ge, was es seye, und worinn sie bestehe, darum ergreiffen sie den Schatten vor das Wesen, und den Schein vor das Seyn.
Massen er sich mit ei- ner bur- gerlichen Erbarkeit und etwel- chen süssen Empfin- dungen be- gnüget.
§. 10. Sie vergnügen sich entweder mit einer äusserlichen Erbar- keit und gesetzlichen Frommkeit, wie vor Zeiten die Pharisäer, und heut zu Tag die ordinari Fromme zu thun pflegen, oder wann sie was gründliches suchen, indem sie den Sinn des Evangelii besser ein- gesehen zu haben vermeynen, derowegen nicht auf den Sand ihrer Wercken bauen wollen, sondern an eine Hertzens-Aenderung auch gedencken, so werdens doch nur halbe Christen, die, wann sie eini- ge Buß-Aengsten ausgestanden, obenhin durch gekämpffet, und in etwas erfreuet worden, durch den Geschmack des guten Worts GOt- tes, so meynen sie bald, sie seyen schon fertig, und seye die neue Ge- burt bereits bey ihm vorgegangen, also daß, wann sie davon hören oder lesen, sie nichts anders gedencken, als das alles sey bey ihnen schon vorbey, dannenher gibt es in diesen Zeiten viele Mißgeburten, die, wann sie bereits viele Jahr rechnen von ihrer Bekehrung an, erst nach so langer Zeit von vornen anfangen müssen, und die Buß von todten Wercken lernen, die sie noch niemal bey der Wurtzel als der innerlichen Neigung angegriffen, und durch die Krafft des le- bendig-machenden Geistes der Wiedergeburt, der in Christo JEsu ist, überwunden haben; ihr Glauben ergreifft Christum nur halb, und darff es nicht wagen ihn gantz anzunemmen, und sich von seinem Wort und Geist voll füllen zu lassen, ihre Buß legt den alten Adam nur zum theil ab, und so ist auch ihre Tugend nur halb, folglich un- tüchtig zum Himmelreich, und allzu monstros und ein Ungeheuer vor GOtt; Nun, O ihr selbst-betrogene, sterbliche, auf Sand bauen- de, und in süssen Phantasien von einem eingebildeten Chri- stenthum euch belustigende, von der Zucht aber des H. Geistes euch so offt loß reissende, und also das Werck der Wiedergeburt verstöh- rende und aufhaltende, kommet, höret euren Sententz mit doppel- tem Eyd bekräfftiget, aus dem Mund euers künfftigen Richters, von dem König des Himmelreichs selbst im Text.
JEsus muß einem die Ge- heimnus- sen in dem Werck der
§. 11. O wie ist doch das Werck der Gnaden ein pur lauter Gött- liche und allerdings himmlische Sach, da die Vernunfft keinen Stich siehet, da auch das Gesetz nichts offenbahret, sondern allein JEsus aus GOttes Schoos bringet, und wo der es nicht der Seelen er- öffnet, in der Nacht dieser Welt, so wird es ihr wohl ein ewig ver-
schlosse-
Das Haus GOTTES
ge, was es ſeye, und worinn ſie beſtehe, darum ergreiffen ſie den Schatten vor das Weſen, und den Schein vor das Seyn.
Maſſen er ſich mit ei- ner bur- gerlichen Erbarkeit und etwel- chen ſuͤſſen Empfin- dungen be- gnuͤget.
§. 10. Sie vergnuͤgen ſich entweder mit einer aͤuſſerlichen Erbar- keit und geſetzlichen Frommkeit, wie vor Zeiten die Phariſaͤer, und heut zu Tag die ordinari Fromme zu thun pflegen, oder wann ſie was gruͤndliches ſuchen, indem ſie den Sinn des Evangelii beſſer ein- geſehen zu haben vermeynen, derowegen nicht auf den Sand ihrer Wercken bauen wollen, ſondern an eine Hertzens-Aenderung auch gedencken, ſo werdens doch nur halbe Chriſten, die, wann ſie eini- ge Buß-Aengſten ausgeſtanden, obenhin durch gekaͤmpffet, und in etwas erfreuet worden, durch den Geſchmack des guten Worts GOt- tes, ſo meynen ſie bald, ſie ſeyen ſchon fertig, und ſeye die neue Ge- burt bereits bey ihm vorgegangen, alſo daß, wann ſie davon hoͤren oder leſen, ſie nichts anders gedencken, als das alles ſey bey ihnen ſchon vorbey, dannenher gibt es in dieſen Zeiten viele Mißgeburten, die, wann ſie bereits viele Jahr rechnen von ihrer Bekehrung an, erſt nach ſo langer Zeit von vornen anfangen muͤſſen, und die Buß von todten Wercken lernen, die ſie noch niemal bey der Wurtzel als der innerlichen Neigung angegriffen, und durch die Krafft des le- bendig-machenden Geiſtes der Wiedergeburt, der in Chriſto JEſu iſt, uͤberwunden haben; ihr Glauben ergreifft Chriſtum nur halb, und darff es nicht wagen ihn gantz anzunemmen, und ſich von ſeinem Wort und Geiſt voll fuͤllen zu laſſen, ihre Buß legt den alten Adam nur zum theil ab, und ſo iſt auch ihre Tugend nur halb, folglich un- tuͤchtig zum Himmelreich, und allzu monſtros und ein Ungeheuer vor GOtt; Nun, O ihr ſelbſt-betrogene, ſterbliche, auf Sand bauen- de, und in ſuͤſſen Phantaſien von einem eingebildeten Chri- ſtenthum euch beluſtigende, von der Zucht aber des H. Geiſtes euch ſo offt loß reiſſende, und alſo das Werck der Wiedergeburt verſtoͤh- rende und aufhaltende, kommet, hoͤret euren Sententz mit doppel- tem Eyd bekraͤfftiget, aus dem Mund euers kuͤnfftigen Richters, von dem Koͤnig des Himmelreichs ſelbſt im Text.
