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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Der geistliche Frühling.
den Wein-Keller geführt, muß sie doch noch weiters gehen und die
verborgenste Winckel der Hertzens-Kammer JEsus erkundigen und
mancherley Gäng und Zimmer seines Pallasts durchwandlen.

§. 7. Hier ist kein beständige Lägerstätte für die Seel, sie muß ih-Sie muß
so wohl
im Leyd
als in
Freude.

rem Seelen-Freund aller Orten nachfolgen, durch liebliche und un-
lustige, bittere und süsse Weg und Oerter: ist sie zu Bethlehem und
gehet ihr da ein neuer Stern des himmlischen übernatürlichen Gna-
den-Lichts auf, daß sie auch etwas von der Englen Freud über
ihrer neuen Geburt in sich empfindt in zartester, holdseligster Offen-
bahrung ihres Jmmanuels; so muß sie bald in Egypten fliehen, kommt
sie von Nazareth gen Jerusalem, sie muß ihn 3. Tag mit Schmertzen
suchen, sie muß zum Jordan gehen und seiner Tauff beywohnen, all-
da höret sie eine Stimm vom Himmel, sie seye eine Tochter des All-
mächtigen; aber auch da kan sie nicht bleiben, sie muß in die Wüste,
um daselbst vom Satan versucht zu werden und zu kämpffen. Es
gehet ihr zwar bald wieder besser, JEsus führet sie mit sich auf den
Berg der Verklärung, da gefallt es ihr zu wohnen, sie will Hütten
bauen und daselbst immerdar bleiben in der Meynung, nun seye sie
gar wohl, sie könne unmöglich an ein besseres, seeligers Ort kom-
men, aber sie muß bald das Gegentheil erfahren und mit Traurig-
keit Mosen und Eliam abscheiden sehen, sie siehet auch von ferne im
Geist ihren Geliebten von der Feinden Rott umringet stehen voll
Speichel, Schweiß, Blut und Wunden daran muß sie auch An-
theil nehmen und von Teufel, Tod, Höll und Sünd bestürmet
werden.

§. 8. Gleichwohl kan sie vor diesem sauren Streit mit ChristoJESU
nachfol-
gen.

Abendmahl halten, Wein trincken und der Liebe pflegen, allein es
währet nicht lang, sie muß bald dabey hören, stehe auf, meine Freun-
din, stehet auf und lasset uns von hinnen gehen a. Also muß sie im-
mer Schritt für Schritt ihrem Bräutigam nachgehen, sich in kein
Ding vest setzen, wann es schon wäre die Lieblichkeit von JEsu Schoß,
in deren Johannes so seeliglich ruhere, sie muß passen und lausteren,
wo GOttes Sohn hingehe, steiff resolviert und entschlossen ihm al-
ler Orten nachzufolgen, durch Feur und Wasser, Wind und Wet-
ter, Hagel und Blitz, kurtz durch alle Noth, Angst und Bedrang-

nuß
a Joh. XIV. 31.

Der geiſtliche Fruͤhling.
den Wein-Keller gefuͤhrt, muß ſie doch noch weiters gehen und die
verborgenſte Winckel der Hertzens-Kammer JEſus erkundigen und
mancherley Gaͤng und Zimmer ſeines Pallaſts durchwandlen.

§. 7. Hier iſt kein beſtaͤndige Laͤgerſtaͤtte fuͤr die Seel, ſie muß ih-Sie muß
ſo wohl
im Leyd
als in
Freude.

rem Seelen-Freund aller Orten nachfolgen, durch liebliche und un-
luſtige, bittere und ſuͤſſe Weg und Oerter: iſt ſie zu Bethlehem und
gehet ihr da ein neuer Stern des himmliſchen uͤbernatuͤrlichen Gna-
den-Lichts auf, daß ſie auch etwas von der Englen Freud uͤber
ihrer neuen Geburt in ſich empfindt in zarteſter, holdſeligſter Offen-
bahrung ihres Jmmanuels; ſo muß ſie bald in Egypten fliehen, kommt
ſie von Nazareth gen Jeruſalem, ſie muß ihn 3. Tag mit Schmertzen
ſuchen, ſie muß zum Jordan gehen und ſeiner Tauff beywohnen, all-
da hoͤret ſie eine Stimm vom Himmel, ſie ſeye eine Tochter des All-
maͤchtigen; aber auch da kan ſie nicht bleiben, ſie muß in die Wuͤſte,
um daſelbſt vom Satan verſucht zu werden und zu kaͤmpffen. Es
gehet ihr zwar bald wieder beſſer, JEſus fuͤhret ſie mit ſich auf den
Berg der Verklaͤrung, da gefallt es ihr zu wohnen, ſie will Huͤtten
bauen und daſelbſt immerdar bleiben in der Meynung, nun ſeye ſie
gar wohl, ſie koͤnne unmoͤglich an ein beſſeres, ſeeligers Ort kom-
men, aber ſie muß bald das Gegentheil erfahren und mit Traurig-
keit Moſen und Eliam abſcheiden ſehen, ſie ſiehet auch von ferne im
Geiſt ihren Geliebten von der Feinden Rott umringet ſtehen voll
Speichel, Schweiß, Blut und Wunden daran muß ſie auch An-
theil nehmen und von Teufel, Tod, Hoͤll und Suͤnd beſtuͤrmet
werden.

