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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Weyhnachts-Gedancken.

Antwort. Der in selbst unendlich Seelige, und in einem unzu-
gänglichen Licht wohnende GOtt a, der aus allen Gräßlein so viel
Cherubim und Seraphim, und aus jedem Gassen-Stein einen Son-
nen-gläntzenden Heiligen schaffen könnte, sihe! der gibt aus unaus-
dencklicher Liebe seinen eingebohrnen Sohn der Welt, er gibt Jh-
ne als das Wort und Brod des Lebens allen Neugebohrnen b, (ach
wer wollte nicht eben darum streng daran seyn, die neue Geburt zu
empfahen?) zu hören, mit ihren neuen innerlichen Seelen-Augen
zu sehen ja zu beschauen, und mit denen neugewachsenen Glaubens-
Händen zu betasten zu unaussprechlichem Vergnügen und Stär-
ckung; Er bietet Jhn beständig an zum JEsu und Heyland. Ach
daß wir doch dermahleins recht weise wären, nichts aufzunehmen
als nur ihn allein! So sollte es sich nicht so lang verziehen, daß wir
nicht nur angenommene, sondern gar neugebohrne Kinder GOttes
wären. Das Gewissen verbindet einen jeden c, dem diese fröhliche
Bottschafft zu Ohren kommt, nicht in seinen finsteren Begierden
und denen der Gnaden-Zucht ungehorsamen Natur-Trieben zu blei-
ben, sondern an diese aufgegangene Sonne zu kommen, und von
jetzt an nichts mehr zu gedencken, zu reden und zu thun, als was
man GOtt und alle heiligen Engel und Menschen darff wissen las-
sen, ohne sich zu förchten und zu schämen d. GOtt gibt seinen
Sohn dannzumahl ferner, wann er Jhn nicht nur verkündigen
laßt als nahe, lebendig, bereit zu helffen und zu seegnen e; son-
dern wann er den Heil. Geist der Gnaden und des Gebetts ins
Hertz ausgiesset f, daß der Mensch gar unruhig wird und ihm nir-
gend wohl ist, er auch mit keinem Ding oder geistlicher und leibli-
cher Gab befriediget werden mag, als allein mit der Offenbahrung
des Sohns in ihm g: Er streckt Leib und Seel darnach aus, und
fragt sonst nach nichts im Himmel und auf Erden h; Wie ein Kind
weinet, biß es die liebe Mutter siehet, und von ihr auf die Schoß
genommen wird i. Durch solch jämmerlich, ernstlich Suchen wird
das Hertz ausgeleeret, und fähig des himmlischen Schatzes, und
kommt nach langwierigem Marschieren seiner Hertzens-Seuffzer und

Gebetter
a 1 Tim. I. 16.
b Joh. VI. 33.
c Eph. V 14.
d 1 Joh. I. 7.
e Rom. X. 8-11.
f Zach. XII. 10.
g 1 Cor. I. 7.
h Ps. LXXIII.
i Cant. V. 8.
Weyhnachts-Gedancken.

Antwort. Der in ſelbſt unendlich Seelige, und in einem unzu-
gaͤnglichen Licht wohnende GOtt a, der aus allen Graͤßlein ſo viel
Cherubim und Seraphim, und aus jedem Gaſſen-Stein einen Son-
nen-glaͤntzenden Heiligen ſchaffen koͤnnte, ſihe! der gibt aus unaus-
dencklicher Liebe ſeinen eingebohrnen Sohn der Welt, er gibt Jh-
ne als das Wort und Brod des Lebens allen Neugebohrnen b, (ach
wer wollte nicht eben darum ſtreng daran ſeyn, die neue Geburt zu
empfahen?) zu hoͤren, mit ihren neuen innerlichen Seelen-Augen
zu ſehen ja zu beſchauen, und mit denen neugewachſenen Glaubens-
Haͤnden zu betaſten zu unausſprechlichem Vergnuͤgen und Staͤr-
ckung; Er bietet Jhn beſtaͤndig an zum JEſu und Heyland. Ach
daß wir doch dermahleins recht weiſe waͤren, nichts aufzunehmen
als nur ihn allein! So ſollte es ſich nicht ſo lang verziehen, daß wir
nicht nur angenommene, ſondern gar neugebohrne Kinder GOttes
waͤren. Das Gewiſſen verbindet einen jeden c, dem dieſe froͤhliche
Bottſchafft zu Ohren kommt, nicht in ſeinen finſteren Begierden
und denen der Gnaden-Zucht ungehorſamen Natur-Trieben zu blei-
ben, ſondern an dieſe aufgegangene Sonne zu kommen, und von
jetzt an nichts mehr zu gedencken, zu reden und zu thun, als was
man GOtt und alle heiligen Engel und Menſchen darff wiſſen laſ-
ſen, ohne ſich zu foͤrchten und zu ſchaͤmen d. GOtt gibt ſeinen
Sohn dannzumahl ferner, wann er Jhn nicht nur verkuͤndigen
laßt als nahe, lebendig, bereit zu helffen und zu ſeegnen e; ſon-
dern wann er den Heil. Geiſt der Gnaden und des Gebetts ins
Hertz ausgieſſet f, daß der Menſch gar unruhig wird und ihm nir-
gend wohl iſt, er auch mit keinem Ding oder geiſtlicher und leibli-
cher Gab befriediget werden mag, als allein mit der Offenbahrung
des Sohns in ihm g: Er ſtreckt Leib und Seel darnach aus, und
fragt ſonſt nach nichts im Himmel und auf Erden h; Wie ein Kind
weinet, biß es die liebe Mutter ſiehet, und von ihr auf die Schoß
genommen wird i. Durch ſolch jaͤmmerlich, ernſtlich Suchen wird
das Hertz ausgeleeret, und faͤhig des himmliſchen Schatzes, und
kommt nach langwierigem Marſchieren ſeiner Hertzens-Seuffzer und

