Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Betrachtungen
West, Mittag und Mitternacht siehet, und die rechte Hand, die alles
weit und breit sammlen und gern die Schätze von Morgend und A-
bend zu sich ziehen wollte; Er legt ab den Sünden-Last, und erduldet
dabey die Stürme der Freunden und Verwandten, und alle Wut des
Teuffels, wann er nur seinem JEsu dem Anfänger und Vollender des
Glaubens näher kommt als der Perl die er liebet; Er nimmt im Geist
und Glauben alles vergängliche wie den Mond unter die Füsse, Christum
die Sonne anzuziehen.

Was
durch diß
Alles ver-
standen
werde,
nahmlich
das eige-
ne, Welt
und sün-
dige All.

§. 2. Fragst du was ist das vor ein Alles?

Ant. 1. Alle eigene Gerechtigkeit, Hochachtung, Sinn, Willen,
Vertrauen, Gutduncken allzumahl alle Menschen von Natur gar zu
einbildisch sind und kaum zu bereden, daß ihre Absichten und Handlun-
gen, so voller Mängel, Gebrächen und Unlauterkeit seyen, derowegen al-
les Selbst-Wircken, Wissen, Vermögen, Wahl und Vorhaben zu
verlaugnen ist, welches lange, lange Weile braucht und ein recht scharp-
fes Adlers-Aug; Dieses ist am härtesten und schwersten zu verkauffen,
wer es erfährt, der glaubts.

2. Der Welt ihr Alles; Geld, Ehre, Gunst, Lust, Gemächlichkeit,
Gesundheit, das zeitliche natürliche Leben, Summa worinn die Welt
ihr Glück und Heyl stellet a. Welches zwar alles GOttes schöne Ga-
ben sind, können aber nicht unschuldig, heilsam und ohne Nachtheil der
Seelen gebraucht werden, sie werden dann zu erst verkaufft, das ist,
GOtt in seine Hand gelegt und übergeben, nicht mehr als unser eigen
Gut angesehen noch davon zu unserem Gebrauch genommen, als wann
und wie viel uns Christus erlaubt und gestattet, dem es Vermöge des
getroffenen Kauffs alles angehöret; also muß das Gemüth und Neigung
von allem Sichtbahren abgezogen und alles viel zu gering geschätzt wer-
den, als daß man dessentwegen seine Ruhe und Frieden in GOtt stören
oder verduncklen liesse, es muß alles nur darzu gewidmet seyn, daß der
Perlen Krafft und Schönheit ins Auffnehmen komme, sonst wird uns
die Reue hindennach plagen.

3. Das sündige All: Alles was das Aug der Majestät GOttes nit er-
leyden mag, alles was nicht einstimmig ist mit Christi Sinn, das muß
ohne Aufschub abgethan, gehasset, bestritten und vertilget seyn, du must
allem Bösen einen ewigen Scheid-Brief geben, hinaus, soll es heissen,
mit allen meinen vorigen Abgörteren, ich vertausche alles um den Willen

JEsu,
a Matth. X. 37. Luc. XIV. 26. Hebr. XI. 24-26.

Betrachtungen
Weſt, Mittag und Mitternacht ſiehet, und die rechte Hand, die alles
weit und breit ſammlen und gern die Schaͤtze von Morgend und A-
bend zu ſich ziehen wollte; Er legt ab den Suͤnden-Laſt, und erduldet
dabey die Stuͤrme der Freunden und Verwandten, und alle Wut des
Teuffels, wann er nur ſeinem JEſu dem Anfaͤnger und Vollender des
Glaubens naͤher kommt als der Perl die er liebet; Er nimmt im Geiſt
und Glauben alles vergaͤngliche wie den Mond unter die Fuͤſſe, Chriſtum
die Sonne anzuziehen.

Was
durch diß
Alles ver-
ſtanden
werde,
nahmlich
das eige-
ne, Welt
und ſuͤn-
dige All.

