Die über Böse so wohl als Gute auf- steigende Sonne macht die Lieblosen beschämt.
§. 7. Du aber mache dich weit von dannen und verbirge dich tieff in die Hüten des Königes der ewigen Liebe a; siehe die Sonne an, den schönen Zeugen der allgemeinen Güte ihres Schöpfers, wie sie Lämmer und Wölfe, Dornen und Blumen gleich sanfft anscheinet, und dem Bösen seine Frucht zeitiget wie dem Guten; Lerne an ihr, wie sie die stinckende Dünste, in einen lieblichen Regen verwandlet, und die Erde mit befeuchtet; O wol eine selige; der schönen Sonnen geziemende Rach! Gleicher Weise verwandle du Christ! alle von deinem Nächsten wider dich aufstei- gende und deinen guten Namen verfinsterende Rauch-Dämpffe, rau- senderley verkleinerender Affterreden und Lästerungen, auch der Hinderrucks bey deinen Freunden und Gönneren, boßhafftiglich wider dich, zu deinem grossen Nachtheil angebrachten Vorurthei- len, in einem sanfften, milden Regen der Vorbitt, des Mitlei- dens, des Segnens und Wohlthuns, deinen Schmäher abzuküh- len, zu erfrischen und zu erweichen. Du soltest dich vor der Son- ne schämen, anderst zu handlen; oder wilt du sie auch machen seuff- zen über dich, daß sie einem Undanckbaren, Hochmüthigen, Unge- horsamen, Harthertzigen biß zu ihrem Untergang, hat scheinen müs- sen? Da sie lieber zu Ehren ihrem Schöpfer dir zu dem göttlichen Werck der hertzlichen Verföhnung geleuchtet hätte!
Wie darffst du so unverschamt seyn, und die lieblichen Strahlen der Sonnen so häuffig zu deiner Erquickung einnehmen, alldieweil du deinem Nächsten einen Strahl süsser Freundlichkeit verweige- rest! und das sanffte Anscheinen deiner Liebe nicht gönnest? Ach eile, und erfreue die Sonne der Gerechtigkeit, ehe sie alle ihre Gna- den-Strahlen von dir zuruck nimmt, und sich hinter die Berge der ewigen Ungnad verbirget. Unsere Begierd soll also lang in GOTT, der uns mit seinen Lieblichkeiten sättigen will, eintringen, biß sich das hitzige, hefftige Aufwallen in uns gesetzt hat, und das Wider- streben des Fleisches gestillet ist, damit uns GOTT Gesänge ge- ben könne in der Nacht, und wir im Bett ligende GOttes Gna- den mit frölichem Hertzen nachdencken können. Es pflegten des
Pytha-
aPs. XXXI. 20. 22.
Der unter den Stech-Diſteln
Die uͤber Boͤſe ſo wohl als Gute auf- ſteigende Sonne macht die Liebloſen beſchaͤmt.
§. 7. Du aber mache dich weit von dannen und verbirge dich tieff in die Huͤten des Koͤniges der ewigen Liebe a; ſiehe die Sonne an, den ſchoͤnen Zeugen der allgemeinen Guͤte ihres Schoͤpfers, wie ſie Laͤmmer und Woͤlfe, Dornen und Blumen gleich ſanfft anſcheinet, und dem Boͤſen ſeine Frucht zeitiget wie dem Guten; Lerne an ihr, wie ſie die ſtinckende Duͤnſte, in einen lieblichen Regen verwandlet, und die Erde mit befeuchtet; O wol eine ſelige; der ſchoͤnen Sonnen geziemende Rach! Gleicher Weiſe verwandle du Chriſt! alle von deinem Naͤchſten wider dich aufſtei- gende und deinen guten Namen verfinſterende Rauch-Daͤmpffe, rau- ſenderley verkleinerender Affterreden und Laͤſterungen, auch der Hinderrucks bey deinen Freunden und Goͤnneren, boßhafftiglich wider dich, zu deinem groſſen Nachtheil angebrachten Vorurthei- len, in einem ſanfften, milden Regen der Vorbitt, des Mitlei- dens, des Segnens und Wohlthuns, deinen Schmaͤher abzukuͤh- len, zu erfriſchen und zu erweichen. Du ſolteſt dich vor der Son- ne ſchaͤmen, anderſt zu handlen; oder wilt du ſie auch machen ſeuff- zen uͤber dich, daß ſie einem Undanckbaren, Hochmuͤthigen, Unge- horſamen, Harthertzigen biß zu ihrem Untergang, hat ſcheinen muͤſ- ſen? Da ſie lieber zu Ehren ihrem Schoͤpfer dir zu dem goͤttlichen Werck der hertzlichen Verfoͤhnung geleuchtet haͤtte!
