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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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und die Pforte des Himmels.
kalter Schauer durch Marck und Bein gehen, wo ihr euch besinnet,
wie leicht ihr hättet können ohne Buß und Wiedergeburt sterben,
ohne wahre Erkanntnuß GOttes, und ohne das Leben Christi in
euch, und ohne Heiligung des Geistes der Herrlichkeit, hättet kön-
nen dahin fahren, und wie übel ihr gefahren wäret, wie erbärmlich
es mit euch vor GOttes Richterstuhl abgeloffen wäre; O Finster-
nuß! O Wurm! wann willt du sterben; O Feuer! wann wirst du
verlöschen; O dicker Dampf! O Höllen-G'stanck! O Geheul und
Flammen ohne End! O Rauch der Quaal aufsteigend in alle Ewig-
keit! O Wehe ohne Aufhören! O Schmertzen ohne Nachlassen!
Wie hat mich der Teuffel und seine Engel betrogen, daß ich jetzt das
ihme bereitete Feuer samt ihme fühlen muß, da ich hätte können ewi-
ge Freud in GOTT haben, wann ich ihne hätte in mir würcken las-
sen die Wiedergeburt, da wär ich jetzt ein freudenreicher Engel in
seiner Klarheit, und könte mit anderen Neugebohrnen in himmlischer
Schönheit jubilieren, nun muß ich meine scheutzliche Teuffels-Larve
ewig behalten, und wie ein schnöder Würm in den finsteren Kercke-
ren des Abgrunds herum kriechen, und unter denen höllischen Gespen-
steren gequälet werden, vor denen Heiligen und vor dem Lamm, weil
ich mein Heyl so grob verachtet habe; Ach hätte ich doch meinem Pre-
diger geglaubt, der mich hundert und hundert mahl vor meinem ewi-
gen Unglück gewarnet, und mich eines besseren zu bereden getrachtet,
aber ich hätte wohl nie gemeynt, daß ein solcher Jammer mich tref-
fen sollte; O wann ich eine solche Angst und Pein vor mir gewußt
hätte, daß sie auf mich wartete, wie wollte ich doch die edle Gnaden-
Zeit haben angewendt!

§. 3. Aber nun kan ich mit tausend Jahren Pein nicht ein eintzi-Jnson-
derheit
den uner-
setzlichen
Verlust
der Gna-
den-Zeit.

ges verlohrnes Gnaden-Stündlein widerbringen, da ich mein Leben
sonderlich an Sonntagen so Heyls-vergessen verschwendet, und mich
niemahls daran gekehrt, ob sich schon der arme Prediger halb zu tod
in meine Ohren geschrauen, wache auf Sünder, daß dich Christus
erleuchte; Jetzt, jetzt ist die Zeit der Vorbereitung, jetzt kanst du dem
künfftigen Zorn noch entgehen, würcke alldieweil es Tag ist, GOTT
will dir noch heut helffen, heut kanst du noch neugebohren und ein Erb
der Herrlichkeit werden, eyle ehe sich die Sonne hinter die Berge
verbirgt, sie neiget sich zum Untergang und dein Stundglaß ist bald
ausgeloffen, aber so bald ware ich nicht aus der Kirchen, so thate ich

mich
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und die Pforte des Himmels.
kalter Schauer durch Marck und Bein gehen, wo ihr euch beſinnet,
wie leicht ihr haͤttet koͤnnen ohne Buß und Wiedergeburt ſterben,
ohne wahre Erkanntnuß GOttes, und ohne das Leben Chriſti in
euch, und ohne Heiligung des Geiſtes der Herrlichkeit, haͤttet koͤn-
nen dahin fahren, und wie uͤbel ihr gefahren waͤret, wie erbaͤrmlich
es mit euch vor GOttes Richterſtuhl abgeloffen waͤre; O Finſter-
nuß! O Wurm! wann willt du ſterben; O Feuer! wann wirſt du
verloͤſchen; O dicker Dampf! O Hoͤllen-G’ſtanck! O Geheul und
Flammen ohne End! O Rauch der Quaal aufſteigend in alle Ewig-
keit! O Wehe ohne Aufhoͤren! O Schmertzen ohne Nachlaſſen!
Wie hat mich der Teuffel und ſeine Engel betrogen, daß ich jetzt das
ihme bereitete Feuer ſamt ihme fuͤhlen muß, da ich haͤtte koͤnnen ewi-
ge Freud in GOTT haben, wann ich ihne haͤtte in mir wuͤrcken laſ-
ſen die Wiedergeburt, da waͤr ich jetzt ein freudenreicher Engel in
ſeiner Klarheit, und koͤnte mit anderen Neugebohrnen in himmliſcher
Schoͤnheit jubilieren, nun muß ich meine ſcheutzliche Teuffels-Larve
ewig behalten, und wie ein ſchnoͤder Wuͤrm in den finſteren Kercke-
ren des Abgrunds herum kriechen, und unter denen hoͤlliſchen Geſpen-
ſteren gequaͤlet werden, vor denen Heiligen und vor dem Lamm, weil
ich mein Heyl ſo grob verachtet habe; Ach haͤtte ich doch meinem Pre-
diger geglaubt, der mich hundert und hundert mahl vor meinem ewi-
gen Ungluͤck gewarnet, und mich eines beſſeren zu bereden getrachtet,
aber ich haͤtte wohl nie gemeynt, daß ein ſolcher Jammer mich tref-
fen ſollte; O wann ich eine ſolche Angſt und Pein vor mir gewußt
haͤtte, daß ſie auf mich wartete, wie wollte ich doch die edle Gnaden-
Zeit haben angewendt!

