Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

hervor blühende Lilien-Zweig.
füllen, so werden dich keine Urtheile der Menschen beschwehren,
wann gleich Löwen-Bären-Ochsen-Hunds-Esels-Schnecken-Kälber-
Fröschen- und Schwalben-Zungen, gegen dich angiengen, und ei-
nes das gigakete, und jenes was anders kirrete.

Wer obenher entzündt, dem HErrn ist einverleibet,
Den fichtet wenig an, was alle Boßheit treibet.

Bist du bey JEsu deinem Schatz und König in der Kammer,
was schadet dir doch das Klaffen müßiger Schwätzer auf den Gassen,
daß du darüber wolltest zornig werden und die unvergleichlich kostba-
re Pflantze der göttlichen Liebe durch einigen widrigen Affect in dir
schänden lassen.

Das vierte Capitel.
Fortsetzung der Beweg-Ursachen zur Liebe.

§. 1. Höre, ich will dir eine gute Lehre geben: Verlangst du, daßWer in die
rechte Lie-
be will ge-
setzt wer-
den, muß
sich hinter
JEsum
als den
Schild
stellen.

dir keine Nachrede das Hertz verwunde, so verbirge dich hinter Chri-
stum als einen Schilt, und sauge also lang und durstig sein reinigend
Blut in dich, biß du durch und durch rein und frey bist von der Un-
tugend, deren man dich beschuldiget; so glitscht der Gifft-Pfeil ne-
ben ab, und du bleibst unverletzt. Dann wann ihn der mörderische
Ankläger nicht an deinem Gewissen wetzen kan, so ist der Pfeil stumpf
und ohnmächtig; dannenher es leichter ist einem Verleumder, der
erdichtete Lugen aussprengt, zu vergeben, als einem Affterreder,
der aus arger teuflischer Rachsucht heimliche Sünden ausbringt.
Kurtz, ohne Reitzung zu lieblosen Gedancken kanst du nicht lange blei-
ben, und wann du dir einbildest, du wolltest deine Sachen also an-
stellen, und alles um dich her so wohl einrichten, daß dir gar nichts
widerliches zustosse; so gedächtest du eben so närrisch, als ob einer
auf der unbeständigen See das Schiff von aussen unterstützen wollte,
damit es von keinem Wind und Wellen bewegt würde: Ja wann
das geschehen sollte und alles nach deinem Willen gehen, so würdest
du schlechtlich hinanrucken zur Aehnlichkeit JEsu des Gecreutzigten,
du bliebest weit zuruck vom Himmelreich; sintemahl Wellen und Flu-
then die seelige Heiligungs-Farth zu Christo allermeist befördern: un-
bewegte Stille auf dem grossem Welt-Meer ist den See-Fahrenden
beschwerlicher als Wind und Sturm; Wer JEsum bey sich hat,

dem
U u u u

hervor bluͤhende Lilien-Zweig.
fuͤllen, ſo werden dich keine Urtheile der Menſchen beſchwehren,
wann gleich Loͤwen-Baͤren-Ochſen-Hunds-Eſels-Schnecken-Kaͤlber-
Froͤſchen- und Schwalben-Zungen, gegen dich angiengen, und ei-
nes das gigakete, und jenes was anders kirrete.

Wer obenher entzuͤndt, dem HErrn iſt einverleibet,
Den fichtet wenig an, was alle Boßheit treibet.

Biſt du bey JEſu deinem Schatz und Koͤnig in der Kammer,
was ſchadet dir doch das Klaffen muͤßiger Schwaͤtzer auf den Gaſſen,
daß du daruͤber wollteſt zornig werden und die unvergleichlich koſtba-
re Pflantze der goͤttlichen Liebe durch einigen widrigen Affect in dir
ſchaͤnden laſſen.

Das vierte Capitel.
Fortſetzung der Beweg-Urſachen zur Liebe.

§. 1. Hoͤre, ich will dir eine gute Lehre geben: Verlangſt du, daßWer in die
rechte Lie-
be will ge-
ſetzt wer-
den, muß
ſich hinter
JEſum
als den
Schild
ſtellen.