§. 8. Gleichwohl kan ſie vor dieſem ſauren Streit mit ChriſtoJESU
nachfol-
gen.

Abendmahl halten, Wein trincken und der Liebe pflegen, allein es
waͤhret nicht lang, ſie muß bald dabey hoͤren, ſtehe auf, meine Freun-
din, ſtehet auf und laſſet uns von hinnen gehen a. Alſo muß ſie im-
mer Schritt fuͤr Schritt ihrem Braͤutigam nachgehen, ſich in kein
Ding veſt ſetzen, wann es ſchon waͤre die Lieblichkeit von JEſu Schoß,
in deren Johannes ſo ſeeliglich ruhere, ſie muß paſſen und lauſteren,
wo GOttes Sohn hingehe, ſteiff reſolviert und entſchloſſen ihm al-
ler Orten nachzufolgen, durch Feur und Waſſer, Wind und Wet-
ter, Hagel und Blitz, kurtz durch alle Noth, Angſt und Bedrang-

nuß
a Joh. XIV. 31.
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[279/0375] Der geiſtliche Fruͤhling. den Wein-Keller gefuͤhrt, muß ſie doch noch weiters gehen und die verborgenſte Winckel der Hertzens-Kammer JEſus erkundigen und mancherley Gaͤng und Zimmer ſeines Pallaſts durchwandlen. §. 7. Hier iſt kein beſtaͤndige Laͤgerſtaͤtte fuͤr die Seel, ſie muß ih- rem Seelen-Freund aller Orten nachfolgen, durch liebliche und un- luſtige, bittere und ſuͤſſe Weg und Oerter: iſt ſie zu Bethlehem und gehet ihr da ein neuer Stern des himmliſchen uͤbernatuͤrlichen Gna- den-Lichts auf, daß ſie auch etwas von der Englen Freud uͤber ihrer neuen Geburt in ſich empfindt in zarteſter, holdſeligſter Offen- bahrung ihres Jmmanuels; ſo muß ſie bald in Egypten fliehen, kommt ſie von Nazareth gen Jeruſalem, ſie muß ihn 3. Tag mit Schmertzen ſuchen, ſie muß zum Jordan gehen und ſeiner Tauff beywohnen, all- da hoͤret ſie eine Stimm vom Himmel, ſie ſeye eine Tochter des All- maͤchtigen; aber auch da kan ſie nicht bleiben, ſie muß in die Wuͤſte, um daſelbſt vom Satan verſucht zu werden und zu kaͤmpffen. Es gehet ihr zwar bald wieder beſſer, JEſus fuͤhret ſie mit ſich auf den Berg der Verklaͤrung, da gefallt es ihr zu wohnen, ſie will Huͤtten bauen und daſelbſt immerdar bleiben in der Meynung, nun ſeye ſie gar wohl, ſie koͤnne unmoͤglich an ein beſſeres, ſeeligers Ort kom- men, aber ſie muß bald das Gegentheil erfahren und mit Traurig- keit Moſen und Eliam abſcheiden ſehen, ſie ſiehet auch von ferne im Geiſt ihren Geliebten von der Feinden Rott umringet ſtehen voll Speichel, Schweiß, Blut und Wunden daran muß ſie auch An- theil nehmen und von Teufel, Tod, Hoͤll und Suͤnd beſtuͤrmet werden. Sie muß ſo wohl im Leyd als in Freude. §. 8. Gleichwohl kan ſie vor dieſem ſauren Streit mit Chriſto Abendmahl halten, Wein trincken und der Liebe pflegen, allein es waͤhret nicht lang, ſie muß bald dabey hoͤren, ſtehe auf, meine Freun- din, ſtehet auf und laſſet uns von hinnen gehen a. Alſo muß ſie im- mer Schritt fuͤr Schritt ihrem Braͤutigam nachgehen, ſich in kein Ding veſt ſetzen, wann es ſchon waͤre die Lieblichkeit von JEſu Schoß, in deren Johannes ſo ſeeliglich ruhere, ſie muß paſſen und lauſteren, wo GOttes Sohn hingehe, ſteiff reſolviert und entſchloſſen ihm al- ler Orten nachzufolgen, durch Feur und Waſſer, Wind und Wet- ter, Hagel und Blitz, kurtz durch alle Noth, Angſt und Bedrang- nuß JESU nachfol- gen. a Joh. XIV. 31.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/375>, abgerufen am 22.11.2024.