Höll und Welt erlösen will? Schauet ihn doch an, schauet ihm unter die Augen, ob nicht lauter Freund- lichkeit und Liebe aus seinen Augen heraus strahle a! Schaue an sein Liebes-flammendes Hertz! oder hast du darum kein Hertz zu ihm, weil er dir sein Hertz mittheilen will; Er fragt dich ja so beweglich: Was hab ich dir gethan/ und womit hab ich dich beleidiget: das sage mirb; Betrachte ihn doch nach allen seinen Tugenden, gewiß er wird dir gefallen, alles, alles was an ihm, ist gantz lieblich, o ihr Töchteren Jerusalem.
Das
a Hohel. V. 11.
bMich. VI. 3.
einer glaubigen Seele nach JESU.
Er laſſet ſeine Sonne noch taͤglich aufgehen, ſie lauffet ihren Weg- und der Menſch ſtehet ſo ſtill; Die Sonne erwaͤrmet die Erden, und thut ihre Wuͤrckung in den Gewaͤchſen, und die Menſchen wollen ih- re Hertzen von JEſu nicht erwaͤrmen und eroͤffnen laſſen; Die Sonn rufft uns gleichſam zu: Jch lauffe Tag und Nacht euch Menſchen zu lieb, euch die Erde fruchtbar zu machen, und ihr Menſchen bleibet immer in eurem Suͤnden-Bett, ſchnarchet immerfort in eurem Suͤn- den-Schaff; die Blumen des Felds haben ihre Freud an mir, und wenden ſich nach mir, alles richtet ſich nach mir, ich gefalle allem; O warum gefallt dir doch JEſus nicht? Warum begehreſt du ih- me nicht zu begegnen? Er rufft dir ja ſo freundlich zu: Wende dich zu Mir, und du biſt ja ſo grob und ſo unfreundlich, und kehreſt ihm den Ruͤcken; Siehe ich mache durch meine Waͤrme, daß die Baͤum nach und nach wachſen und Frucht bringen; und du bleibſt immer wer du biſt, und bringeſt deinem JESU nie keine Fruͤchte; Die Baͤum halten mir ſtill das gantz Jahr aus, von fruͤh Morgen an biß an den Abend, und du kanſt dich kaum ein halb viertel Stund lang zu deinem JESU wenden, ja du flieheſt vor deiner Seelen- Sonne.
§. 19. Gewißlich es iſt nichts elenders und betruͤbters als der Zu-Jnſonder- heit ſollte dieſes thun die unendliche Liebe JE- SU. ſtand der heutigen Chriſten; Es iſt wohl ein Wunder, daß der Sa- tan die Hertzen der Menſchen ſo eißkalt machen kan gegen ihrem GOtt, gegen dem ſo guͤtigen und Liebes-vollen GOtt, daß ſie keine Luſt zu JEſu haben; Jſt dann JEſus darum euer Feind worden, weil er euch von Suͤnde, Tod, Hoͤll und Welt erloͤſen will? Schauet ihn doch an, ſchauet ihm unter die Augen, ob nicht lauter Freund- lichkeit und Liebe aus ſeinen Augen heraus ſtrahle a! Schaue an ſein Liebes-flammendes Hertz! oder haſt du darum kein Hertz zu ihm, weil er dir ſein Hertz mittheilen will; Er fragt dich ja ſo beweglich: Was hab ich dir gethan/ und womit hab ich dich beleidiget: das ſage mirb; Betrachte ihn doch nach allen ſeinen Tugenden, gewiß er wird dir gefallen, alles, alles was an ihm, iſt gantz lieblich, o ihr Toͤchteren Jeruſalem.
Das
a Hohel. V. 11.
bMich. VI. 3.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0255"n="159"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">einer glaubigen Seele nach JESU.</hi></fw><lb/><p>Er laſſet ſeine Sonne noch taͤglich aufgehen, ſie lauffet ihren Weg-<lb/>
und der Menſch ſtehet ſo ſtill; Die Sonne erwaͤrmet die Erden, und<lb/>
thut ihre Wuͤrckung in den Gewaͤchſen, und die Menſchen wollen ih-<lb/>
re Hertzen von JEſu nicht erwaͤrmen und eroͤffnen laſſen; Die Sonn<lb/>
rufft uns gleichſam zu: Jch lauffe Tag und Nacht euch Menſchen zu<lb/>
lieb, euch die Erde fruchtbar zu machen, und ihr Menſchen bleibet<lb/>
immer in eurem Suͤnden-Bett, ſchnarchet immerfort in eurem Suͤn-<lb/>
den-Schaff; die Blumen des Felds haben ihre Freud an mir, und<lb/>
wenden ſich nach mir, alles richtet ſich nach mir, ich gefalle allem;<lb/>
O warum gefallt dir doch JEſus nicht? Warum begehreſt du ih-<lb/>
me nicht zu begegnen? Er rufft dir ja ſo freundlich zu: Wende dich<lb/>
zu Mir, und du biſt ja ſo grob und ſo unfreundlich, und kehreſt ihm<lb/>
den Ruͤcken; Siehe ich mache durch meine Waͤrme, daß die Baͤum<lb/>
nach und nach wachſen und Frucht bringen; und du bleibſt immer<lb/>
