Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Weyhnachts-Gedancken.
nicht von JEsu Jugend heiligen und tingieren, oder durch und
durch färbern lassen; weil man hernach in alle Ewigkeit keine Ju-
gend mehr hat a: Alle guten Triebe, Gnad, Heiligkeit, Andacht
der jungen Kinder, ist eine Frucht der allerheiligsten Kindheit un-
sers Jmmanuels.

Weilen
Er unsere
Natur mit
GOtt um-
zugehen
geschickt
machen
wollte.

§. 7. V. Weilen wir gar zu fleischlich, thierisch, in die sicht-
bare Welt ausgekehrt, untüchtig geistliche und himmlische Dinge
zu beschauen, von GOtt gar abgewandt, schüchtern, die Gemein-
schafft mit dem höchsten Gut unserer Natur förchterlich, unlustig,
unleidentlich vorkommt, so hat GOTT in der allerholdseeligsten Ge-
stalt eines Hertzens-Kindleins unsere äussere und innere Sinnen wol-
len an sich locken, damit wir ja gar keine Ausred mehr haben, zu
GOtt hinein zu gehen, um ewiges Leben wieder zu erlangen.

Da Adam abfiel von GOtt, entwich das Paradieß des H. Gei-
stes aus seinem Hertzen; auch da es die vierzig Tag seiner Unschuld
hindurch heller heiterer Sonnenschein ware, alle Geschöpffe um ihn
her frolocketen, Silber-weise Licht-helle Wolcken über sein Haupt
hinflogen, und alles um und um mit innigster Lieblichkeit den Menschen
anlachete, in wohlriechenden Gebüschen, in perspectivischen, oder mit
untermengten gläntzenden kleinen Nebelein, in einer sich biß an die rothe
Dämmerung des Himmels erstreckenden Aussicht, anmuthig liegen-
den und mit klaren Fisch-reichen Bächen durchflossenen Thälern, in
fruchtbaren und mit mancherley Farben auch Stimmen der Wald-
Vögelein durch einander spielenden Hügeln, ja da er die Liebe und
Freude der heiligen Englen als seiner Spiel-Gesellen empfande,
auch viele Ausgüsse des ewigen Freuden-Lebens genosse: Siehe!
nachdem eben dieser Adam seinem verbündeten GOtt untreu wor-
den, da veränderte sich das Wetter, die Lufft erschwartzete, die
Elementen stürmeten mit Brausen, der Himmel selbst traurete und
erhube sich mit Donner und Blitzen; Also daß sich der arme Mann
sammt seinem Weib verkroche, und vor GOTT flohe; welches ih-
me nicht zu verargen ware, weil Tod, Sünd, Teufel, böß Ge-
wissen ihn jagte und plagte, und seines Schöpffers Ungnad ihn sehr
schreckte. Auf Sinai richtete zwar GOtt mit Jsrael einen Gna-
den-Bund auf, redete aber so unfreundlich mit ihnen b, daß sie alle

flohen
a Eccl. XII.
b Deut. XVIII. 15 20.

Weyhnachts-Gedancken.
nicht von JEſu Jugend heiligen und tingieren, oder durch und
durch faͤrbern laſſen; weil man hernach in alle Ewigkeit keine Ju-
gend mehr hat a: Alle guten Triebe, Gnad, Heiligkeit, Andacht
der jungen Kinder, iſt eine Frucht der allerheiligſten Kindheit un-
ſers Jmmanuels.

Weilen
Er unſere
Natur mit
GOtt um-
zugehen
geſchickt
machen
wollte.

§. 7. V. Weilen wir gar zu fleiſchlich, thieriſch, in die ſicht-
bare Welt ausgekehrt, untuͤchtig geiſtliche und himmliſche Dinge
zu beſchauen, von GOtt gar abgewandt, ſchuͤchtern, die Gemein-
ſchafft mit dem hoͤchſten Gut unſerer Natur foͤrchterlich, unluſtig,
unleidentlich vorkommt, ſo hat GOTT in der allerholdſeeligſten Ge-
ſtalt eines Hertzens-Kindleins unſere aͤuſſere und innere Sinnen wol-
len an ſich locken, damit wir ja gar keine Ausred mehr haben, zu
GOtt hinein zu gehen, um ewiges Leben wieder zu erlangen.

