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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Der unter den Stech-Disteln
gen. Er machts zu grob; du aber hast einen Bären gereitzt etwann mit
einem unvorsichtigen Wort, daß du diesem, jenem, oder in Gesell-
schafft ihm zum Nachtheil gesagt hast und du willt, er soll dich nur
krätzlen und miauen wie ein Katz, nicht aber brummen und zerzausen.
Er kommt allzeit wieder: Und du, wie manche Stund beleidigest GOtt
auf ein neues? Die Vernunfft spricht; Jch habe ihm nichts gethan;
als alles Gute:
Sage du; O wie guts thut mir mein GOtt an Leib
und Seel alle Augenblick schon hier in den Tagen des Creutzes ohne
zu erwegen, was unbekannter Seeligkeiten er mir in denen Ewigkei-
ten beygeleget, welche mir fürwahr eben so nahe und gegenwärtig mei-
nem Glauben seyn sollen, als stünde ich allbereit in lebendigem Ge-
nuß; Bedenck nun liebes Hertz! was wirstu in der Herrlichkeit wün-
schen, daß du dich deinem JEsu, der dich jetzt mit einem ewigen Kö-
nigreich beschencket habe, zu Lieb und Lob in dißmaligen Umständen
verhalten hättest. Jch aber sündige wider ihn aller der grossen Lie-
be ungeachtet. Er ist mir nicht zu vergleichen: Und ich Sünden-Wurm
und Höllen-Brand, mit GOtt. Ja wann er mich der erste um Ver-
zeihung bäte,
so wollte ich schauen: GOtt wartet nicht, biß ich mich
vor seiner Majestät demüthige, er kommt mir zuvor und schickt seine
Gesandten an mich, welche mit mir handlen an Christi Statt, und
gleich als wann GOtt selbst ermahnete durch sie, also bitten sie an
Christi statt, ich solle mich doch mit GOTT lassen versöhnen.
Jch wills vergeben, aber nichts mit ihm zu schaffen haben: Wann mein
GOTT zu mir sagte, gehe mir aus den Augen, ich will dein ewig
nichts, wie wäre es mir ums Hertz? Darum will ich mit meinem
Nächsten handlen, wie JEsus und der himmlische Vatter gegen mir;
alles hab ich ihm zu dancken, daß ich von Sünden wieder aufstehe,
Buß thue, daß mich sein ewig Gericht nicht in irgend einer Sünd
überfalle. O wie wohl bekommt mir diese Langmuth! Darum will
ich mit dem Nächsten umgehen, wie GOtt mit mir: wie darff ich
sonst hoffen, daß GOtt in seiner Liebe also werde fortfahren? Jch
förchte mich, GOtt könnte mich undanckbaren Verächter seiner
langmüthigen Gnad an den glüenden Ketten der höllischen Kräfften
des unauslöschlichen Grimms in Satans Element lassen anschmie-
den, allda ich keinen Brosam mehr von dem himmlischen Liebes-Mahl
zu kosten überkäme.

§. 6. Allen diesen göttlichen Gründen widerspricht das Fleisch oh-

ne

Der unter den Stech-Diſteln
gen. Er machts zu grob; du aber haſt einen Baͤren gereitzt etwann mit
einem unvorſichtigen Wort, daß du dieſem, jenem, oder in Geſell-
ſchafft ihm zum Nachtheil geſagt haſt und du willt, er ſoll dich nur
kraͤtzlen und miauen wie ein Katz, nicht aber brummen und zerzauſen.
Er kommt allzeit wieder: Und du, wie manche Stund beleidigeſt GOtt
auf ein neues? Die Vernunfft ſpricht; Jch habe ihm nichts gethan;
als alles Gute:
Sage du; O wie guts thut mir mein GOtt an Leib
und Seel alle Augenblick ſchon hier in den Tagen des Creutzes ohne
zu erwegen, was unbekannter Seeligkeiten er mir in denen Ewigkei-
ten beygeleget, welche mir fuͤrwahr eben ſo nahe und gegenwaͤrtig mei-
nem Glauben ſeyn ſollen, als ſtuͤnde ich allbereit in lebendigem Ge-
nuß; Bedenck nun liebes Hertz! was wirſtu in der Herrlichkeit wuͤn-
ſchen, daß du dich deinem JEſu, der dich jetzt mit einem ewigen Koͤ-
nigreich beſchencket habe, zu Lieb und Lob in dißmaligen Umſtaͤnden
verhalten haͤtteſt. Jch aber ſuͤndige wider ihn aller der groſſen Lie-
be ungeachtet. Er iſt mir nicht zu vergleichen: Und ich Suͤnden-Wurm
und Hoͤllen-Brand, mit GOtt. Ja wann er mich der erſte um Ver-
zeihung baͤte,
ſo wollte ich ſchauen: GOtt wartet nicht, biß ich mich
vor ſeiner Majeſtaͤt demuͤthige, er kommt mir zuvor und ſchickt ſeine
Geſandten an mich, welche mit mir handlen an Chriſti Statt, und
gleich als wann GOtt ſelbſt ermahnete durch ſie, alſo bitten ſie an
Chriſti ſtatt, ich ſolle mich doch mit GOTT laſſen verſoͤhnen.
Jch wills vergeben, aber nichts mit ihm zu ſchaffen haben: Wann mein
GOTT zu mir ſagte, gehe mir aus den Augen, ich will dein ewig
nichts, wie waͤre es mir ums Hertz? Darum will ich mit meinem
Naͤchſten handlen, wie JEſus und der himmliſche Vatter gegen mir;
alles hab ich ihm zu dancken, daß ich von Suͤnden wieder aufſtehe,
Buß thue, daß mich ſein ewig Gericht nicht in irgend einer Suͤnd
uͤberfalle. O wie wohl bekommt mir dieſe Langmuth! Darum will
ich mit dem Naͤchſten umgehen, wie GOtt mit mir: wie darff ich
ſonſt hoffen, daß GOtt in ſeiner Liebe alſo werde fortfahren? Jch
foͤrchte mich, GOtt koͤnnte mich undanckbaren Veraͤchter ſeiner
langmuͤthigen Gnad an den gluͤenden Ketten der hoͤlliſchen Kraͤfften
des unausloͤſchlichen Grimms in Satans Element laſſen anſchmie-
den, allda ich keinen Broſam mehr von dem himmliſchen Liebes-Mahl
zu koſten uͤberkaͤme.

