Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
heit und Ubereinkunfft unter GOttes Wercken der Schöpffung,
Erhaltung, Regierung und Wiederbringung des verlohrenen Sün-
ders erdacht werden kan, welche der H. Geist nicht eingesehen ha-
be, und uns zur Uberlegung und Nachdencken habe wollen vorstel-
len. Gleichsam immerzu ausruffend, hier ist Weißheit, wer Ver-
stand hat mercke darauf: Also ist die Welt gleichsam ein Cantzel
oder Predigstuhl, darab eine jede Creatur uns GOttes Güte pre-
diget, derohalben wir aufmercksame Zuhörer seyn sollen; Dieses
Welt-Gebäude ist eine Schaubühne, darauf verschiedene Schau-
Spiele der unsichtbaren Tugenden GOttes gesehen werden, aber
was nutzts, wann keine Zuseher sind.

und diese
Predigt
ein Muster
seynd,

§. 5. Weilen nun gegenwärtige Materi eben der Art ist, so wirds
kein Verständiger zürnen, daß sie durch den Druck an Tag kommt,
es ist nur ein klein Müsterlein zu zeigen, was vor Weißheits-Schä-
tze in dem Reich der Natur verborgen ligen; Dieses aber zu zeigen
ist eine Gnaden-Gabe des Heil. Geistes, der durch sein sanfft lieb-
reiche Gegenwart viel nachdenckliche Erinnerungen aus Anlaß der Ge-
schöpffen würcket und das zwar ohne Kopfbrechen und mühsames
Uberlegen, (dann dieses wäre nur ein Vernunfft-Spiel und hätte
wenig Seegen-vollen Nachdrucks) sondern so sanfft, innig und tief-
fe, daß man die lebendige Vorstellung unmöglich mit solcher leuch-
tenden Klarheit und Eindruck aussprechen kan, als man es empfin-
det; Darum man auch dem Menschen weniger als nichts davon zu-
schreiben muß, aller Ruhm gebühret allein dem H. Geist, der gibts
ungesucht nach GOtt sehnenden Hertzen in ihrem stillen Verlangen
alles was wahre Weißheit, Gaben und Klugheit ist, ist ein Ausfluß
der Sonnen der Gerechtigkeit, und eben so wenig als eine Son-
nen-Uhr was nutz ist, wann die Sonne nicht darauf scheinet, sie hat
finstere, schwartze Zahlen und sonst nichts, noch vielweniger kan ei-
ne einige Creatur, Licht, Lehr, Straff, Trost, Erinnerung, War-
nung geben ohne die Würckung des Heil. Geistes.

wird von
dem Urhe-
ber mit
zweyen
Exemplen
erläutert.

§. 6. Die Sache nur ein wenig zu erläuteren, da mir eine harte
Verfolgung vorstuhnde, sahe ich eine Gluckhenne die ihr Küchlein
(Hünlein) bickte, dachte so bald: ey wie kommts darzu? da sie ei-
ne so zarte Liebe hat zu ihren Küchlein, meine Gedancken waren,
es seye um der Läuse oder was anders wegzuheben: und erfuhre bald,
daß meine grausame Verfolger nur der Schnabel seyen von der himm-

lischen

Vorrede.
heit und Ubereinkunfft unter GOttes Wercken der Schoͤpffung,
Erhaltung, Regierung und Wiederbringung des verlohrenen Suͤn-
ders erdacht werden kan, welche der H. Geiſt nicht eingeſehen ha-
be, und uns zur Uberlegung und Nachdencken habe wollen vorſtel-
len. Gleichſam immerzu ausruffend, hier iſt Weißheit, wer Ver-
ſtand hat mercke darauf: Alſo iſt die Welt gleichſam ein Cantzel
oder Predigſtuhl, darab eine jede Creatur uns GOttes Guͤte pre-
diget, derohalben wir aufmerckſame Zuhoͤrer ſeyn ſollen; Dieſes
Welt-Gebaͤude iſt eine Schaubuͤhne, darauf verſchiedene Schau-
Spiele der unſichtbaren Tugenden GOttes geſehen werden, aber
was nutzts, wann keine Zuſeher ſind.