dir keine Nachrede das Hertz verwunde, ſo verbirge dich hinter Chri-
ſtum als einen Schilt, und ſauge alſo lang und durſtig ſein reinigend
Blut in dich, biß du durch und durch rein und frey biſt von der Un-
tugend, deren man dich beſchuldiget; ſo glitſcht der Gifft-Pfeil ne-
ben ab, und du bleibſt unverletzt. Dann wann ihn der moͤrderiſche
Anklaͤger nicht an deinem Gewiſſen wetzen kan, ſo iſt der Pfeil ſtumpf
und ohnmaͤchtig; dannenher es leichter iſt einem Verleumder, der
erdichtete Lugen ausſprengt, zu vergeben, als einem Affterreder,
der aus arger teufliſcher Rachſucht heimliche Suͤnden ausbringt.
Kurtz, ohne Reitzung zu liebloſen Gedancken kanſt du nicht lange blei-
ben, und wann du dir einbildeſt, du wollteſt deine Sachen alſo an-
ſtellen, und alles um dich her ſo wohl einrichten, daß dir gar nichts
widerliches zuſtoſſe; ſo gedaͤchteſt du eben ſo naͤrriſch, als ob einer
auf der unbeſtaͤndigen See das Schiff von auſſen unterſtuͤtzen wollte,
damit es von keinem Wind und Wellen bewegt wuͤrde: Ja wann
das geſchehen ſollte und alles nach deinem Willen gehen, ſo wuͤrdeſt
du ſchlechtlich hinanrucken zur Aehnlichkeit JEſu des Gecreutzigten,
du bliebeſt weit zuruck vom Himmelreich; ſintemahl Wellen und Flu-
then die ſeelige Heiligungs-Farth zu Chriſto allermeiſt befoͤrdern: un-
bewegte Stille auf dem groſſem Welt-Meer iſt den See-Fahrenden
beſchwerlicher als Wind und Sturm; Wer JEſum bey ſich hat,