JEſus muß einem die Ge- heimnuſ- ſen in dem Werck der
§. 11. O wie iſt doch das Werck der Gnaden ein pur lauter Goͤtt- liche und allerdings himmliſche Sach, da die Vernunfft keinen Stich ſiehet, da auch das Geſetz nichts offenbahret, ſondern allein JEſus aus GOttes Schoos bringet, und wo der es nicht der Seelen er- oͤffnet, in der Nacht dieſer Welt, ſo wird es ihr wohl ein ewig ver-
ſchloſſe-
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Das Haus GOTTES
ge, was es ſeye, und worinn ſie beſtehe, darum ergreiffen ſie den
Schatten vor das Weſen, und den Schein vor das Seyn.
§. 10. Sie vergnuͤgen ſich entweder mit einer aͤuſſerlichen Erbar-
keit und geſetzlichen Frommkeit, wie vor Zeiten die Phariſaͤer, und
heut zu Tag die ordinari Fromme zu thun pflegen, oder wann ſie
was gruͤndliches ſuchen, indem ſie den Sinn des Evangelii beſſer ein-
geſehen zu haben vermeynen, derowegen nicht auf den Sand ihrer
Wercken bauen wollen, ſondern an eine Hertzens-Aenderung auch
gedencken, ſo werdens doch nur halbe Chriſten, die, wann ſie eini-
ge Buß-Aengſten ausgeſtanden, obenhin durch gekaͤmpffet, und in
etwas erfreuet worden, durch den Geſchmack des guten Worts GOt-
tes, ſo meynen ſie bald, ſie ſeyen ſchon fertig, und ſeye die neue Ge-
burt bereits bey ihm vorgegangen, alſo daß, wann ſie davon hoͤren
oder leſen, ſie nichts anders gedencken, als das alles ſey bey ihnen
ſchon vorbey, dannenher gibt es in dieſen Zeiten viele Mißgeburten,
die, wann ſie bereits viele Jahr rechnen von ihrer Bekehrung an,
erſt nach ſo langer Zeit von vornen anfangen muͤſſen, und die Buß
von todten Wercken lernen, die ſie noch niemal bey der Wurtzel als
der innerlichen Neigung angegriffen, und durch die Krafft des le-
bendig-machenden Geiſtes der Wiedergeburt, der in Chriſto JEſu
iſt, uͤberwunden haben; ihr Glauben ergreifft Chriſtum nur halb,
und darff es nicht wagen ihn gantz anzunemmen, und ſich von ſeinem
Wort und Geiſt voll fuͤllen zu laſſen, ihre Buß legt den alten Adam
nur zum theil ab, und ſo iſt auch ihre Tugend nur halb, folglich un-
tuͤchtig zum Himmelreich, und allzu monſtros und ein Ungeheuer vor
GOtt; Nun, O ihr ſelbſt-betrogene, ſterbliche, auf Sand bauen-
de, und in ſuͤſſen Phantaſien von einem eingebildeten Chri-
ſtenthum euch beluſtigende, von der Zucht aber des H. Geiſtes euch
ſo offt loß reiſſende, und alſo das Werck der Wiedergeburt verſtoͤh-
rende und aufhaltende, kommet, hoͤret euren Sententz mit doppel-
tem Eyd bekraͤfftiget, aus dem Mund euers kuͤnfftigen Richters, von
dem Koͤnig des Himmelreichs ſelbſt im Text.
§. 11. O wie iſt doch das Werck der Gnaden ein pur lauter Goͤtt-
liche und allerdings himmliſche Sach, da die Vernunfft keinen Stich
ſiehet, da auch das Geſetz nichts offenbahret, ſondern allein JEſus
aus GOttes Schoos bringet, und wo der es nicht der Seelen er-
oͤffnet, in der Nacht dieſer Welt, ſo wird es ihr wohl ein ewig ver-
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/280>, abgerufen am 22.11.2024.
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