nerstes hefftig erschüttert und ein zweyschneidig Schwerd durch ihre Seele gegangen. Sie sahen auch wohl in nächtlichen Gesichten nicht ohne schreckhafften Schauer und Entsetzen die Kirch als ein wehrlo- ses Turtel-Täubelein in den Klauen des eingefleischten Drachen girren und winseln; wovon sie auch am Leib kranck und ohnmächtig wur- de. Mithin war ihre Gemeinschafft an denen Leiden Christi wohl tieffer und inniger als der allermeisten Glaubigen der letzten Zeit. (2.) Redt die Schrifft von denen unaussprechlichen Seelen-Aengsten unsers HErren JEsu Christi, die er um unserer Sünden willen und an unserer Stelle ausgestanden; welche niemand vermochte zu ertra- gen und zu überstreiten als der starcke GOtt und Heyland der Welt, der allein Gewaltige und Unüberwindliche.
§. 3. (3.) So gibts gemeine Aengsten, die allen Kindern GOt-Von wel- chen hier die Rede seye und wo sie ih- ren Ur- sprung herneh- men. tes gemein sind, bey den einten mehr, bey andern weniger. Und hiervon ist hier eigentlich die Rede. Von denen halte ich, daß sie aus dem höllischen Angst-Reich urständen, d. i. von der Gegenwart, stürmischen Würckungen und Einflüssen der Höllen-Geister unter Göttlicher Zulassung. Einmahl die Schrifft schreibt sie der Höllen zu. 1 Sam. II. 6. Ps. XVIII. 6. und dem Tod, d. i. dem Fürsten des Todes. Ps. LV. 5. So gewiß man von der Gegenwart und Gemeinschafft der himmlischen Geister, Friede und Freude spühret, so gewiß ist es, daß man von den stürmischen Eindrücken der Teufeln Angst, Schrecken und Unruh spühret. Denn es ist bey denen Theo- sophis eine ausgemachte Sach, daß wir hier auf Erden Entredeux sind zwischen dem Himmel und der Höllen-Reich und alle beyde auf uns würcken und eintröpfflen; sie wollen uns alle beyde zu sich ziehen.
§. 4. Hier gilts wachen und betten, alles was sich beym HertzenWie man sich dar- wider waffnen solle. meldet, lernen kennen und entdecken, damit man jedwedem nach Gebühr begegne, und sich nicht aus Mißverstand von schandlichen Qual-Geistern elendiglich vexieren lasse; dann es widerfähret ihnen viel zu viel Ehre, wann ihnen ein Mensch das Ohr leihet, sie werden nur kühn, trotzig davon und je länger je unverschämter, darum muß man sie verachten; Sich im gegentheil befleissen, daß man alleweil in heiligen Freuden-reichen, friedseeligen Verrichtungen und Ge- schäfften der Engeln stehe, damit den Trauer-Geistern aller Zugang versperrt werde durch die Gegenwart des Schlangen-Tretters und seiner heiligen Aufwärtern, die so gerne beywohnen, wo man von
GOt-
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Gedancken von den Seelen-Aengſten.
nerſtes hefftig erſchuͤttert und ein zweyſchneidig Schwerd durch ihre Seele gegangen. Sie ſahen auch wohl in naͤchtlichen Geſichten nicht ohne ſchreckhafften Schauer und Entſetzen die Kirch als ein wehrlo- ſes Turtel-Taͤubelein in den Klauen des eingefleiſchten Drachen girren und winſeln; wovon ſie auch am Leib kranck und ohnmaͤchtig wur- de. Mithin war ihre Gemeinſchafft an denen Leiden Chriſti wohl tieffer und inniger als der allermeiſten Glaubigen der letzten Zeit. (2.) Redt die Schrifft von denen unausſprechlichen Seelen-Aengſten unſers HErren JEſu Chriſti, die er um unſerer Suͤnden willen und an unſerer Stelle ausgeſtanden; welche niemand vermochte zu ertra- gen und zu uͤberſtreiten als der ſtarcke GOtt und Heyland der Welt, der allein Gewaltige und Unuͤberwindliche.
§. 3. (3.) So gibts gemeine Aengſten, die allen Kindern GOt-Von wel- chen hier die Rede ſeye und wo ſie ih- ren Ur- ſprung herneh- men. tes gemein ſind, bey den einten mehr, bey andern weniger. Und hiervon iſt hier eigentlich die Rede. Von denen halte ich, daß ſie aus dem hoͤlliſchen Angſt-Reich urſtaͤnden, d. i. von der Gegenwart, ſtuͤrmiſchen Wuͤrckungen und Einfluͤſſen der Hoͤllen-Geiſter unter Goͤttlicher Zulaſſung. Einmahl die Schrifft ſchreibt ſie der Hoͤllen zu. 1 Sam. II. 6. Pſ. XVIII. 6. und dem Tod, d. i. dem Fuͤrſten des Todes. Pſ. LV. 5. So gewiß man von der Gegenwart und Gemeinſchafft der himmliſchen Geiſter, Friede und Freude ſpuͤhret, ſo gewiß iſt es, daß man von den ſtuͤrmiſchen Eindruͤcken der Teufeln Angſt, Schrecken und Unruh ſpuͤhret. Denn es iſt bey denen Theo- ſophis eine ausgemachte Sach, daß wir hier auf Erden Entredeux ſind zwiſchen dem Himmel und der Hoͤllen-Reich und alle beyde auf uns wuͤrcken und eintroͤpfflen; ſie wollen uns alle beyde zu ſich ziehen.