wer du biſt, und bringeſt deinem JESU nie keine Fruͤchte; Die<lb/>
Baͤum halten mir ſtill das gantz Jahr aus, von fruͤh Morgen an<lb/>
biß an den Abend, und du kanſt dich kaum ein halb viertel Stund<lb/>
lang zu deinem JESU wenden, ja du flieheſt vor deiner Seelen-<lb/>
Sonne.</p><lb/><p>§. 19. Gewißlich es iſt nichts elenders und betruͤbters als der Zu-<noteplace="right">Jnſonder-<lb/>
heit ſollte<lb/>
dieſes<lb/>
thun die<lb/>
unendliche<lb/>
Liebe JE-<lb/>
SU.</note><lb/>ſtand der heutigen Chriſten; Es iſt wohl ein Wunder, daß der Sa-<lb/>
tan die Hertzen der Menſchen ſo eißkalt machen kan gegen ihrem<lb/>
GOtt, gegen dem ſo guͤtigen und Liebes-vollen GOtt, daß ſie keine<lb/>
Luſt zu JEſu haben; Jſt dann JEſus darum euer Feind worden,<lb/>
weil er euch von Suͤnde, Tod, Hoͤll und Welt erloͤſen will? Schauet<lb/>
ihn doch an, ſchauet ihm unter die Augen, ob nicht lauter Freund-<lb/>
lichkeit und Liebe aus ſeinen Augen heraus ſtrahle <noteplace="foot"n="a">Hohel. <hirendition="#aq">V.</hi> 11.</note>! Schaue an ſein<lb/>
Liebes-flammendes Hertz! oder haſt du darum kein Hertz zu ihm, weil<lb/>
er dir ſein Hertz mittheilen will; Er fragt dich ja ſo beweglich: <hirendition="#fr">Was<lb/>
hab ich dir gethan/ und womit hab ich dich beleidiget: das ſage<lb/>
mir</hi><noteplace="foot"n="b"><hirendition="#aq">Mich. VI.</hi> 3.</note>; Betrachte ihn doch nach allen ſeinen Tugenden, gewiß er<lb/>
wird dir gefallen, alles, alles was an ihm, iſt gantz lieblich, o ihr<lb/>
Toͤchteren Jeruſalem.</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Das</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
[159/0255]
einer glaubigen Seele nach JESU.
Er laſſet ſeine Sonne noch taͤglich aufgehen, ſie lauffet ihren Weg-
und der Menſch ſtehet ſo ſtill; Die Sonne erwaͤrmet die Erden, und
thut ihre Wuͤrckung in den Gewaͤchſen, und die Menſchen wollen ih-
re Hertzen von JEſu nicht erwaͤrmen und eroͤffnen laſſen; Die Sonn
rufft uns gleichſam zu: Jch lauffe Tag und Nacht euch Menſchen zu
lieb, euch die Erde fruchtbar zu machen, und ihr Menſchen bleibet
immer in eurem Suͤnden-Bett, ſchnarchet immerfort in eurem Suͤn-
den-Schaff; die Blumen des Felds haben ihre Freud an mir, und
wenden ſich nach mir, alles richtet ſich nach mir, ich gefalle allem;
O warum gefallt dir doch JEſus nicht? Warum begehreſt du ih-
me nicht zu begegnen? Er rufft dir ja ſo freundlich zu: Wende dich
zu Mir, und du biſt ja ſo grob und ſo unfreundlich, und kehreſt ihm
den Ruͤcken; Siehe ich mache durch meine Waͤrme, daß die Baͤum
nach und nach wachſen und Frucht bringen; und du bleibſt immer
wer du biſt, und bringeſt deinem JESU nie keine Fruͤchte; Die
Baͤum halten mir ſtill das gantz Jahr aus, von fruͤh Morgen an
biß an den Abend, und du kanſt dich kaum ein halb viertel Stund
lang zu deinem JESU wenden, ja du flieheſt vor deiner Seelen-
Sonne.
§. 19. Gewißlich es iſt nichts elenders und betruͤbters als der Zu-
ſtand der heutigen Chriſten; Es iſt wohl ein Wunder, daß der Sa-
tan die Hertzen der Menſchen ſo eißkalt machen kan gegen ihrem
GOtt, gegen dem ſo guͤtigen und Liebes-vollen GOtt, daß ſie keine
Luſt zu JEſu haben; Jſt dann JEſus darum euer Feind worden,
weil er euch von Suͤnde, Tod, Hoͤll und Welt erloͤſen will? Schauet
ihn doch an, ſchauet ihm unter die Augen, ob nicht lauter Freund-
lichkeit und Liebe aus ſeinen Augen heraus ſtrahle a! Schaue an ſein
Liebes-flammendes Hertz! oder haſt du darum kein Hertz zu ihm, weil
er dir ſein Hertz mittheilen will; Er fragt dich ja ſo beweglich: Was
hab ich dir gethan/ und womit hab ich dich beleidiget: das ſage
mir b; Betrachte ihn doch nach allen ſeinen Tugenden, gewiß er
wird dir gefallen, alles, alles was an ihm, iſt gantz lieblich, o ihr
Toͤchteren Jeruſalem.
Jnſonder-
heit ſollte
dieſes
thun die
unendliche
Liebe JE-
SU.
Das
a Hohel. V. 11.
b Mich. VI. 3.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/255>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.