Da Adam abfiel von GOtt, entwich das Paradieß des H. Gei-
ſtes aus ſeinem Hertzen; auch da es die vierzig Tag ſeiner Unſchuld
hindurch heller heiterer Sonnenſchein ware, alle Geſchoͤpffe um ihn
her frolocketen, Silber-weiſe Licht-helle Wolcken uͤber ſein Haupt
hinflogen, und alles um und um mit innigſter Lieblichkeit den Menſchen
anlachete, in wohlriechenden Gebuͤſchen, in perſpectiviſchen, oder mit
untermengten glaͤntzenden kleinen Nebelein, in einer ſich biß an die rothe
Daͤmmerung des Himmels erſtreckenden Ausſicht, anmuthig liegen-
den und mit klaren Fiſch-reichen Baͤchen durchfloſſenen Thaͤlern, in
fruchtbaren und mit mancherley Farben auch Stimmen der Wald-
Voͤgelein durch einander ſpielenden Huͤgeln, ja da er die Liebe und
Freude der heiligen Englen als ſeiner Spiel-Geſellen empfande,
auch viele Ausguͤſſe des ewigen Freuden-Lebens genoſſe: Siehe!
nachdem eben dieſer Adam ſeinem verbuͤndeten GOtt untreu wor-
den, da veraͤnderte ſich das Wetter, die Lufft erſchwartzete, die
Elementen ſtuͤrmeten mit Brauſen, der Himmel ſelbſt traurete und
erhube ſich mit Donner und Blitzen; Alſo daß ſich der arme Mann
ſammt ſeinem Weib verkroche, und vor GOTT flohe; welches ih-
me nicht zu verargen ware, weil Tod, Suͤnd, Teufel, boͤß Ge-
wiſſen ihn jagte und plagte, und ſeines Schoͤpffers Ungnad ihn ſehr
ſchreckte. Auf Sinai richtete zwar GOtt mit Jſrael einen Gna-
den-Bund auf, redete aber ſo unfreundlich mit ihnen b, daß ſie alle

