erzehlt, und gern hat, daß es jederman wisse, sein eigen Böses aber verschweigt, da man die Sünd noch in etwas heget, und nicht gar ausrottet, sonder dem Fleisch und der verderbten Natur in diesem und jenem Puncten leichtlich nachgiebet, und dem alten Höllen-Hund noch viel Dienste thut, und also sein Höllen-Thier in der Seelen näh- ret, indem man demselbigen noch hierinn und darinn Speiß gibt mit häßigen und neidigen Gedancken, indem man nur erwäget das Unrecht und den Schaden, so uns wiederfahren, der Boßheit aber und Schalckhafftigkeit, so in uns stecket, gar bald vergisset, und sich selbst viel Fehler und Gebrechen übersiehet, die man an seinem Nächsten vielfältig zu tadlen weiß; da man sich einen Haß gegen al- les Böse einbildet, und dargegen hefftig eifferet, so lang keine Rei- tzung oder Anlaß darzu vorhanden, hingegen gar geschwind dem Teu- fel zum Willen wird, wann er aus seinem Reich der Finsternuß die Seel angreifft, und den tieffen Abgrund des Verderbens in der See- len reg machet; Da man meynte, es seye so klar und lauter Was- ser, ein so still, friedsam Wesen, und kein Schlamm der unruhigen, fleischlichen Affecten vorhanden, da vermag auch ein klein Rüth- lein einer geringen Wiederlichkeit den im Grund liegenden Mur und Schlamm der Eigenliebe, dermassen starck aufführen, daß alles trüb gemacht wird, und erbärmlich alles durcheinander gehet, daß die arme Seel nicht weißt, welches zuletzt die Oberhand gewinnen wer- de, und ist noch bey so vielen Frommen die thorrechte Einbildung, es müsse immerdar ein so jämmerlich vermengt Elend seyn, da doch die Apostel von einer Ruhe und Sieg reden; Aber bey vielen ists ei- ne faule Schalckheit; sie dencken und glauben nicht ans rechte We- sen, darzu sie beruffen sind, sonst würde ihr Kampff hart, streng und feurig seyn, und auch zum End kommen, nehmlich dem beständig ewi- gen Wesen in JEsu, da alsdann dem inneren Menschen die Ewig- keit eben so wohl bekannt wäre als die Zeit jetzo ist dem äusseren Menschen, und also käme der Geist zur Ruhe und wurde der Eitel- keit ledig: Allein bey dem gar zu schläffrigen Zauderen bleibt man im- merdar ungeübt und unerfahren im geistlichen Streit, indem man die Sünd nur hasset wegen ihrer leidigen Früchten, der Straff, Angst, Schmach und anderen Ungemachs, da doch die Heiligen und Neugebohrnen die Straff als ein Werck der gerechten Barmhertzig- keit und barmhertzigen Gerechtigkeit GOttes umfassen, lieben, küs-
sen,
und die Pforte des Himmels.
erzehlt, und gern hat, daß es jederman wiſſe, ſein eigen Boͤſes aber verſchweigt, da man die Suͤnd noch in etwas heget, und nicht gar ausrottet, ſonder dem Fleiſch und der verderbten Natur in dieſem und jenem Puncten leichtlich nachgiebet, und dem alten Hoͤllen-Hund noch viel Dienſte thut, und alſo ſein Hoͤllen-Thier in der Seelen naͤh- ret, indem man demſelbigen noch hierinn und darinn Speiß gibt mit haͤßigen und neidigen Gedancken, indem man nur erwaͤget das Unrecht und den Schaden, ſo uns wiederfahren, der Boßheit aber und Schalckhafftigkeit, ſo in uns ſtecket, gar bald vergiſſet, und ſich ſelbſt viel Fehler und Gebrechen uͤberſiehet, die man an ſeinem Naͤchſten vielfaͤltig zu tadlen weiß; da man ſich einen Haß gegen al- les Boͤſe einbildet, und dargegen hefftig eifferet, ſo lang keine Rei- tzung oder Anlaß darzu vorhanden, hingegen gar geſchwind dem Teu- fel zum Willen wird, wann er aus ſeinem Reich der Finſternuß die Seel angreifft, und den tieffen Abgrund des Verderbens in der See- len reg machet; Da man meynte, es ſeye ſo klar und lauter Waſ- ſer, ein ſo ſtill, friedſam Weſen, und kein Schlamm der unruhigen, fleiſchlichen Affecten vorhanden, da vermag auch ein klein Ruͤth- lein einer geringen Wiederlichkeit den im Grund liegenden Mur und Schlamm der Eigenliebe, dermaſſen ſtarck auffuͤhren, daß alles truͤb gemacht wird, und erbaͤrmlich alles durcheinander gehet, daß die arme Seel nicht weißt, welches zuletzt die Oberhand gewinnen wer- de, und iſt noch bey ſo vielen Frommen die thorrechte Einbildung, es muͤſſe immerdar ein ſo jaͤmmerlich vermengt Elend ſeyn, da doch die Apoſtel von einer Ruhe und Sieg reden; Aber bey vielen iſts ei- ne faule Schalckheit; ſie dencken und glauben nicht ans rechte We- ſen, darzu ſie beruffen ſind, ſonſt wuͤrde ihr Kampff hart, ſtreng und feurig ſeyn, und auch zum End kommen, nehmlich dem beſtaͤndig ewi- gen Weſen in JEſu, da alsdann dem inneren Menſchen die Ewig- keit eben ſo wohl bekannt waͤre als die Zeit jetzo iſt dem aͤuſſeren Menſchen, und alſo kaͤme der Geiſt zur Ruhe und wurde der Eitel- keit ledig: Allein bey dem gar zu ſchlaͤffrigen Zauderen bleibt man im- merdar ungeuͤbt und unerfahren im geiſtlichen Streit, indem man die Suͤnd nur haſſet wegen ihrer leidigen Fruͤchten, der Straff, Angſt, Schmach und anderen Ungemachs, da doch die Heiligen und Neugebohrnen die Straff als ein Werck der gerechten Barmhertzig- keit und barmhertzigen Gerechtigkeit GOttes umfaſſen, lieben, kuͤſ-
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und die Pforte des Himmels.