§. 2. Fragſt du was iſt das vor ein Alles?

Ant. 1. Alle eigene Gerechtigkeit, Hochachtung, Sinn, Willen,
Vertrauen, Gutduncken allzumahl alle Menſchen von Natur gar zu
einbildiſch ſind und kaum zu bereden, daß ihre Abſichten und Handlun-
gen, ſo voller Maͤngel, Gebraͤchen und Unlauterkeit ſeyen, derowegen al-
les Selbſt-Wircken, Wiſſen, Vermoͤgen, Wahl und Vorhaben zu
verlaugnen iſt, welches lange, lange Weile braucht und ein recht ſcharp-
fes Adlers-Aug; Dieſes iſt am haͤrteſten und ſchwerſten zu verkauffen,
wer es erfaͤhrt, der glaubts.

2. Der Welt ihr Alles; Geld, Ehre, Gunſt, Luſt, Gemaͤchlichkeit,
Geſundheit, das zeitliche natuͤrliche Leben, Summa worinn die Welt
ihr Gluͤck und Heyl ſtellet a. Welches zwar alles GOttes ſchoͤne Ga-
ben ſind, koͤnnen aber nicht unſchuldig, heilſam und ohne Nachtheil der
Seelen gebraucht werden, ſie werden dann zu erſt verkaufft, das iſt,
GOtt in ſeine Hand gelegt und uͤbergeben, nicht mehr als unſer eigen
Gut angeſehen noch davon zu unſerem Gebrauch genommen, als wann
und wie viel uns Chriſtus erlaubt und geſtattet, dem es Vermoͤge des
getroffenen Kauffs alles angehoͤret; alſo muß das Gemuͤth und Neigung
von allem Sichtbahren abgezogen und alles viel zu gering geſchaͤtzt wer-
den, als daß man deſſentwegen ſeine Ruhe und Frieden in GOtt ſtoͤren
oder verduncklen lieſſe, es muß alles nur darzu gewidmet ſeyn, daß der
Perlen Krafft und Schoͤnheit ins Auffnehmen komme, ſonſt wird uns
die Reue hindennach plagen.

3. Das ſuͤndige All: Alles was das Aug der Majeſtaͤt GOttes nit er-
leyden mag, alles was nicht einſtimmig iſt mit Chriſti Sinn, das muß
ohne Aufſchub abgethan, gehaſſet, beſtritten und vertilget ſeyn, du muſt
allem Boͤſen einen ewigen Scheid-Brief geben, hinaus, ſoll es heiſſen,
mit allen meinen vorigen Abgoͤrteren, ich vertauſche alles um den Willen

