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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Vorrede.
Natur und Göttlichen Vorsehung aller erleuchteten Patriarchen
kurtzweiliger Zeitvertrieb, darinnen sie nicht nur GOttes Majestät,
Allmacht, Weißheit und Güte als in einem Spiegel helleuchtend
beschauten, sondern studierten auch darinnen, die Wege, verschiede-
ne Gaaben, Würckungen und Kräfften des Heil. Geistes seine ma-
nigfaltige, wunderbahre Führungen die unendlich von einander un-
terschiedene gnadenreiche Mittheilungen seiner Liebe in verschiedener
Ausschmückung und Auszierung seiner Gläubigen zum Königreich
GOttes, da das einte, andere Schönheit Krafft, Licht und Ge-
stalt hat, als das andere;

Als z. E.
die Ab-
wechslung
der Jahrs-
Zeiten,

§. 2. An der Abwechslung der Jahrs-Zeiten mercketen sie ab die
verschiedene Zustände so wohl der gantzen Kirch als eines jeden Hei-
ligen, beydes vor und nach seiner Bekehrung, und sahen eben dar-
aus, daß gleichwie der Winter den Frühling um so viel desto an-
genehmer macht, gleichfalls müssen Sünd, Tod, Satan, Finster-
niß, die Heiligkeit das Leben Christi, und das ewige Licht überaus
süß und lieblich machen; gleich wie die Blumen, Früchte und Blät-
ter um so viel schöner und anmuthiger scheinen als die Strenge und
Herbigkeit der Winters groß gewesen, also ist die Erkändtlichkeit
welche ein armer Sünder gegen seinem GOtt, der ihne erlöset und
zum Kind angenommen hat, wohl grösser als Adam haben könnte
vor eben den GOtt der ihne geschaffen, Adam kame schön, heilig,
seelig und prächtig aus dem Staub der Erden, der wiedergebohrne
Mensch aber kommt hervor aus dem Schoos der Höllen und des
Abgrunds gläntzend von der Herrlichkeit der Gnade GOttes wie die
Sonne und sieben mahl heller, reiner majestätischer als Adam; ist
demnach leicht zu erachten, daß sein Lobgesang durchdringender
thönen werde, gleicher massen muß die Liebe inniger, lebendiger
und hertzschmeltzender seyn gegen einem GOtt, der des Sünders
JEsus worden, und mit seinem theur vergossenen Blut den Zorn
in Gnad, den Fluch in Segen, die Höll in lauter Himmel verwand-
let, und sich selber dem Sünder zur Speiß und Tranck hingegeben
hat, als der seelige Genuß des Paradieses in Adam erwecken könn-
te; Tugend und Heiligkeit ist demjenigen theurer und köstlicher, der
die Bitterkeit der häßlichen Sünd geschmecket hat, als dem, der je
und je in Unschuld gewandlet und von denen gewaltigen Anfällen und
Reitzungen dieser wüsten Schlangen nichts erfahren, noch von der-

selben

Vorrede.
Natur und Goͤttlichen Vorſehung aller erleuchteten Patriarchen
kurtzweiliger Zeitvertrieb, darinnen ſie nicht nur GOttes Majeſtaͤt,
Allmacht, Weißheit und Guͤte als in einem Spiegel helleuchtend
beſchauten, ſondern ſtudierten auch darinnen, die Wege, verſchiede-
ne Gaaben, Wuͤrckungen und Kraͤfften des Heil. Geiſtes ſeine ma-
nigfaltige, wunderbahre Fuͤhrungen die unendlich von einander un-
terſchiedene gnadenreiche Mittheilungen ſeiner Liebe in verſchiedener
Ausſchmuͤckung und Auszierung ſeiner Glaͤubigen zum Koͤnigreich
GOttes, da das einte, andere Schoͤnheit Krafft, Licht und Ge-
ſtalt hat, als das andere;

