und ihne selbst fragen, er solle mir doch gnädiglich antworten, und doch sagen; Ob es gar nicht mehr zu machen wäre, daß ein Mensch, der sich so und so fein zum schandlichsten gehalten, wie er alles wisse, noch könnte Vergebung erlangen, und mit dem erzürnten und so greulich beleydigten GOTT versöhnet werden, da siehet er die ge- meinsten Sprüch des heiligen Geistes, und was zuvor seinem hoffär- tigen Pharisäischen Sinn viel zu niedrig, gemein und verachtet vor- kame, weit mit andern Augen an.
§. 4. Und da wird man erst rechten Schmack finden in LutheriLutheri und der- gleichen Schriften sind da schmack- hafft. Schrifften, dann die meiste Ursach, warum sie so lang unter dem Banck gelegen, und von Studierenden so gering geschätzt werden, ist, weil sich gar grund-wenig bearbeiten um die Erhaltung ihrer Seelen, und hiemit nicht hungeren nach kräfftiger Speiß, son- dern nur nach Gelehrtheit zierlicher Worten, die sie eben darinn nicht finden, wie sie gern wollen, und ansehenlicher Wissenschafft schnappen, und Schau-Essen suchen; Weit anderst urtheilet von der Sach, ein erleuchteter und im Kampf mit Sünd und Satan wohl geübter, Welt-berühmter Lehrer in Engelland; welcher die- se Auslegung Martini Lutheri über die Epistel an die Galater, über alle Bücher (nach der H. Schrifft) setzet, weilen es so herr- lich und bequem sey für ein verwundetes Gewissen.
§. 5. Wie seelig und herrlich kommen ihm da die Seelen vor,Man darffs sichs aber nicht zu- eignen, biß man JEsum am Creutz erblickt. die sich solche gute Worte zueignen können; Er ergriff und erwütsch- te auch wohl gern etwas, sich zu erhalten, er probierts bald mit die- sem, bald mit jenem Spruch, ob er etwan hafften und einige Trost- Tröpflein der Hoffnung einfliessen lassen wolle, aber wo er sich her- bey machen will, da findet er alles vor ihm versperret, er fraget nach, ob es sich mit so einem schweren, boßhafftigen Sünder erge- ben möchte, seelig zu werden; Er meinet wohl, die Leute sehen es ihm an, daß er verdammt sey, aber sie mögen es ihm nur sonst nicht sagen, weil sie ihm doch nicht daraus helffen können, und auch kein zulänglich Mittel für ihne wissen. An GOTT darff er nicht sinnen, dann der ist ihm ein verzehrend Feuer, mit dem Bet- ten ists also aus und aus; JESUM zwar sucht er an allen Orten,
aber
(c 3)
und ihne ſelbſt fragen, er ſolle mir doch gnaͤdiglich antworten, und doch ſagen; Ob es gar nicht mehr zu machen waͤre, daß ein Menſch, der ſich ſo und ſo fein zum ſchandlichſten gehalten, wie er alles wiſſe, noch koͤnnte Vergebung erlangen, und mit dem erzuͤrnten und ſo greulich beleydigten GOTT verſoͤhnet werden, da ſiehet er die ge- meinſten Spruͤch des heiligen Geiſtes, und was zuvor ſeinem hoffaͤr- tigen Phariſaͤiſchen Sinn viel zu niedrig, gemein und verachtet vor- kame, weit mit andern Augen an.
§. 4. Und da wird man erſt rechten Schmack finden in LutheriLutheri und der- gleichen Schriften ſind da ſchmack- hafft. Schrifften, dann die meiſte Urſach, warum ſie ſo lang unter dem Banck gelegen, und von Studierenden ſo gering geſchaͤtzt werden, iſt, weil ſich gar grund-wenig bearbeiten um die Erhaltung ihrer Seelen, und hiemit nicht hungeren nach kraͤfftiger Speiß, ſon- dern nur nach Gelehrtheit zierlicher Worten, die ſie eben darinn nicht finden, wie ſie gern wollen, und anſehenlicher Wiſſenſchafft ſchnappen, und Schau-Eſſen ſuchen; Weit anderſt urtheilet von der Sach, ein erleuchteter und im Kampf mit Suͤnd und Satan wohl geuͤbter, Welt-beruͤhmter Lehrer in Engelland; welcher die- ſe Auslegung Martini Lutheri uͤber die Epiſtel an die Galater, uͤber alle Buͤcher (nach der H. Schrifft) ſetzet, weilen es ſo herr- lich und bequem ſey fuͤr ein verwundetes Gewiſſen.