§. 3. Aber nun kan ich mit tauſend Jahren Pein nicht ein eintzi-Jnſon-
derheit
den uner-
ſetzlichen
Verluſt
der Gna-
den-Zeit.

ges verlohrnes Gnaden-Stuͤndlein widerbringen, da ich mein Leben
ſonderlich an Sonntagen ſo Heyls-vergeſſen verſchwendet, und mich
niemahls daran gekehrt, ob ſich ſchon der arme Prediger halb zu tod
in meine Ohren geſchrauen, wache auf Suͤnder, daß dich Chriſtus
erleuchte; Jetzt, jetzt iſt die Zeit der Vorbereitung, jetzt kanſt du dem
kuͤnfftigen Zorn noch entgehen, wuͤrcke alldieweil es Tag iſt, GOTT
will dir noch heut helffen, heut kanſt du noch neugebohren und ein Erb
der Herrlichkeit werden, eyle ehe ſich die Sonne hinter die Berge
verbirgt, ſie neiget ſich zum Untergang und dein Stundglaß iſt bald
ausgeloffen, aber ſo bald ware ich nicht aus der Kirchen, ſo thate ich

mich
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[219/0315] und die Pforte des Himmels. kalter Schauer durch Marck und Bein gehen, wo ihr euch beſinnet, wie leicht ihr haͤttet koͤnnen ohne Buß und Wiedergeburt ſterben, ohne wahre Erkanntnuß GOttes, und ohne das Leben Chriſti in euch, und ohne Heiligung des Geiſtes der Herrlichkeit, haͤttet koͤn- nen dahin fahren, und wie uͤbel ihr gefahren waͤret, wie erbaͤrmlich es mit euch vor GOttes Richterſtuhl abgeloffen waͤre; O Finſter- nuß! O Wurm! wann willt du ſterben; O Feuer! wann wirſt du verloͤſchen; O dicker Dampf! O Hoͤllen-G’ſtanck! O Geheul und Flammen ohne End! O Rauch der Quaal aufſteigend in alle Ewig- keit! O Wehe ohne Aufhoͤren! O Schmertzen ohne Nachlaſſen! Wie hat mich der Teuffel und ſeine Engel betrogen, daß ich jetzt das ihme bereitete Feuer ſamt ihme fuͤhlen muß, da ich haͤtte koͤnnen ewi- ge Freud in GOTT haben, wann ich ihne haͤtte in mir wuͤrcken laſ- ſen die Wiedergeburt, da waͤr ich jetzt ein freudenreicher Engel in ſeiner Klarheit, und koͤnte mit anderen Neugebohrnen in himmliſcher Schoͤnheit jubilieren, nun muß ich meine ſcheutzliche Teuffels-Larve ewig behalten, und wie ein ſchnoͤder Wuͤrm in den finſteren Kercke- ren des Abgrunds herum kriechen, und unter denen hoͤlliſchen Geſpen- ſteren gequaͤlet werden, vor denen Heiligen und vor dem Lamm, weil ich mein Heyl ſo grob verachtet habe; Ach haͤtte ich doch meinem Pre- diger geglaubt, der mich hundert und hundert mahl vor meinem ewi- gen Ungluͤck gewarnet, und mich eines beſſeren zu bereden getrachtet, aber ich haͤtte wohl nie gemeynt, daß ein ſolcher Jammer mich tref- fen ſollte; O wann ich eine ſolche Angſt und Pein vor mir gewußt haͤtte, daß ſie auf mich wartete, wie wollte ich doch die edle Gnaden- Zeit haben angewendt! §. 3. Aber nun kan ich mit tauſend Jahren Pein nicht ein eintzi- ges verlohrnes Gnaden-Stuͤndlein widerbringen, da ich mein Leben ſonderlich an Sonntagen ſo Heyls-vergeſſen verſchwendet, und mich niemahls daran gekehrt, ob ſich ſchon der arme Prediger halb zu tod in meine Ohren geſchrauen, wache auf Suͤnder, daß dich Chriſtus erleuchte; Jetzt, jetzt iſt die Zeit der Vorbereitung, jetzt kanſt du dem kuͤnfftigen Zorn noch entgehen, wuͤrcke alldieweil es Tag iſt, GOTT will dir noch heut helffen, heut kanſt du noch neugebohren und ein Erb der Herrlichkeit werden, eyle ehe ſich die Sonne hinter die Berge verbirgt, ſie neiget ſich zum Untergang und dein Stundglaß iſt bald ausgeloffen, aber ſo bald ware ich nicht aus der Kirchen, ſo thate ich mich Jnſon- derheit den uner- ſetzlichen Verluſt der Gna- den-Zeit. E e 2

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/315>, abgerufen am 22.11.2024.