dem
U u u u
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0801" n="705"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">hervor blu&#x0364;hende Lilien-Zweig.</hi></fw><lb/>
fu&#x0364;llen, &#x017F;o werden dich keine Urtheile der Men&#x017F;chen be&#x017F;chwehren,<lb/>
wann gleich Lo&#x0364;wen-Ba&#x0364;ren-Och&#x017F;en-Hunds-E&#x017F;els-Schnecken-Ka&#x0364;lber-<lb/>
Fro&#x0364;&#x017F;chen- und Schwalben-Zungen, gegen dich angiengen, und ei-<lb/>
nes das gigakete, und jenes was anders kirrete.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Wer obenher entzu&#x0364;ndt, dem HErrn i&#x017F;t einverleibet,</l><lb/>
            <l>Den fichtet wenig an, was alle Boßheit treibet.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Bi&#x017F;t du bey JE&#x017F;u deinem Schatz und Ko&#x0364;nig in der Kammer,<lb/>
was &#x017F;chadet dir doch das Klaffen mu&#x0364;ßiger Schwa&#x0364;tzer auf den Ga&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß du daru&#x0364;ber wollte&#x017F;t zornig werden und die unvergleichlich ko&#x017F;tba-<lb/>
re Pflantze der go&#x0364;ttlichen Liebe durch einigen widrigen Affect in dir<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;nden la&#x017F;&#x017F;en.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Das vierte Capitel.</hi><lb/> <hi rendition="#fr">Fort&#x017F;etzung der Beweg-Ur&#x017F;achen zur Liebe.</hi> </head><lb/>
          <p>§. 1. Ho&#x0364;re, ich will dir eine gute Lehre geben: Verlang&#x017F;t du, daß<note place="right">Wer in die<lb/>
rechte Lie-<lb/>
be will ge-<lb/>
&#x017F;etzt wer-<lb/>
den, muß<lb/>
&#x017F;ich hinter<lb/>
JE&#x017F;um<lb/>
als den<lb/>
Schild<lb/>
&#x017F;tellen.</note><lb/>
dir keine Nachrede das Hertz verwunde, &#x017F;o verbirge dich hinter Chri-<lb/>
&#x017F;tum als einen Schilt, und &#x017F;auge al&#x017F;o lang und dur&#x017F;tig &#x017F;ein reinigend<lb/>
Blut in dich, biß du durch und durch rein und frey bi&#x017F;t von der Un-<lb/>
tugend, deren man dich be&#x017F;chuldiget; &#x017F;o glit&#x017F;cht der Gifft-Pfeil ne-<lb/>
ben ab, und du bleib&#x017F;t unverletzt. Dann wann ihn der mo&#x0364;rderi&#x017F;che<lb/>
Ankla&#x0364;ger nicht an deinem Gewi&#x017F;&#x017F;en wetzen kan, &#x017F;o i&#x017F;t der Pfeil &#x017F;tumpf<lb/>
und ohnma&#x0364;chtig; dannenher es leichter i&#x017F;t einem Verleumder, der<lb/>
erdichtete Lugen aus&#x017F;prengt, zu vergeben, als einem Affterreder,<lb/>
der aus arger teufli&#x017F;cher Rach&#x017F;ucht heimliche Su&#x0364;nden ausbringt.<lb/>
Kurtz, ohne Reitzung zu lieblo&#x017F;en Gedancken kan&#x017F;t du nicht lange blei-<lb/>
ben, und wann du dir einbilde&#x017F;t, du wollte&#x017F;t deine Sachen al&#x017F;o an-<lb/>
&#x017F;tellen, und alles um dich her &#x017F;o wohl einrichten, daß dir gar nichts<lb/>
widerliches zu&#x017F;to&#x017F;&#x017F;e; &#x017F;o geda&#x0364;chte&#x017F;t du eben &#x017F;o na&#x0364;rri&#x017F;ch, als ob einer<lb/>
auf der unbe&#x017F;ta&#x0364;ndigen See das Schiff von au&#x017F;&#x017F;en unter&#x017F;tu&#x0364;tzen wollte,<lb/>
damit es von keinem Wind und Wellen bewegt wu&#x0364;rde: Ja wann<lb/>
das ge&#x017F;chehen &#x017F;ollte und alles nach deinem Willen gehen, &#x017F;o wu&#x0364;rde&#x017F;t<lb/>
du &#x017F;chlechtlich hinanrucken zur Aehnlichkeit JE&#x017F;u des Gecreutzigten,<lb/>
du bliebe&#x017F;t weit zuruck vom Himmelreich; &#x017F;intemahl Wellen und Flu-<lb/>
then die &#x017F;eelige Heiligungs-Farth zu Chri&#x017F;to allermei&#x017F;t befo&#x0364;rdern: un-<lb/>
bewegte Stille auf dem gro&#x017F;&#x017F;em Welt-Meer i&#x017F;t den See-Fahrenden<lb/>
be&#x017F;chwerlicher als Wind und Sturm; Wer JE&#x017F;um bey &#x017F;ich hat,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U u u u</fw><fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[705/0801] hervor bluͤhende Lilien-Zweig. fuͤllen, ſo werden dich keine Urtheile der Menſchen beſchwehren, wann gleich Loͤwen-Baͤren-Ochſen-Hunds-Eſels-Schnecken-Kaͤlber- Froͤſchen- und Schwalben-Zungen, gegen dich angiengen, und ei- nes das gigakete, und jenes was anders kirrete. Wer obenher entzuͤndt, dem HErrn iſt einverleibet, Den fichtet wenig an, was alle Boßheit treibet. Biſt du bey JEſu deinem Schatz und Koͤnig in der Kammer, was ſchadet dir doch das Klaffen muͤßiger Schwaͤtzer auf den Gaſſen, daß du daruͤber wollteſt zornig werden und die unvergleichlich koſtba- re Pflantze der goͤttlichen Liebe durch einigen widrigen Affect in dir ſchaͤnden laſſen. Das vierte Capitel. Fortſetzung der Beweg-Urſachen zur Liebe. §. 1. Hoͤre, ich will dir eine gute Lehre geben: Verlangſt du, daß dir keine Nachrede das Hertz verwunde, ſo verbirge dich hinter Chri- ſtum als einen Schilt, und ſauge alſo lang und durſtig ſein reinigend Blut in dich, biß du durch und durch rein und frey biſt von der Un- tugend, deren man dich beſchuldiget; ſo glitſcht der Gifft-Pfeil ne- ben ab, und du bleibſt unverletzt. Dann wann ihn der moͤrderiſche Anklaͤger nicht an deinem Gewiſſen wetzen kan, ſo iſt der Pfeil ſtumpf und ohnmaͤchtig; dannenher es leichter iſt einem Verleumder, der erdichtete Lugen ausſprengt, zu vergeben, als einem Affterreder, der aus arger teufliſcher Rachſucht heimliche Suͤnden ausbringt. Kurtz, ohne Reitzung zu liebloſen Gedancken kanſt du nicht lange blei- ben, und wann du dir einbildeſt, du wollteſt deine Sachen alſo an- ſtellen, und alles um dich her ſo wohl einrichten, daß dir gar nichts widerliches zuſtoſſe; ſo gedaͤchteſt du eben ſo naͤrriſch, als ob einer auf der unbeſtaͤndigen See das Schiff von auſſen unterſtuͤtzen wollte, damit es von keinem Wind und Wellen bewegt wuͤrde: Ja wann das geſchehen ſollte und alles nach deinem Willen gehen, ſo wuͤrdeſt du ſchlechtlich hinanrucken zur Aehnlichkeit JEſu des Gecreutzigten, du bliebeſt weit zuruck vom Himmelreich; ſintemahl Wellen und Flu- then die ſeelige Heiligungs-Farth zu Chriſto allermeiſt befoͤrdern: un- bewegte Stille auf dem groſſem Welt-Meer iſt den See-Fahrenden beſchwerlicher als Wind und Sturm; Wer JEſum bey ſich hat, dem Wer in die rechte Lie- be will ge- ſetzt wer- den, muß ſich hinter JEſum als den Schild ſtellen. U u u u

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/801
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 705. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/801>, abgerufen am 22.11.2024.