§. 5. Wie ſeelig und herrlich kommen ihm da die Seelen vor,Man darffs ſichs aber nicht zu- eignen, biß man JEſum am Creutz erblickt. die ſich ſolche gute Worte zueignen koͤnnen; Er ergriff und erwuͤtſch- te auch wohl gern etwas, ſich zu erhalten, er probierts bald mit die- ſem, bald mit jenem Spruch, ob er etwan hafften und einige Troſt- Troͤpflein der Hoffnung einflieſſen laſſen wolle, aber wo er ſich her- bey machen will, da findet er alles vor ihm verſperret, er fraget nach, ob es ſich mit ſo einem ſchweren, boßhafftigen Suͤnder erge- ben moͤchte, ſeelig zu werden; Er meinet wohl, die Leute ſehen es ihm an, daß er verdammt ſey, aber ſie moͤgen es ihm nur ſonſt nicht ſagen, weil ſie ihm doch nicht daraus helffen koͤnnen, und auch kein zulaͤnglich Mittel fuͤr ihne wiſſen. An GOTT darff er nicht ſinnen, dann der iſt ihm ein verzehrend Feuer, mit dem Bet- ten iſts alſo aus und aus; JESUM zwar ſucht er an allen Orten,
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und ihne ſelbſt fragen, er ſolle mir doch gnaͤdiglich antworten, und
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der ſich ſo und ſo fein zum ſchandlichſten gehalten, wie er alles wiſſe,
noch koͤnnte Vergebung erlangen, und mit dem erzuͤrnten und ſo
greulich beleydigten GOTT verſoͤhnet werden, da ſiehet er die ge-
meinſten Spruͤch des heiligen Geiſtes, und was zuvor ſeinem hoffaͤr-
tigen Phariſaͤiſchen Sinn viel zu niedrig, gemein und verachtet vor-
kame, weit mit andern Augen an.
§. 4. Und da wird man erſt rechten Schmack finden in Lutheri
Schrifften, dann die meiſte Urſach, warum ſie ſo lang unter dem
Banck gelegen, und von Studierenden ſo gering geſchaͤtzt werden,
iſt, weil ſich gar grund-wenig bearbeiten um die Erhaltung ihrer
Seelen, und hiemit nicht hungeren nach kraͤfftiger Speiß, ſon-
dern nur nach Gelehrtheit zierlicher Worten, die ſie eben darinn
nicht finden, wie ſie gern wollen, und anſehenlicher Wiſſenſchafft
ſchnappen, und Schau-Eſſen ſuchen; Weit anderſt urtheilet von
der Sach, ein erleuchteter und im Kampf mit Suͤnd und Satan
wohl geuͤbter, Welt-beruͤhmter Lehrer in Engelland; welcher die-
ſe Auslegung Martini Lutheri uͤber die Epiſtel an die Galater,
uͤber alle Buͤcher (nach der H. Schrifft) ſetzet, weilen es ſo herr-
lich und bequem ſey fuͤr ein verwundetes Gewiſſen.
Lutheri
und der-
gleichen
Schriften
ſind da
ſchmack-
hafft.
§. 5. Wie ſeelig und herrlich kommen ihm da die Seelen vor,
die ſich ſolche gute Worte zueignen koͤnnen; Er ergriff und erwuͤtſch-
te auch wohl gern etwas, ſich zu erhalten, er probierts bald mit die-
ſem, bald mit jenem Spruch, ob er etwan hafften und einige Troſt-
Troͤpflein der Hoffnung einflieſſen laſſen wolle, aber wo er ſich her-
bey machen will, da findet er alles vor ihm verſperret, er fraget
nach, ob es ſich mit ſo einem ſchweren, boßhafftigen Suͤnder erge-
ben moͤchte, ſeelig zu werden; Er meinet wohl, die Leute ſehen
es ihm an, daß er verdammt ſey, aber ſie moͤgen es ihm nur ſonſt
nicht ſagen, weil ſie ihm doch nicht daraus helffen koͤnnen, und
auch kein zulaͤnglich Mittel fuͤr ihne wiſſen. An GOTT darff er
nicht ſinnen, dann der iſt ihm ein verzehrend Feuer, mit dem Bet-
ten iſts alſo aus und aus; JESUM zwar ſucht er an allen Orten,
aber
Man
darffs
ſichs aber
nicht zu-
eignen,
biß man
JEſum
am Creutz
erblickt.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/77>, abgerufen am 24.11.2024.
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