Als z. E.
die Ab-
wechslung
der Jahrs-
Zeiten,

§. 2. An der Abwechslung der Jahrs-Zeiten mercketen ſie ab die
verſchiedene Zuſtaͤnde ſo wohl der gantzen Kirch als eines jeden Hei-
ligen, beydes vor und nach ſeiner Bekehrung, und ſahen eben dar-
aus, daß gleichwie der Winter den Fruͤhling um ſo viel deſto an-
genehmer macht, gleichfalls muͤſſen Suͤnd, Tod, Satan, Finſter-
niß, die Heiligkeit das Leben Chriſti, und das ewige Licht uͤberaus
ſuͤß und lieblich machen; gleich wie die Blumen, Fruͤchte und Blaͤt-
ter um ſo viel ſchoͤner und anmuthiger ſcheinen als die Strenge und
Herbigkeit der Winters groß geweſen, alſo iſt die Erkaͤndtlichkeit
welche ein armer Suͤnder gegen ſeinem GOtt, der ihne erloͤſet und
zum Kind angenommen hat, wohl groͤſſer als Adam haben koͤnnte
vor eben den GOtt der ihne geſchaffen, Adam kame ſchoͤn, heilig,
ſeelig und praͤchtig aus dem Staub der Erden, der wiedergebohrne
Menſch aber kommt hervor aus dem Schoos der Hoͤllen und des
Abgrunds glaͤntzend von der Herrlichkeit der Gnade GOttes wie die
Sonne und ſieben mahl heller, reiner majeſtaͤtiſcher als Adam; iſt
demnach leicht zu erachten, daß ſein Lobgeſang durchdringender
thoͤnen werde, gleicher maſſen muß die Liebe inniger, lebendiger
und hertzſchmeltzender ſeyn gegen einem GOtt, der des Suͤnders
JEſus worden, und mit ſeinem theur vergoſſenen Blut den Zorn
in Gnad, den Fluch in Segen, die Hoͤll in lauter Himmel verwand-
let, und ſich ſelber dem Suͤnder zur Speiß und Tranck hingegeben
hat, als der ſeelige Genuß des Paradieſes in Adam erwecken koͤnn-
te; Tugend und Heiligkeit iſt demjenigen theurer und koͤſtlicher, der
die Bitterkeit der haͤßlichen Suͤnd geſchmecket hat, als dem, der je
und je in Unſchuld gewandlet und von denen gewaltigen Anfaͤllen und
Reitzungen dieſer wuͤſten Schlangen nichts erfahren, noch von der-

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[272/0368] Vorrede. Natur und Goͤttlichen Vorſehung aller erleuchteten Patriarchen kurtzweiliger Zeitvertrieb, darinnen ſie nicht nur GOttes Majeſtaͤt, Allmacht, Weißheit und Guͤte als in einem Spiegel helleuchtend beſchauten, ſondern ſtudierten auch darinnen, die Wege, verſchiede- ne Gaaben, Wuͤrckungen und Kraͤfften des Heil. Geiſtes ſeine ma- nigfaltige, wunderbahre Fuͤhrungen die unendlich von einander un- terſchiedene gnadenreiche Mittheilungen ſeiner Liebe in verſchiedener Ausſchmuͤckung und Auszierung ſeiner Glaͤubigen zum Koͤnigreich GOttes, da das einte, andere Schoͤnheit Krafft, Licht und Ge- ſtalt hat, als das andere; §. 2. An der Abwechslung der Jahrs-Zeiten mercketen ſie ab die verſchiedene Zuſtaͤnde ſo wohl der gantzen Kirch als eines jeden Hei- ligen, beydes vor und nach ſeiner Bekehrung, und ſahen eben dar- aus, daß gleichwie der Winter den Fruͤhling um ſo viel deſto an- genehmer macht, gleichfalls muͤſſen Suͤnd, Tod, Satan, Finſter- niß, die Heiligkeit das Leben Chriſti, und das ewige Licht uͤberaus ſuͤß und lieblich machen; gleich wie die Blumen, Fruͤchte und Blaͤt- ter um ſo viel ſchoͤner und anmuthiger ſcheinen als die Strenge und Herbigkeit der Winters groß geweſen, alſo iſt die Erkaͤndtlichkeit welche ein armer Suͤnder gegen ſeinem GOtt, der ihne erloͤſet und zum Kind angenommen hat, wohl groͤſſer als Adam haben koͤnnte vor eben den GOtt der ihne geſchaffen, Adam kame ſchoͤn, heilig, ſeelig und praͤchtig aus dem Staub der Erden, der wiedergebohrne Menſch aber kommt hervor aus dem Schoos der Hoͤllen und des Abgrunds glaͤntzend von der Herrlichkeit der Gnade GOttes wie die Sonne und ſieben mahl heller, reiner majeſtaͤtiſcher als Adam; iſt demnach leicht zu erachten, daß ſein Lobgeſang durchdringender thoͤnen werde, gleicher maſſen muß die Liebe inniger, lebendiger und hertzſchmeltzender ſeyn gegen einem GOtt, der des Suͤnders JEſus worden, und mit ſeinem theur vergoſſenen Blut den Zorn in Gnad, den Fluch in Segen, die Hoͤll in lauter Himmel verwand- let, und ſich ſelber dem Suͤnder zur Speiß und Tranck hingegeben hat, als der ſeelige Genuß des Paradieſes in Adam erwecken koͤnn- te; Tugend und Heiligkeit iſt demjenigen theurer und koͤſtlicher, der die Bitterkeit der haͤßlichen Suͤnd geſchmecket hat, als dem, der je und je in Unſchuld gewandlet und von denen gewaltigen Anfaͤllen und Reitzungen dieſer wuͤſten Schlangen nichts erfahren, noch von der- ſelben

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/368>, abgerufen am 22.11.2024.