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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Die unter der Kelter des Zorns GOttes
und Sehnen must du ausharren, biß du dessen Krafft zur würckli-
chen Genesung und Heiligung deiner Seelen-Wunden erfahrest, wie
auch durch seine Gnad ein solch Leben führest, als wärest du bestän-
dig bey JEsu in dem Oel-Garten, damit wann der Feind kommt
er dich nicht wie Eva allein antreffe, sondern du in allen Gefahren
und Prüffungen JEsum bey dir und in der Nähe habest; Es ware
ja JEsu sehr angelegen dir die Seeligkeit zu erwerben, so must du es
ja dir auch sehr angelegen seyn lassen, den erworbenen Schatz der
Erlösung zu erkennen, und in dein Hertz hinein zu bekommen, und
gegen alle Nachstellungen des höllischen Räubers durch wachen und
betten zu behaupten, damit du nicht in Anfechtung fallest, und in
der Versuchung umkommest; O gewißlich, elender Mensch! du soll-
test dich schämen, daß du solche Gedancken in dir hegen, daß du die-
ses glauben sollest; ja schämen solltest du dich, daß du dir einbilden
darffst, JEsus seye dein Sünden-Diener, und habe dir die Frey-
heit zu sündigen erworben; schämen solltest du dich, daß du dem Teu-
fel so wohl trauest, der dich mit dieser Meynung wie der Vogler
den Vogel mit dem Aas in die ewige Strick und Garn locket, dich
dorten in der Ewigkeit an dem heissen Feur zu braten.

Wie so
leicht man
in den
Schlaff
der Si-
cherheit
gerathe.

§. 8. Aber ach wie gehet es! man kennet den Versucher nicht;
man glaubt die Gefahr nicht; man erwieget nicht in GOttes Licht
und Geist, was für Himmel-volle Seeligkeiten wir durch wachen
und betten erlangen, und in was für ein Höll der Angst und Nach-
Reu man auf dem Weg der Sicherheit hinein fahre; darum weißt
man wenig vom Sieg, und seynd nunmehro die Leut gar dünn ge-
säet in der Christenheit, an welchen der Teufel mit seinen Lüsten und
Räncken zu schanden wird; dann man wird bey jeder Gelegenheit
zum Zorn, Geitz, Wollust, Menschen-Forcht, Eigen-Liebe, Haß,
Welt-Gefälligkeit, Unglauben und unnützen Sorgen, zukünfftiger Din-
gen elendiglich hingerissen, und man fallet in die Anfechtung hinein wie
ein Blinder in die Gruben, oder wie der Vogel in die Strick, weil man
nicht glauben will, daß es der Feind seye, der so lieblich pfeiffe, so still
sitze, und es so böse meyne, und daß der geringste Verlust in Gött-
lichen Dingen die Seeligkeit betreffend, unermeßlich und unwieder-
bringlich sey; ja was soll ich sagen! wider GOtt sündigen, das Zeit-
liche dem Ewigen vorziehen, JEsum und sein theures Heyl gering ach-
ten, der Reinigung seiner Seelen vergessen, nicht einmahl an den

allge-

Die unter der Kelter des Zorns GOttes
und Sehnen muſt du ausharren, biß du deſſen Krafft zur wuͤrckli-
chen Geneſung und Heiligung deiner Seelen-Wunden erfahreſt, wie
auch durch ſeine Gnad ein ſolch Leben fuͤhreſt, als waͤreſt du beſtaͤn-
dig bey JEſu in dem Oel-Garten, damit wann der Feind kommt
er dich nicht wie Eva allein antreffe, ſondern du in allen Gefahren
und Pruͤffungen JEſum bey dir und in der Naͤhe habeſt; Es ware
ja JEſu ſehr angelegen dir die Seeligkeit zu erwerben, ſo muſt du es
ja dir auch ſehr angelegen ſeyn laſſen, den erworbenen Schatz der
Erloͤſung zu erkennen, und in dein Hertz hinein zu bekommen, und
gegen alle Nachſtellungen des hoͤlliſchen Raͤubers durch wachen und
betten zu behaupten, damit du nicht in Anfechtung falleſt, und in
der Verſuchung umkommeſt; O gewißlich, elender Menſch! du ſoll-
teſt dich ſchaͤmen, daß du ſolche Gedancken in dir hegen, daß du die-
ſes glauben ſolleſt; ja ſchaͤmen ſollteſt du dich, daß du dir einbilden
darffſt, JEſus ſeye dein Suͤnden-Diener, und habe dir die Frey-
heit zu ſuͤndigen erworben; ſchaͤmen ſollteſt du dich, daß du dem Teu-
fel ſo wohl traueſt, der dich mit dieſer Meynung wie der Vogler
den Vogel mit dem Aas in die ewige Strick und Garn locket, dich
dorten in der Ewigkeit an dem heiſſen Feur zu braten.

Wie ſo
leicht man
in den
Schlaff
der Si-
cherheit
gerathe.