§. 4. Hier gilts wachen und betten, alles was ſich beym HertzenWie man ſich dar- wider waffnen ſolle. meldet, lernen kennen und entdecken, damit man jedwedem nach Gebuͤhr begegne, und ſich nicht aus Mißverſtand von ſchandlichen Qual-Geiſtern elendiglich vexieren laſſe; dann es widerfaͤhret ihnen viel zu viel Ehre, wann ihnen ein Menſch das Ohr leihet, ſie werden nur kuͤhn, trotzig davon und je laͤnger je unverſchaͤmter, darum muß man ſie verachten; Sich im gegentheil befleiſſen, daß man alleweil in heiligen Freuden-reichen, friedſeeligen Verrichtungen und Ge- ſchaͤfften der Engeln ſtehe, damit den Trauer-Geiſtern aller Zugang verſperrt werde durch die Gegenwart des Schlangen-Tretters und ſeiner heiligen Aufwaͤrtern, die ſo gerne beywohnen, wo man von
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Gedancken von den Seelen-Aengſten.
nerſtes hefftig erſchuͤttert und ein zweyſchneidig Schwerd durch ihre
Seele gegangen. Sie ſahen auch wohl in naͤchtlichen Geſichten nicht
ohne ſchreckhafften Schauer und Entſetzen die Kirch als ein wehrlo-
ſes Turtel-Taͤubelein in den Klauen des eingefleiſchten Drachen girren
und winſeln; wovon ſie auch am Leib kranck und ohnmaͤchtig wur-
de. Mithin war ihre Gemeinſchafft an denen Leiden Chriſti wohl
tieffer und inniger als der allermeiſten Glaubigen der letzten Zeit.
(2.) Redt die Schrifft von denen unausſprechlichen Seelen-Aengſten
unſers HErren JEſu Chriſti, die er um unſerer Suͤnden willen und
an unſerer Stelle ausgeſtanden; welche niemand vermochte zu ertra-
gen und zu uͤberſtreiten als der ſtarcke GOtt und Heyland der Welt,
der allein Gewaltige und Unuͤberwindliche.
§. 3. (3.) So gibts gemeine Aengſten, die allen Kindern GOt-
tes gemein ſind, bey den einten mehr, bey andern weniger. Und
hiervon iſt hier eigentlich die Rede. Von denen halte ich, daß ſie
aus dem hoͤlliſchen Angſt-Reich urſtaͤnden, d. i. von der Gegenwart,
ſtuͤrmiſchen Wuͤrckungen und Einfluͤſſen der Hoͤllen-Geiſter unter
Goͤttlicher Zulaſſung. Einmahl die Schrifft ſchreibt ſie der Hoͤllen
zu. 1 Sam. II. 6. Pſ. XVIII. 6. und dem Tod, d. i. dem Fuͤrſten
des Todes. Pſ. LV. 5. So gewiß man von der Gegenwart und
Gemeinſchafft der himmliſchen Geiſter, Friede und Freude ſpuͤhret,
ſo gewiß iſt es, daß man von den ſtuͤrmiſchen Eindruͤcken der Teufeln
Angſt, Schrecken und Unruh ſpuͤhret. Denn es iſt bey denen Theo-
ſophis eine ausgemachte Sach, daß wir hier auf Erden Entredeux
ſind zwiſchen dem Himmel und der Hoͤllen-Reich und alle beyde auf
uns wuͤrcken und eintroͤpfflen; ſie wollen uns alle beyde zu ſich ziehen.
Von wel-
chen hier
die Rede
ſeye und
wo ſie ih-
ren Ur-
ſprung
herneh-
men.
§. 4. Hier gilts wachen und betten, alles was ſich beym Hertzen
meldet, lernen kennen und entdecken, damit man jedwedem nach
Gebuͤhr begegne, und ſich nicht aus Mißverſtand von ſchandlichen
Qual-Geiſtern elendiglich vexieren laſſe; dann es widerfaͤhret ihnen
viel zu viel Ehre, wann ihnen ein Menſch das Ohr leihet, ſie werden
nur kuͤhn, trotzig davon und je laͤnger je unverſchaͤmter, darum muß
man ſie verachten; Sich im gegentheil befleiſſen, daß man alleweil
in heiligen Freuden-reichen, friedſeeligen Verrichtungen und Ge-
ſchaͤfften der Engeln ſtehe, damit den Trauer-Geiſtern aller Zugang
verſperrt werde durch die Gegenwart des Schlangen-Tretters und
ſeiner heiligen Aufwaͤrtern, die ſo gerne beywohnen, wo man von
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Wie man
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wider
waffnen
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/587>, abgerufen am 22.11.2024.
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