und dieſe
Predigt
ein Muſter
ſeynd,

§. 5. Weilen nun gegenwaͤrtige Materi eben der Art iſt, ſo wirds
kein Verſtaͤndiger zuͤrnen, daß ſie durch den Druck an Tag kommt,
es iſt nur ein klein Muͤſterlein zu zeigen, was vor Weißheits-Schaͤ-
tze in dem Reich der Natur verborgen ligen; Dieſes aber zu zeigen
iſt eine Gnaden-Gabe des Heil. Geiſtes, der durch ſein ſanfft lieb-
reiche Gegenwart viel nachdenckliche Erinnerungen aus Anlaß der Ge-
ſchoͤpffen wuͤrcket und das zwar ohne Kopfbrechen und muͤhſames
Uberlegen, (dann dieſes waͤre nur ein Vernunfft-Spiel und haͤtte
wenig Seegen-vollen Nachdrucks) ſondern ſo ſanfft, innig und tief-
fe, daß man die lebendige Vorſtellung unmoͤglich mit ſolcher leuch-
tenden Klarheit und Eindruck ausſprechen kan, als man es empfin-
det; Darum man auch dem Menſchen weniger als nichts davon zu-
ſchreiben muß, aller Ruhm gebuͤhret allein dem H. Geiſt, der gibts
ungeſucht nach GOtt ſehnenden Hertzen in ihrem ſtillen Verlangen
alles was wahre Weißheit, Gaben und Klugheit iſt, iſt ein Ausfluß
der Sonnen der Gerechtigkeit, und eben ſo wenig als eine Son-
nen-Uhr was nutz iſt, wann die Sonne nicht darauf ſcheinet, ſie hat
finſtere, ſchwartze Zahlen und ſonſt nichts, noch vielweniger kan ei-
ne einige Creatur, Licht, Lehr, Straff, Troſt, Erinnerung, War-
nung geben ohne die Wuͤrckung des Heil. Geiſtes.

wird von
dem Urhe-
ber mit
zweyen
Exemplen
erlaͤutert.

§. 6. Die Sache nur ein wenig zu erlaͤuteren, da mir eine harte
Verfolgung vorſtuhnde, ſahe ich eine Gluckhenne die ihr Kuͤchlein
(Huͤnlein) bickte, dachte ſo bald: ey wie kommts darzu? da ſie ei-
ne ſo zarte Liebe hat zu ihren Kuͤchlein, meine Gedancken waren,
es ſeye um der Laͤuſe oder was anders wegzuheben: und erfuhre bald,
daß meine grauſame Verfolger nur der Schnabel ſeyen von der himm-

