mit grossen Freuden, und neige dein graues Haupt demüthiglich, daß dich die Händlein des grossen GOttes und vollkommenen See- ligmachers segnen, und sein holdes Mündgen dir den Kuß des Frie- dens gebe, in kräfftiger Zueignung des Evangeliums durch den H. Geist a in dein kaltes Hertz, auf daß es eine neue ungewohnte Flam- me aus dem ewigen Leben, das in dem Sohn ist, noch vor dem Ab- trucken empfinde.
Laß dir seyn, du kommest erst auf die Welt, und dein Leben fahe erst jetz an, da du einige Füncklein von Jmmanuel empfindest. Ein Kindlein vergisset leicht was man ihm zu leyd gethan, wann man ih- me nur wieder gute Wort giebt, und freundlich zuspricht; Weit wil- liger und hertzlicher vergiebt JEsus die begangenen Sünden b, wann man nur forthin ihme alles zu Gefallen zu thun, und sein Sclav zu seyn auffrichtig wünschet. Das Kind liegt in einem Stall, da män- niglich hinein zu gehen erlaubt ist, auch alten Leuten: es ist keinem verbotten JEsum über alles und allein zu lieben, wer nur immer den Lust dazu hat vom Heiligen Geist, und einen gnaden-reichen Willen nicht mehr zu sündigen, dem stehet Thür und Thor offen zum Vat- ter-Hertzen in JEsu.
Nach- drückliche Auffmun- terung al- les zu ver- läugnen damit man JE- sum haben könne,
§. 6. Wie ists nun liebe Leute? Wie haben wirs? Jst niemand hier um den Weg, der entschlossen sey alles zu verläugnen, damit er desto füglicher JEsum umfassen möge? O meine Seele brauset in mir, wann ich an ihne gedencke, und schreye überlaut: Nichts als JEsus, ewig, ewig nichts als JEsus! Ach hätte ich nur Leute vor mir, die mich recht verstünden c! Doch will ich den Bäumen und Fischen von JEsu predigen, biß mich GOtt zu Menschen und Eng- len führet. Du Sünder! laß dirs seyn, das Kindlein rede dich an mit weynenden Aeuglein: Siehe o Mensch, ich bin aus des Vatters Schoos auf diese dunckele Erden, aus dem fruchtbarsten Freuden-Reich und warmen Paradieß in diese kalte, neblichte, melancholische Fremde hinunter gestiegen, und ein Bettel-Kind worden, ja gar ein Fündelkind; wer ihn findet, der hat ihn, der erste der beste; wie froh waren An- dreas und Philipp und Nathanael! Joh. 1. O ein unvergleichlicher Fund! werth daß er Tag und Nacht gesucht werde, damit ich dich zu GOttes Kind, und der ewigen Herrlichkeit theilhafftig mache d,
dich
a 1 Thess. I. 5.
bLuc. XXIII. 34.
cJes. XLII. 18-25.
d 1 Tim. I. 15.
Weyhnachts-Gedancken.
mit groſſen Freuden, und neige dein graues Haupt demuͤthiglich, daß dich die Haͤndlein des groſſen GOttes und vollkommenen See- ligmachers ſegnen, und ſein holdes Muͤndgen dir den Kuß des Frie- dens gebe, in kraͤfftiger Zueignung des Evangeliums durch den H. Geiſt a in dein kaltes Hertz, auf daß es eine neue ungewohnte Flam- me aus dem ewigen Leben, das in dem Sohn iſt, noch vor dem Ab- trucken empfinde.
Laß dir ſeyn, du kommeſt erſt auf die Welt, und dein Leben fahe erſt jetz an, da du einige Fuͤncklein von Jmmanuel empfindeſt. Ein Kindlein vergiſſet leicht was man ihm zu leyd gethan, wann man ih- me nur wieder gute Wort giebt, und freundlich zuſpricht; Weit wil- liger und hertzlicher vergiebt JEſus die begangenen Suͤnden b, wann man nur forthin ihme alles zu Gefallen zu thun, und ſein Sclav zu ſeyn auffrichtig wuͤnſchet. Das Kind liegt in einem Stall, da maͤn- niglich hinein zu gehen erlaubt iſt, auch alten Leuten: es iſt keinem verbotten JEſum uͤber alles und allein zu lieben, wer nur immer den Luſt dazu hat vom Heiligen Geiſt, und einen gnaden-reichen Willen nicht mehr zu ſuͤndigen, dem ſtehet Thuͤr und Thor offen zum Vat- ter-Hertzen in JEſu.