Gebetter
a 1 Tim. I. 16.
b Joh. VI. 33.
c Eph. V 14.
d 1 Joh. I. 7.
e Rom. X. 8-11.
f Zach. XII. 10.
g 1 Cor. I. 7.
h Pſ. LXXIII.
i Cant. V. 8.
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[594/0690] Weyhnachts-Gedancken. Antwort. Der in ſelbſt unendlich Seelige, und in einem unzu- gaͤnglichen Licht wohnende GOtt a, der aus allen Graͤßlein ſo viel Cherubim und Seraphim, und aus jedem Gaſſen-Stein einen Son- nen-glaͤntzenden Heiligen ſchaffen koͤnnte, ſihe! der gibt aus unaus- dencklicher Liebe ſeinen eingebohrnen Sohn der Welt, er gibt Jh- ne als das Wort und Brod des Lebens allen Neugebohrnen b, (ach wer wollte nicht eben darum ſtreng daran ſeyn, die neue Geburt zu empfahen?) zu hoͤren, mit ihren neuen innerlichen Seelen-Augen zu ſehen ja zu beſchauen, und mit denen neugewachſenen Glaubens- Haͤnden zu betaſten zu unausſprechlichem Vergnuͤgen und Staͤr- ckung; Er bietet Jhn beſtaͤndig an zum JEſu und Heyland. Ach daß wir doch dermahleins recht weiſe waͤren, nichts aufzunehmen als nur ihn allein! So ſollte es ſich nicht ſo lang verziehen, daß wir nicht nur angenommene, ſondern gar neugebohrne Kinder GOttes waͤren. Das Gewiſſen verbindet einen jeden c, dem dieſe froͤhliche Bottſchafft zu Ohren kommt, nicht in ſeinen finſteren Begierden und denen der Gnaden-Zucht ungehorſamen Natur-Trieben zu blei- ben, ſondern an dieſe aufgegangene Sonne zu kommen, und von jetzt an nichts mehr zu gedencken, zu reden und zu thun, als was man GOtt und alle heiligen Engel und Menſchen darff wiſſen laſ- ſen, ohne ſich zu foͤrchten und zu ſchaͤmen d. GOtt gibt ſeinen Sohn dannzumahl ferner, wann er Jhn nicht nur verkuͤndigen laßt als nahe, lebendig, bereit zu helffen und zu ſeegnen e; ſon- dern wann er den Heil. Geiſt der Gnaden und des Gebetts ins Hertz ausgieſſet f, daß der Menſch gar unruhig wird und ihm nir- gend wohl iſt, er auch mit keinem Ding oder geiſtlicher und leibli- cher Gab befriediget werden mag, als allein mit der Offenbahrung des Sohns in ihm g: Er ſtreckt Leib und Seel darnach aus, und fragt ſonſt nach nichts im Himmel und auf Erden h; Wie ein Kind weinet, biß es die liebe Mutter ſiehet, und von ihr auf die Schoß genommen wird i. Durch ſolch jaͤmmerlich, ernſtlich Suchen wird das Hertz ausgeleeret, und faͤhig des himmliſchen Schatzes, und kommt nach langwierigem Marſchieren ſeiner Hertzens-Seuffzer und Gebetter a 1 Tim. I. 16. b Joh. VI. 33. c Eph. V 14. d 1 Joh. I. 7. e Rom. X. 8-11. f Zach. XII. 10. g 1 Cor. I. 7. h Pſ. LXXIII. i Cant. V. 8.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/690>, abgerufen am 22.11.2024.