liſchen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0370" n="274"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
heit und Ubereinkunfft unter GOttes Wercken der Scho&#x0364;pffung,<lb/>
Erhaltung, Regierung und Wiederbringung des verlohrenen Su&#x0364;n-<lb/>
ders erdacht werden kan, welche der H. Gei&#x017F;t nicht einge&#x017F;ehen ha-<lb/>
be, und uns zur Uberlegung und Nachdencken habe wollen vor&#x017F;tel-<lb/>
len. Gleich&#x017F;am immerzu ausruffend, hier i&#x017F;t Weißheit, wer Ver-<lb/>
&#x017F;tand hat mercke darauf: Al&#x017F;o i&#x017F;t die Welt gleich&#x017F;am ein Cantzel<lb/>
oder Predig&#x017F;tuhl, darab eine jede Creatur uns GOttes Gu&#x0364;te pre-<lb/>
diget, derohalben wir aufmerck&#x017F;ame Zuho&#x0364;rer &#x017F;eyn &#x017F;ollen; Die&#x017F;es<lb/>
Welt-Geba&#x0364;ude i&#x017F;t eine Schaubu&#x0364;hne, darauf ver&#x017F;chiedene Schau-<lb/>
Spiele der un&#x017F;ichtbaren Tugenden GOttes ge&#x017F;ehen werden, aber<lb/>
was nutzts, wann keine Zu&#x017F;eher &#x017F;ind.</p><lb/>
          <note place="left">und die&#x017F;e<lb/>
Predigt<lb/>
ein Mu&#x017F;ter<lb/>
&#x017F;eynd,</note>
          <p>§. 5. Weilen nun gegenwa&#x0364;rtige Materi eben der Art i&#x017F;t, &#x017F;o wirds<lb/>
kein Ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger zu&#x0364;rnen, daß &#x017F;ie durch den Druck an Tag kommt,<lb/>
es i&#x017F;t nur ein klein Mu&#x0364;&#x017F;terlein zu zeigen, was vor Weißheits-Scha&#x0364;-<lb/>
tze in dem Reich der Natur verborgen ligen; Die&#x017F;es aber zu zeigen<lb/>
i&#x017F;t eine Gnaden-Gabe des Heil. Gei&#x017F;tes, der durch &#x017F;ein &#x017F;anfft lieb-<lb/>
reiche Gegenwart viel nachdenckliche Erinnerungen aus Anlaß der Ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pffen wu&#x0364;rcket und das zwar ohne Kopfbrechen und mu&#x0364;h&#x017F;ames<lb/>
Uberlegen, (dann die&#x017F;es wa&#x0364;re nur ein Vernunfft-Spiel und ha&#x0364;tte<lb/>
wenig Seegen-vollen Nachdrucks) &#x017F;ondern &#x017F;o &#x017F;anfft, innig und tief-<lb/>
fe, daß man die lebendige Vor&#x017F;tellung unmo&#x0364;glich mit &#x017F;olcher leuch-<lb/>
tenden Klarheit und Eindruck aus&#x017F;prechen kan, als man es empfin-<lb/>
det; Darum man auch dem Men&#x017F;chen weniger als nichts davon zu-<lb/>
&#x017F;chreiben muß, aller Ruhm gebu&#x0364;hret allein dem H. Gei&#x017F;t, der gibts<lb/>
unge&#x017F;ucht nach GOtt &#x017F;ehnenden Hertzen in ihrem &#x017F;tillen Verlangen<lb/>
alles was wahre Weißheit, Gaben und Klugheit i&#x017F;t, i&#x017F;t ein Ausfluß<lb/>
der Sonnen der Gerechtigkeit, und eben &#x017F;o wenig als eine Son-<lb/>
nen-Uhr was nutz i&#x017F;t, wann die Sonne nicht darauf &#x017F;cheinet, &#x017F;ie hat<lb/>
fin&#x017F;tere, &#x017F;chwartze Zahlen und &#x017F;on&#x017F;t nichts, noch vielweniger kan ei-<lb/>
ne einige Creatur, Licht, Lehr, Straff, Tro&#x017F;t, Erinnerung, War-<lb/>
nung geben ohne die Wu&#x0364;rckung des Heil. Gei&#x017F;tes.</p><lb/>
          <note place="left">wird von<lb/>
dem Urhe-<lb/>
ber mit<lb/>
zweyen<lb/>
Exemplen<lb/>
erla&#x0364;utert.</note>
          <p>§. 6. Die Sache nur ein wenig zu erla&#x0364;uteren, da mir eine harte<lb/>
Verfolgung vor&#x017F;tuhnde, &#x017F;ahe ich eine Gluckhenne die ihr Ku&#x0364;chlein<lb/>
(Hu&#x0364;nlein) bickte, dachte &#x017F;o bald: ey wie kommts darzu? da &#x017F;ie ei-<lb/>
ne &#x017F;o zarte Liebe hat zu ihren Ku&#x0364;chlein, meine Gedancken waren,<lb/>
es &#x017F;eye um der La&#x0364;u&#x017F;e oder was anders wegzuheben: und erfuhre bald,<lb/>
daß meine grau&#x017F;ame Verfolger nur der Schnabel &#x017F;eyen von der himm-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">li&#x017F;chen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0370] Vorrede. heit und Ubereinkunfft unter GOttes Wercken der Schoͤpffung, Erhaltung, Regierung und Wiederbringung des verlohrenen Suͤn- ders erdacht werden kan, welche der H. Geiſt nicht eingeſehen ha- be, und uns zur Uberlegung und Nachdencken habe wollen vorſtel- len. Gleichſam immerzu ausruffend, hier iſt Weißheit, wer Ver- ſtand hat mercke darauf: Alſo iſt die Welt gleichſam ein Cantzel oder Predigſtuhl, darab eine jede Creatur uns GOttes Guͤte pre- diget, derohalben wir aufmerckſame Zuhoͤrer ſeyn ſollen; Dieſes Welt-Gebaͤude iſt eine Schaubuͤhne, darauf verſchiedene Schau- Spiele der unſichtbaren Tugenden GOttes geſehen werden, aber was nutzts, wann keine Zuſeher ſind. §. 5. Weilen nun gegenwaͤrtige Materi eben der Art iſt, ſo wirds kein Verſtaͤndiger zuͤrnen, daß ſie durch den Druck an Tag kommt, es iſt nur ein klein Muͤſterlein zu zeigen, was vor Weißheits-Schaͤ- tze in dem Reich der Natur verborgen ligen; Dieſes aber zu zeigen iſt eine Gnaden-Gabe des Heil. Geiſtes, der durch ſein ſanfft lieb- reiche Gegenwart viel nachdenckliche Erinnerungen aus Anlaß der Ge- ſchoͤpffen wuͤrcket und das zwar ohne Kopfbrechen und muͤhſames Uberlegen, (dann dieſes waͤre nur ein Vernunfft-Spiel und haͤtte wenig Seegen-vollen Nachdrucks) ſondern ſo ſanfft, innig und tief- fe, daß man die lebendige Vorſtellung unmoͤglich mit ſolcher leuch- tenden Klarheit und Eindruck ausſprechen kan, als man es empfin- det; Darum man auch dem Menſchen weniger als nichts davon zu- ſchreiben muß, aller Ruhm gebuͤhret allein dem H. Geiſt, der gibts ungeſucht nach GOtt ſehnenden Hertzen in ihrem ſtillen Verlangen alles was wahre Weißheit, Gaben und Klugheit iſt, iſt ein Ausfluß der Sonnen der Gerechtigkeit, und eben ſo wenig als eine Son- nen-Uhr was nutz iſt, wann die Sonne nicht darauf ſcheinet, ſie hat finſtere, ſchwartze Zahlen und ſonſt nichts, noch vielweniger kan ei- ne einige Creatur, Licht, Lehr, Straff, Troſt, Erinnerung, War- nung geben ohne die Wuͤrckung des Heil. Geiſtes. §. 6. Die Sache nur ein wenig zu erlaͤuteren, da mir eine harte Verfolgung vorſtuhnde, ſahe ich eine Gluckhenne die ihr Kuͤchlein (Huͤnlein) bickte, dachte ſo bald: ey wie kommts darzu? da ſie ei- ne ſo zarte Liebe hat zu ihren Kuͤchlein, meine Gedancken waren, es ſeye um der Laͤuſe oder was anders wegzuheben: und erfuhre bald, daß meine grauſame Verfolger nur der Schnabel ſeyen von der himm- liſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/370
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/370>, abgerufen am 22.11.2024.