§. 6. Allen dieſen goͤttlichen Gruͤnden widerſpricht das Fleiſch oh-

ne
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[702/0798] Der unter den Stech-Diſteln gen. Er machts zu grob; du aber haſt einen Baͤren gereitzt etwann mit einem unvorſichtigen Wort, daß du dieſem, jenem, oder in Geſell- ſchafft ihm zum Nachtheil geſagt haſt und du willt, er ſoll dich nur kraͤtzlen und miauen wie ein Katz, nicht aber brummen und zerzauſen. Er kommt allzeit wieder: Und du, wie manche Stund beleidigeſt GOtt auf ein neues? Die Vernunfft ſpricht; Jch habe ihm nichts gethan; als alles Gute: Sage du; O wie guts thut mir mein GOtt an Leib und Seel alle Augenblick ſchon hier in den Tagen des Creutzes ohne zu erwegen, was unbekannter Seeligkeiten er mir in denen Ewigkei- ten beygeleget, welche mir fuͤrwahr eben ſo nahe und gegenwaͤrtig mei- nem Glauben ſeyn ſollen, als ſtuͤnde ich allbereit in lebendigem Ge- nuß; Bedenck nun liebes Hertz! was wirſtu in der Herrlichkeit wuͤn- ſchen, daß du dich deinem JEſu, der dich jetzt mit einem ewigen Koͤ- nigreich beſchencket habe, zu Lieb und Lob in dißmaligen Umſtaͤnden verhalten haͤtteſt. Jch aber ſuͤndige wider ihn aller der groſſen Lie- be ungeachtet. Er iſt mir nicht zu vergleichen: Und ich Suͤnden-Wurm und Hoͤllen-Brand, mit GOtt. Ja wann er mich der erſte um Ver- zeihung baͤte, ſo wollte ich ſchauen: GOtt wartet nicht, biß ich mich vor ſeiner Majeſtaͤt demuͤthige, er kommt mir zuvor und ſchickt ſeine Geſandten an mich, welche mit mir handlen an Chriſti Statt, und gleich als wann GOtt ſelbſt ermahnete durch ſie, alſo bitten ſie an Chriſti ſtatt, ich ſolle mich doch mit GOTT laſſen verſoͤhnen. Jch wills vergeben, aber nichts mit ihm zu ſchaffen haben: Wann mein GOTT zu mir ſagte, gehe mir aus den Augen, ich will dein ewig nichts, wie waͤre es mir ums Hertz? Darum will ich mit meinem Naͤchſten handlen, wie JEſus und der himmliſche Vatter gegen mir; alles hab ich ihm zu dancken, daß ich von Suͤnden wieder aufſtehe, Buß thue, daß mich ſein ewig Gericht nicht in irgend einer Suͤnd uͤberfalle. O wie wohl bekommt mir dieſe Langmuth! Darum will ich mit dem Naͤchſten umgehen, wie GOtt mit mir: wie darff ich ſonſt hoffen, daß GOtt in ſeiner Liebe alſo werde fortfahren? Jch foͤrchte mich, GOtt koͤnnte mich undanckbaren Veraͤchter ſeiner langmuͤthigen Gnad an den gluͤenden Ketten der hoͤlliſchen Kraͤfften des unausloͤſchlichen Grimms in Satans Element laſſen anſchmie- den, allda ich keinen Broſam mehr von dem himmliſchen Liebes-Mahl zu koſten uͤberkaͤme. §. 6. Allen dieſen goͤttlichen Gruͤnden widerſpricht das Fleiſch oh- ne

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 702. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/798>, abgerufen am 22.11.2024.