Wie darffſt du ſo unverſchamt ſeyn, und die lieblichen Strahlen der Sonnen ſo haͤuffig zu deiner Erquickung einnehmen, alldieweil du deinem Naͤchſten einen Strahl ſuͤſſer Freundlichkeit verweige- reſt! und das ſanffte Anſcheinen deiner Liebe nicht goͤnneſt? Ach eile, und erfreue die Sonne der Gerechtigkeit, ehe ſie alle ihre Gna- den-Strahlen von dir zuruck nimmt, und ſich hinter die Berge der ewigen Ungnad verbirget. Unſere Begierd ſoll alſo lang in GOTT, der uns mit ſeinen Lieblichkeiten ſaͤttigen will, eintringen, biß ſich das hitzige, hefftige Aufwallen in uns geſetzt hat, und das Wider- ſtreben des Fleiſches geſtillet iſt, damit uns GOTT Geſaͤnge ge- ben koͤnne in der Nacht, und wir im Bett ligende GOttes Gna- den mit froͤlichem Hertzen nachdencken koͤnnen. Es pflegten des
Pytha-
aPſ. XXXI. 20. 22.
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Der unter den Stech-Diſteln
§. 7. Du aber mache dich weit von dannen und verbirge dich
tieff in die Huͤten des Koͤniges der ewigen Liebe a; ſiehe die
Sonne an, den ſchoͤnen Zeugen der allgemeinen Guͤte ihres
Schoͤpfers, wie ſie Laͤmmer und Woͤlfe, Dornen und Blumen
gleich ſanfft anſcheinet, und dem Boͤſen ſeine Frucht zeitiget wie
dem Guten; Lerne an ihr, wie ſie die ſtinckende Duͤnſte, in einen
lieblichen Regen verwandlet, und die Erde mit befeuchtet; O wol
eine ſelige; der ſchoͤnen Sonnen geziemende Rach! Gleicher Weiſe
verwandle du Chriſt! alle von deinem Naͤchſten wider dich aufſtei-
gende und deinen guten Namen verfinſterende Rauch-Daͤmpffe, rau-
ſenderley verkleinerender Affterreden und Laͤſterungen, auch der
Hinderrucks bey deinen Freunden und Goͤnneren, boßhafftiglich
wider dich, zu deinem groſſen Nachtheil angebrachten Vorurthei-
len, in einem ſanfften, milden Regen der Vorbitt, des Mitlei-
dens, des Segnens und Wohlthuns, deinen Schmaͤher abzukuͤh-
len, zu erfriſchen und zu erweichen. Du ſolteſt dich vor der Son-
ne ſchaͤmen, anderſt zu handlen; oder wilt du ſie auch machen ſeuff-
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horſamen, Harthertzigen biß zu ihrem Untergang, hat ſcheinen muͤſ-
ſen? Da ſie lieber zu Ehren ihrem Schoͤpfer dir zu dem goͤttlichen
Werck der hertzlichen Verfoͤhnung geleuchtet haͤtte!
Wie darffſt du ſo unverſchamt ſeyn, und die lieblichen Strahlen
der Sonnen ſo haͤuffig zu deiner Erquickung einnehmen, alldieweil
du deinem Naͤchſten einen Strahl ſuͤſſer Freundlichkeit verweige-
reſt! und das ſanffte Anſcheinen deiner Liebe nicht goͤnneſt? Ach
eile, und erfreue die Sonne der Gerechtigkeit, ehe ſie alle ihre Gna-
den-Strahlen von dir zuruck nimmt, und ſich hinter die Berge der
ewigen Ungnad verbirget. Unſere Begierd ſoll alſo lang in GOTT,
der uns mit ſeinen Lieblichkeiten ſaͤttigen will, eintringen, biß ſich
das hitzige, hefftige Aufwallen in uns geſetzt hat, und das Wider-
ſtreben des Fleiſches geſtillet iſt, damit uns GOTT Geſaͤnge ge-
ben koͤnne in der Nacht, und wir im Bett ligende GOttes Gna-
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 750. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/846>, abgerufen am 22.11.2024.
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