erzehlt, und gern hat, daß es jederman wiſſe, ſein eigen Boͤſes aber
verſchweigt, da man die Suͤnd noch in etwas heget, und nicht gar
ausrottet, ſonder dem Fleiſch und der verderbten Natur in dieſem
und jenem Puncten leichtlich nachgiebet, und dem alten Hoͤllen-Hund
noch viel Dienſte thut, und alſo ſein Hoͤllen-Thier in der Seelen naͤh-
ret, indem man demſelbigen noch hierinn und darinn Speiß gibt
mit haͤßigen und neidigen Gedancken, indem man nur erwaͤget das
Unrecht und den Schaden, ſo uns wiederfahren, der Boßheit aber
und Schalckhafftigkeit, ſo in uns ſtecket, gar bald vergiſſet, und
ſich ſelbſt viel Fehler und Gebrechen uͤberſiehet, die man an ſeinem
Naͤchſten vielfaͤltig zu tadlen weiß; da man ſich einen Haß gegen al-
les Boͤſe einbildet, und dargegen hefftig eifferet, ſo lang keine Rei-
tzung oder Anlaß darzu vorhanden, hingegen gar geſchwind dem Teu-
fel zum Willen wird, wann er aus ſeinem Reich der Finſternuß die
Seel angreifft, und den tieffen Abgrund des Verderbens in der See-
len reg machet; Da man meynte, es ſeye ſo klar und lauter Waſ-
ſer, ein ſo ſtill, friedſam Weſen, und kein Schlamm der unruhigen,
fleiſchlichen Affecten vorhanden, da vermag auch ein klein Ruͤth-
lein einer geringen Wiederlichkeit den im Grund liegenden Mur und
Schlamm der Eigenliebe, dermaſſen ſtarck auffuͤhren, daß alles truͤb
gemacht wird, und erbaͤrmlich alles durcheinander gehet, daß die
arme Seel nicht weißt, welches zuletzt die Oberhand gewinnen wer-
de, und iſt noch bey ſo vielen Frommen die thorrechte Einbildung,
es muͤſſe immerdar ein ſo jaͤmmerlich vermengt Elend ſeyn, da doch
die Apoſtel von einer Ruhe und Sieg reden; Aber bey vielen iſts ei-
ne faule Schalckheit; ſie dencken und glauben nicht ans rechte We-
ſen, darzu ſie beruffen ſind, ſonſt wuͤrde ihr Kampff hart, ſtreng und
feurig ſeyn, und auch zum End kommen, nehmlich dem beſtaͤndig ewi-
gen Weſen in JEſu, da alsdann dem inneren Menſchen die Ewig-
keit eben ſo wohl bekannt waͤre als die Zeit jetzo iſt dem aͤuſſeren
Menſchen, und alſo kaͤme der Geiſt zur Ruhe und wurde der Eitel-
keit ledig: Allein bey dem gar zu ſchlaͤffrigen Zauderen bleibt man im-
merdar ungeuͤbt und unerfahren im geiſtlichen Streit, indem man
die Suͤnd nur haſſet wegen ihrer leidigen Fruͤchten, der Straff,
Angſt, Schmach und anderen Ungemachs, da doch die Heiligen und
Neugebohrnen die Straff als ein Werck der gerechten Barmhertzig-
keit und barmhertzigen Gerechtigkeit GOttes umfaſſen, lieben, kuͤſ-
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/327>, abgerufen am 22.11.2024.
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