flohen
a Eccl. XII.
b Deut. XVIII. 15 20.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0702" n="606"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Weyhnachts-Gedancken.</hi></fw><lb/>
nicht von JE&#x017F;u Jugend heiligen und tingieren, oder durch und<lb/>
durch fa&#x0364;rbern la&#x017F;&#x017F;en; weil man hernach in alle Ewigkeit keine Ju-<lb/>
gend mehr hat <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Eccl. XII.</hi></note>: Alle guten Triebe, Gnad, Heiligkeit, Andacht<lb/>
der jungen Kinder, i&#x017F;t eine Frucht der allerheilig&#x017F;ten Kindheit un-<lb/>
&#x017F;ers Jmmanuels.</p><lb/>
          <note place="left">Weilen<lb/>
Er un&#x017F;ere<lb/>
Natur mit<lb/>
GOtt um-<lb/>
zugehen<lb/>
ge&#x017F;chickt<lb/>
machen<lb/>
wollte.</note>
          <p>§. 7. <hi rendition="#aq">V.</hi> Weilen wir gar zu flei&#x017F;chlich, thieri&#x017F;ch, in die &#x017F;icht-<lb/>
bare Welt ausgekehrt, untu&#x0364;chtig gei&#x017F;tliche und himmli&#x017F;che Dinge<lb/>
zu be&#x017F;chauen, von GOtt gar abgewandt, &#x017F;chu&#x0364;chtern, die Gemein-<lb/>
&#x017F;chafft mit dem ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gut un&#x017F;erer Natur fo&#x0364;rchterlich, unlu&#x017F;tig,<lb/>
unleidentlich vorkommt, &#x017F;o hat GOTT in der allerhold&#x017F;eelig&#x017F;ten Ge-<lb/>
&#x017F;talt eines Hertzens-Kindleins un&#x017F;ere a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ere und innere Sinnen wol-<lb/>
len an &#x017F;ich locken, damit wir ja gar keine Ausred mehr haben, zu<lb/>
GOtt hinein zu gehen, um ewiges Leben wieder zu erlangen.</p><lb/>
          <p>Da Adam abfiel von GOtt, entwich das Paradieß des H. Gei-<lb/>
&#x017F;tes aus &#x017F;einem Hertzen; auch da es die vierzig Tag &#x017F;einer Un&#x017F;chuld<lb/>
hindurch heller heiterer Sonnen&#x017F;chein ware, alle Ge&#x017F;cho&#x0364;pffe um ihn<lb/>
her frolocketen, Silber-wei&#x017F;e Licht-helle Wolcken u&#x0364;ber &#x017F;ein Haupt<lb/>
hinflogen, und alles um und um mit innig&#x017F;ter Lieblichkeit den Men&#x017F;chen<lb/>
anlachete, in wohlriechenden Gebu&#x0364;&#x017F;chen, in per&#x017F;pectivi&#x017F;chen, oder mit<lb/>
untermengten gla&#x0364;ntzenden kleinen Nebelein, in einer &#x017F;ich biß an die rothe<lb/>
Da&#x0364;mmerung des Himmels er&#x017F;treckenden Aus&#x017F;icht, anmuthig liegen-<lb/>
den und mit klaren Fi&#x017F;ch-reichen Ba&#x0364;chen durchflo&#x017F;&#x017F;enen Tha&#x0364;lern, in<lb/>
fruchtbaren und mit mancherley Farben auch Stimmen der Wald-<lb/>
Vo&#x0364;gelein durch einander &#x017F;pielenden Hu&#x0364;geln, ja da er die Liebe und<lb/>
Freude der heiligen Englen als &#x017F;einer Spiel-Ge&#x017F;ellen empfande,<lb/>
auch viele Ausgu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e des ewigen Freuden-Lebens geno&#x017F;&#x017F;e: Siehe!<lb/>
nachdem eben die&#x017F;er Adam &#x017F;einem verbu&#x0364;ndeten GOtt untreu wor-<lb/>
den, da vera&#x0364;nderte &#x017F;ich das Wetter, die Lufft er&#x017F;chwartzete, die<lb/>
Elementen &#x017F;tu&#x0364;rmeten mit Brau&#x017F;en, der Himmel &#x017F;elb&#x017F;t traurete und<lb/>
erhube &#x017F;ich mit Donner und Blitzen; Al&#x017F;o daß &#x017F;ich der arme Mann<lb/>
&#x017F;ammt &#x017F;einem Weib verkroche, und vor GOTT flohe; welches ih-<lb/>
me nicht zu verargen ware, weil Tod, Su&#x0364;nd, Teufel, bo&#x0364;ß Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en ihn jagte und plagte, und &#x017F;eines Scho&#x0364;pffers Ungnad ihn &#x017F;ehr<lb/>
&#x017F;chreckte. Auf Sinai richtete zwar GOtt mit J&#x017F;rael einen Gna-<lb/>
den-Bund auf, redete aber &#x017F;o unfreundlich mit ihnen <note place="foot" n="b"><hi rendition="#aq">Deut. XVIII.</hi> 15 20.</note>, daß &#x017F;ie alle<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">flohen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[606/0702] Weyhnachts-Gedancken. nicht von JEſu Jugend heiligen und tingieren, oder durch und durch faͤrbern laſſen; weil man hernach in alle Ewigkeit keine Ju- gend mehr hat a: Alle guten Triebe, Gnad, Heiligkeit, Andacht der jungen Kinder, iſt eine Frucht der allerheiligſten Kindheit un- ſers Jmmanuels. §. 7. V. Weilen wir gar zu fleiſchlich, thieriſch, in die ſicht- bare Welt ausgekehrt, untuͤchtig geiſtliche und himmliſche Dinge zu beſchauen, von GOtt gar abgewandt, ſchuͤchtern, die Gemein- ſchafft mit dem hoͤchſten Gut unſerer Natur foͤrchterlich, unluſtig, unleidentlich vorkommt, ſo hat GOTT in der allerholdſeeligſten Ge- ſtalt eines Hertzens-Kindleins unſere aͤuſſere und innere Sinnen wol- len an ſich locken, damit wir ja gar keine Ausred mehr haben, zu GOtt hinein zu gehen, um ewiges Leben wieder zu erlangen. Da Adam abfiel von GOtt, entwich das Paradieß des H. Gei- ſtes aus ſeinem Hertzen; auch da es die vierzig Tag ſeiner Unſchuld hindurch heller heiterer Sonnenſchein ware, alle Geſchoͤpffe um ihn her frolocketen, Silber-weiſe Licht-helle Wolcken uͤber ſein Haupt hinflogen, und alles um und um mit innigſter Lieblichkeit den Menſchen anlachete, in wohlriechenden Gebuͤſchen, in perſpectiviſchen, oder mit untermengten glaͤntzenden kleinen Nebelein, in einer ſich biß an die rothe Daͤmmerung des Himmels erſtreckenden Ausſicht, anmuthig liegen- den und mit klaren Fiſch-reichen Baͤchen durchfloſſenen Thaͤlern, in fruchtbaren und mit mancherley Farben auch Stimmen der Wald- Voͤgelein durch einander ſpielenden Huͤgeln, ja da er die Liebe und Freude der heiligen Englen als ſeiner Spiel-Geſellen empfande, auch viele Ausguͤſſe des ewigen Freuden-Lebens genoſſe: Siehe! nachdem eben dieſer Adam ſeinem verbuͤndeten GOtt untreu wor- den, da veraͤnderte ſich das Wetter, die Lufft erſchwartzete, die Elementen ſtuͤrmeten mit Brauſen, der Himmel ſelbſt traurete und erhube ſich mit Donner und Blitzen; Alſo daß ſich der arme Mann ſammt ſeinem Weib verkroche, und vor GOTT flohe; welches ih- me nicht zu verargen ware, weil Tod, Suͤnd, Teufel, boͤß Ge- wiſſen ihn jagte und plagte, und ſeines Schoͤpffers Ungnad ihn ſehr ſchreckte. Auf Sinai richtete zwar GOtt mit Jſrael einen Gna- den-Bund auf, redete aber ſo unfreundlich mit ihnen b, daß ſie alle flohen a Eccl. XII. b Deut. XVIII. 15 20.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/702
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/702>, abgerufen am 22.11.2024.