Nach- druͤckliche Auffmun- terung al- les zu ver- laͤugnen damit man JE- ſum haben koͤnne,
§. 6. Wie iſts nun liebe Leute? Wie haben wirs? Jſt niemand hier um den Weg, der entſchloſſen ſey alles zu verlaͤugnen, damit er deſto fuͤglicher JEſum umfaſſen moͤge? O meine Seele brauſet in mir, wann ich an ihne gedencke, und ſchreye uͤberlaut: Nichts als JEſus, ewig, ewig nichts als JEſus! Ach haͤtte ich nur Leute vor mir, die mich recht verſtuͤnden c! Doch will ich den Baͤumen und Fiſchen von JEſu predigen, biß mich GOtt zu Menſchen und Eng- len fuͤhret. Du Suͤnder! laß dirs ſeyn, das Kindlein rede dich an mit weynenden Aeuglein: Siehe o Menſch, ich bin aus des Vatters Schoos auf dieſe dunckele Erden, aus dem fruchtbarſten Freuden-Reich und warmen Paradieß in dieſe kalte, neblichte, melancholiſche Fremde hinunter geſtiegen, und ein Bettel-Kind worden, ja gar ein Fuͤndelkind; wer ihn findet, der hat ihn, der erſte der beſte; wie froh waren An- dreas und Philipp und Nathanael! Joh. 1. O ein unvergleichlicher Fund! werth daß er Tag und Nacht geſucht werde, damit ich dich zu GOttes Kind, und der ewigen Herrlichkeit theilhafftig mache d,
dich
a 1 Theſſ. I. 5.
bLuc. XXIII. 34.
cJeſ. XLII. 18-25.
d 1 Tim. I. 15.
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Weyhnachts-Gedancken.
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daß dich die Haͤndlein des groſſen GOttes und vollkommenen See-
ligmachers ſegnen, und ſein holdes Muͤndgen dir den Kuß des Frie-
dens gebe, in kraͤfftiger Zueignung des Evangeliums durch den H.
Geiſt a in dein kaltes Hertz, auf daß es eine neue ungewohnte Flam-
me aus dem ewigen Leben, das in dem Sohn iſt, noch vor dem Ab-
trucken empfinde.
Laß dir ſeyn, du kommeſt erſt auf die Welt, und dein Leben fahe
erſt jetz an, da du einige Fuͤncklein von Jmmanuel empfindeſt. Ein
Kindlein vergiſſet leicht was man ihm zu leyd gethan, wann man ih-
me nur wieder gute Wort giebt, und freundlich zuſpricht; Weit wil-
liger und hertzlicher vergiebt JEſus die begangenen Suͤnden b, wann
man nur forthin ihme alles zu Gefallen zu thun, und ſein Sclav zu
ſeyn auffrichtig wuͤnſchet. Das Kind liegt in einem Stall, da maͤn-
niglich hinein zu gehen erlaubt iſt, auch alten Leuten: es iſt keinem
verbotten JEſum uͤber alles und allein zu lieben, wer nur immer den
Luſt dazu hat vom Heiligen Geiſt, und einen gnaden-reichen Willen
nicht mehr zu ſuͤndigen, dem ſtehet Thuͤr und Thor offen zum Vat-
ter-Hertzen in JEſu.
§. 6. Wie iſts nun liebe Leute? Wie haben wirs? Jſt niemand
hier um den Weg, der entſchloſſen ſey alles zu verlaͤugnen, damit er
deſto fuͤglicher JEſum umfaſſen moͤge? O meine Seele brauſet in
mir, wann ich an ihne gedencke, und ſchreye uͤberlaut: Nichts als
JEſus, ewig, ewig nichts als JEſus! Ach haͤtte ich nur Leute vor
mir, die mich recht verſtuͤnden c! Doch will ich den Baͤumen und
Fiſchen von JEſu predigen, biß mich GOtt zu Menſchen und Eng-
len fuͤhret. Du Suͤnder! laß dirs ſeyn, das Kindlein rede dich an
mit weynenden Aeuglein: Siehe o Menſch, ich bin aus des Vatters
Schoos auf dieſe dunckele Erden, aus dem fruchtbarſten Freuden-Reich
und warmen Paradieß in dieſe kalte, neblichte, melancholiſche Fremde
hinunter geſtiegen, und ein Bettel-Kind worden, ja gar ein Fuͤndelkind;
wer ihn findet, der hat ihn, der erſte der beſte; wie froh waren An-
dreas und Philipp und Nathanael! Joh. 1. O ein unvergleichlicher
Fund! werth daß er Tag und Nacht geſucht werde, damit ich dich
zu GOttes Kind, und der ewigen Herrlichkeit theilhafftig mache d,
dich
a 1 Theſſ. I. 5.
b Luc. XXIII. 34.
c Jeſ. XLII. 18-25.
d 1 Tim. I. 15.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 640. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/736>, abgerufen am 22.11.2024.
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