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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Zuschrifft.
ehmahls vor als eine widersinnige Wunderrede, aber nun erfahre
ich je mehr und mehr, daß es eine göttliche Warheit sey, die ihren
Grund darinn hat, daß nehmlich das Christenthum eine Religion
deß lebendigen GOttes ist, welche an sich selbst lauter Geist und
Leben, himmlischer Safft und Krafft ist, und im Schauen, Ge-
niessen, Essen, Trincken, heiligem Würcken und göttlichem Bewe-
gen bestehet, wer nicht darinn lebet, im Geist und in der Wahr-
heit, der fasset eben so wenig darvon als der Blind-gebohrne von
den Farben: Als ein Blind-gebohrner gefragt wurde, wie die
schwartze Farb aussehe, antwortete er, wie der Glocken-Thon.
Glaubet doch, meine wertheste Freunde! einem Blind-gewesenen,
welchem JEsus die Augen aufgethan hat. O so vergnügt euch doch
nicht mit den äusseren Zeichen a im Heiligen Abendmahl;
wie so viele finstere Seelen thun, die mit dem Tauff-Wasser auf
dem Haupt, mit Brodt und Wein im Mund zur Höllen fahren,
indem sie das bezeichnete Gut zimlich nachläßig suchen. Ach euer
Geist ziehe den Heiligen Geist des Lebens in sich, wie euer Leib den
Lufft. Schwebet in der Liebe GOttes des Vatters, in der Gnad
des Sohns, und in der Gemeinschafft deß Heiligen Geistes b, wie
ein Fisch im Wasser schwimmet; es wird ja keinem Fisch jemahls
die Weile lang im Bach; vielweniger mag alles Gold und Silber
gleich geschätzt werden einer eintzigen im Gespräch und Lieb-vollen
Angedencken JESU zugebrachten Stund. Einem Bettler reicht
man einen Bissen Brodt zum Fenster hinaus, und schickt ihn wei-
ters; aber Kinder sind stäts bey Vatter und Mutter, und setzen sich
zu ihnen an den Tisch. Lasset nicht nach zu bitten c (wann euer
Gebett schon in grosser Verfinsterung, Dürre und Unempfindlich-
keit des Hertzens, in unleidenlichem Gedräng der Natur, und har-
tem Widerstreben des Fleisches geschehen sollte) im Glauben an
GOttes unwandelbare Zusag d, biß er euch zu seinen Kindern neu-
gebohren; alsdann seyd ihr erst im Stand, Christi Fleisch zu essen
und sein Blut zu trincken; alsdann führt euch der Bräutigam in
seinen Wein-Keller e, und tränckt euch mit Ströhmen von Butter
und Honig f; alsdann leget euch JESUS an seine Liebes-Brust g,

und
a 1 Cor. X. 1-5.
b 2 Cor. XIII. 13.
c Luc. XVIII. 1-8.
d Joh. XI. 40.
Jac. I. 18. & 1 Petr. II.
2.
e Cant. I. 4.
f Hiob XX. 17.
g Joh. XIII. 23.
Z z z 2

Zuſchrifft.
ehmahls vor als eine widerſinnige Wunderrede, aber nun erfahre
ich je mehr und mehr, daß es eine goͤttliche Warheit ſey, die ihren
Grund darinn hat, daß nehmlich das Chriſtenthum eine Religion
deß lebendigen GOttes iſt, welche an ſich ſelbſt lauter Geiſt und
Leben, himmliſcher Safft und Krafft iſt, und im Schauen, Ge-
nieſſen, Eſſen, Trincken, heiligem Wuͤrcken und goͤttlichem Bewe-
gen beſtehet, wer nicht darinn lebet, im Geiſt und in der Wahr-
heit, der faſſet eben ſo wenig darvon als der Blind-gebohrne von
den Farben: Als ein Blind-gebohrner gefragt wurde, wie die
ſchwartze Farb ausſehe, antwortete er, wie der Glocken-Thon.
Glaubet doch, meine wertheſte Freunde! einem Blind-geweſenen,
welchem JEſus die Augen aufgethan hat. O ſo vergnuͤgt euch doch
nicht mit den aͤuſſeren Zeichen a im Heiligen Abendmahl;
wie ſo viele finſtere Seelen thun, die mit dem Tauff-Waſſer auf
dem Haupt, mit Brodt und Wein im Mund zur Hoͤllen fahren,
indem ſie das bezeichnete Gut zimlich nachlaͤßig ſuchen. Ach euer
Geiſt ziehe den Heiligen Geiſt des Lebens in ſich, wie euer Leib den
Lufft. Schwebet in der Liebe GOttes des Vatters, in der Gnad
des Sohns, und in der Gemeinſchafft deß Heiligen Geiſtes b, wie
ein Fiſch im Waſſer ſchwimmet; es wird ja keinem Fiſch jemahls
die Weile lang im Bach; vielweniger mag alles Gold und Silber
gleich geſchaͤtzt werden einer eintzigen im Geſpraͤch und Lieb-vollen
Angedencken JESU zugebrachten Stund. Einem Bettler reicht
man einen Biſſen Brodt zum Fenſter hinaus, und ſchickt ihn wei-
ters; aber Kinder ſind ſtaͤts bey Vatter und Mutter, und ſetzen ſich
zu ihnen an den Tiſch. Laſſet nicht nach zu bitten c (wann euer
Gebett ſchon in groſſer Verfinſterung, Duͤrre und Unempfindlich-
keit des Hertzens, in unleidenlichem Gedraͤng der Natur, und har-
tem Widerſtreben des Fleiſches geſchehen ſollte) im Glauben an
GOttes unwandelbare Zuſag d, biß er euch zu ſeinen Kindern neu-
gebohren; alsdann ſeyd ihr erſt im Stand, Chriſti Fleiſch zu eſſen
und ſein Blut zu trincken; alsdann fuͤhrt euch der Braͤutigam in
ſeinen Wein-Keller e, und traͤnckt euch mit Stroͤhmen von Butter
und Honig f; alsdann leget euch JESUS an ſeine Liebes-Bruſt g,