§. 8. Aber ach wie gehet es! man kennet den Verſucher nicht;
man glaubt die Gefahr nicht; man erwieget nicht in GOttes Licht
und Geiſt, was fuͤr Himmel-volle Seeligkeiten wir durch wachen
und betten erlangen, und in was fuͤr ein Hoͤll der Angſt und Nach-
Reu man auf dem Weg der Sicherheit hinein fahre; darum weißt
man wenig vom Sieg, und ſeynd nunmehro die Leut gar duͤnn ge-
ſaͤet in der Chriſtenheit, an welchen der Teufel mit ſeinen Luͤſten und
Raͤncken zu ſchanden wird; dann man wird bey jeder Gelegenheit
zum Zorn, Geitz, Wolluſt, Menſchen-Forcht, Eigen-Liebe, Haß,
Welt-Gefaͤlligkeit, Unglauben und unnuͤtzen Sorgen, zukuͤnfftiger Din-
gen elendiglich hingeriſſen, und man fallet in die Anfechtung hinein wie
ein Blinder in die Gruben, oder wie der Vogel in die Strick, weil man
nicht glauben will, daß es der Feind ſeye, der ſo lieblich pfeiffe, ſo ſtill
ſitze, und es ſo boͤſe meyne, und daß der geringſte Verluſt in Goͤtt-
lichen Dingen die Seeligkeit betreffend, unermeßlich und unwieder-
bringlich ſey; ja was ſoll ich ſagen! wider GOtt ſuͤndigen, das Zeit-
liche dem Ewigen vorziehen, JEſum und ſein theures Heyl gering ach-
ten, der Reinigung ſeiner Seelen vergeſſen, nicht einmahl an den

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[442/0538] Die unter der Kelter des Zorns GOttes und Sehnen muſt du ausharren, biß du deſſen Krafft zur wuͤrckli- chen Geneſung und Heiligung deiner Seelen-Wunden erfahreſt, wie auch durch ſeine Gnad ein ſolch Leben fuͤhreſt, als waͤreſt du beſtaͤn- dig bey JEſu in dem Oel-Garten, damit wann der Feind kommt er dich nicht wie Eva allein antreffe, ſondern du in allen Gefahren und Pruͤffungen JEſum bey dir und in der Naͤhe habeſt; Es ware ja JEſu ſehr angelegen dir die Seeligkeit zu erwerben, ſo muſt du es ja dir auch ſehr angelegen ſeyn laſſen, den erworbenen Schatz der Erloͤſung zu erkennen, und in dein Hertz hinein zu bekommen, und gegen alle Nachſtellungen des hoͤlliſchen Raͤubers durch wachen und betten zu behaupten, damit du nicht in Anfechtung falleſt, und in der Verſuchung umkommeſt; O gewißlich, elender Menſch! du ſoll- teſt dich ſchaͤmen, daß du ſolche Gedancken in dir hegen, daß du die- ſes glauben ſolleſt; ja ſchaͤmen ſollteſt du dich, daß du dir einbilden darffſt, JEſus ſeye dein Suͤnden-Diener, und habe dir die Frey- heit zu ſuͤndigen erworben; ſchaͤmen ſollteſt du dich, daß du dem Teu- fel ſo wohl traueſt, der dich mit dieſer Meynung wie der Vogler den Vogel mit dem Aas in die ewige Strick und Garn locket, dich dorten in der Ewigkeit an dem heiſſen Feur zu braten. §. 8. Aber ach wie gehet es! man kennet den Verſucher nicht; man glaubt die Gefahr nicht; man erwieget nicht in GOttes Licht und Geiſt, was fuͤr Himmel-volle Seeligkeiten wir durch wachen und betten erlangen, und in was fuͤr ein Hoͤll der Angſt und Nach- Reu man auf dem Weg der Sicherheit hinein fahre; darum weißt man wenig vom Sieg, und ſeynd nunmehro die Leut gar duͤnn ge- ſaͤet in der Chriſtenheit, an welchen der Teufel mit ſeinen Luͤſten und Raͤncken zu ſchanden wird; dann man wird bey jeder Gelegenheit zum Zorn, Geitz, Wolluſt, Menſchen-Forcht, Eigen-Liebe, Haß, Welt-Gefaͤlligkeit, Unglauben und unnuͤtzen Sorgen, zukuͤnfftiger Din- gen elendiglich hingeriſſen, und man fallet in die Anfechtung hinein wie ein Blinder in die Gruben, oder wie der Vogel in die Strick, weil man nicht glauben will, daß es der Feind ſeye, der ſo lieblich pfeiffe, ſo ſtill ſitze, und es ſo boͤſe meyne, und daß der geringſte Verluſt in Goͤtt- lichen Dingen die Seeligkeit betreffend, unermeßlich und unwieder- bringlich ſey; ja was ſoll ich ſagen! wider GOtt ſuͤndigen, das Zeit- liche dem Ewigen vorziehen, JEſum und ſein theures Heyl gering ach- ten, der Reinigung ſeiner Seelen vergeſſen, nicht einmahl an den allge-

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/538>, abgerufen am 22.11.2024.