und
a 1 Cor. X. 1-5.
b 2 Cor. XIII. 13.
c Luc. XVIII. 1-8.
d Joh. XI. 40.
Jac. I. 18. & 1 Petr. II.
2.
e Cant. I. 4.
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[547/0643] Zuſchrifft. ehmahls vor als eine widerſinnige Wunderrede, aber nun erfahre ich je mehr und mehr, daß es eine goͤttliche Warheit ſey, die ihren Grund darinn hat, daß nehmlich das Chriſtenthum eine Religion deß lebendigen GOttes iſt, welche an ſich ſelbſt lauter Geiſt und Leben, himmliſcher Safft und Krafft iſt, und im Schauen, Ge- nieſſen, Eſſen, Trincken, heiligem Wuͤrcken und goͤttlichem Bewe- gen beſtehet, wer nicht darinn lebet, im Geiſt und in der Wahr- heit, der faſſet eben ſo wenig darvon als der Blind-gebohrne von den Farben: Als ein Blind-gebohrner gefragt wurde, wie die ſchwartze Farb ausſehe, antwortete er, wie der Glocken-Thon. Glaubet doch, meine wertheſte Freunde! einem Blind-geweſenen, welchem JEſus die Augen aufgethan hat. O ſo vergnuͤgt euch doch nicht mit den aͤuſſeren Zeichen a im Heiligen Abendmahl; wie ſo viele finſtere Seelen thun, die mit dem Tauff-Waſſer auf dem Haupt, mit Brodt und Wein im Mund zur Hoͤllen fahren, indem ſie das bezeichnete Gut zimlich nachlaͤßig ſuchen. Ach euer Geiſt ziehe den Heiligen Geiſt des Lebens in ſich, wie euer Leib den Lufft. Schwebet in der Liebe GOttes des Vatters, in der Gnad des Sohns, und in der Gemeinſchafft deß Heiligen Geiſtes b, wie ein Fiſch im Waſſer ſchwimmet; es wird ja keinem Fiſch jemahls die Weile lang im Bach; vielweniger mag alles Gold und Silber gleich geſchaͤtzt werden einer eintzigen im Geſpraͤch und Lieb-vollen Angedencken JESU zugebrachten Stund. Einem Bettler reicht man einen Biſſen Brodt zum Fenſter hinaus, und ſchickt ihn wei- ters; aber Kinder ſind ſtaͤts bey Vatter und Mutter, und ſetzen ſich zu ihnen an den Tiſch. Laſſet nicht nach zu bitten c (wann euer Gebett ſchon in groſſer Verfinſterung, Duͤrre und Unempfindlich- keit des Hertzens, in unleidenlichem Gedraͤng der Natur, und har- tem Widerſtreben des Fleiſches geſchehen ſollte) im Glauben an GOttes unwandelbare Zuſag d, biß er euch zu ſeinen Kindern neu- gebohren; alsdann ſeyd ihr erſt im Stand, Chriſti Fleiſch zu eſſen und ſein Blut zu trincken; alsdann fuͤhrt euch der Braͤutigam in ſeinen Wein-Keller e, und traͤnckt euch mit Stroͤhmen von Butter und Honig f; alsdann leget euch JESUS an ſeine Liebes-Bruſt g, und a 1 Cor. X. 1-5. b 2 Cor. XIII. 13. c Luc. XVIII. 1-8. d Joh. XI. 40. Jac. I. 18. & 1 Petr. II. 2. e Cant. I. 4. f Hiob XX. 17. g Joh. XIII. 23. Z z z 2

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/643>, abgerufen am 22.11.2024.