JEſu,
a Matth. X. 37. Luc. XIV. 26. Hebr. XI. 24-26.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0916" n="820"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Betrachtungen</hi></fw><lb/>
We&#x017F;t, Mittag und Mitternacht &#x017F;iehet, und die rechte Hand, die alles<lb/>
weit und breit &#x017F;ammlen und gern die Scha&#x0364;tze von Morgend und A-<lb/>
bend zu &#x017F;ich ziehen wollte; Er legt ab den Su&#x0364;nden-La&#x017F;t, und erduldet<lb/>
dabey die Stu&#x0364;rme der Freunden und Verwandten, und alle Wut des<lb/>
Teuffels, wann er nur &#x017F;einem JE&#x017F;u dem Anfa&#x0364;nger und Vollender des<lb/>
Glaubens na&#x0364;her kommt als der Perl die er liebet; Er nimmt im Gei&#x017F;t<lb/>
und Glauben alles verga&#x0364;ngliche wie den Mond unter die Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, Chri&#x017F;tum<lb/>
die Sonne anzuziehen.</p><lb/>
          <note place="left">Was<lb/>
durch diß<lb/>
Alles ver-<lb/>
&#x017F;tanden<lb/>
werde,<lb/>
nahmlich<lb/>
das eige-<lb/>
ne, Welt<lb/>
und &#x017F;u&#x0364;n-<lb/>
dige All.</note>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 2. Frag&#x017F;t du was i&#x017F;t das vor ein Alles?</p><lb/>
          <p>Ant. 1. Alle eigene Gerechtigkeit, Hochachtung, Sinn, Willen,<lb/>
Vertrauen, Gutduncken allzumahl alle Men&#x017F;chen von Natur gar zu<lb/>
einbildi&#x017F;ch &#x017F;ind und kaum zu bereden, daß ihre Ab&#x017F;ichten und Handlun-<lb/>
gen, &#x017F;o voller Ma&#x0364;ngel, Gebra&#x0364;chen und Unlauterkeit &#x017F;eyen, derowegen al-<lb/>
les Selb&#x017F;t-Wircken, Wi&#x017F;&#x017F;en, Vermo&#x0364;gen, Wahl und Vorhaben zu<lb/>
verlaugnen i&#x017F;t, welches lange, lange Weile braucht und ein recht &#x017F;charp-<lb/>
fes Adlers-Aug; Die&#x017F;es i&#x017F;t am ha&#x0364;rte&#x017F;ten und &#x017F;chwer&#x017F;ten zu verkauffen,<lb/>
wer es erfa&#x0364;hrt, der glaubts.</p><lb/>
          <p>2. Der Welt ihr Alles; Geld, Ehre, Gun&#x017F;t, Lu&#x017F;t, Gema&#x0364;chlichkeit,<lb/>
Ge&#x017F;undheit, das zeitliche natu&#x0364;rliche Leben, Summa worinn die Welt<lb/>
ihr Glu&#x0364;ck und Heyl &#x017F;tellet <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Matth. X. 37. Luc. XIV. 26. Hebr. XI.</hi> 24-26.</note>. Welches zwar alles GOttes &#x017F;cho&#x0364;ne Ga-<lb/>
ben &#x017F;ind, ko&#x0364;nnen aber nicht un&#x017F;chuldig, heil&#x017F;am und ohne Nachtheil der<lb/>
Seelen gebraucht werden, &#x017F;ie werden dann zu er&#x017F;t verkaufft, das i&#x017F;t,<lb/>
GOtt in &#x017F;eine Hand gelegt und u&#x0364;bergeben, nicht mehr als un&#x017F;er eigen<lb/>
Gut ange&#x017F;ehen noch davon zu un&#x017F;erem Gebrauch genommen, als wann<lb/>
und wie viel uns Chri&#x017F;tus erlaubt und ge&#x017F;tattet, dem es Vermo&#x0364;ge des<lb/>
getroffenen Kauffs alles angeho&#x0364;ret; al&#x017F;o muß das Gemu&#x0364;th und Neigung<lb/>
von allem Sichtbahren abgezogen und alles viel zu gering ge&#x017F;cha&#x0364;tzt wer-<lb/>
den, als daß man de&#x017F;&#x017F;entwegen &#x017F;eine Ruhe und Frieden in GOtt &#x017F;to&#x0364;ren<lb/>
oder verduncklen lie&#x017F;&#x017F;e, es muß alles nur darzu gewidmet &#x017F;eyn, daß der<lb/>
Perlen Krafft und Scho&#x0364;nheit ins Auffnehmen komme, &#x017F;on&#x017F;t wird uns<lb/>
die Reue hindennach plagen.</p><lb/>
          <p>3. Das &#x017F;u&#x0364;ndige All: Alles was das Aug der Maje&#x017F;ta&#x0364;t GOttes nit er-<lb/>
leyden mag, alles was nicht ein&#x017F;timmig i&#x017F;t mit Chri&#x017F;ti Sinn, das muß<lb/>
ohne Auf&#x017F;chub abgethan, geha&#x017F;&#x017F;et, be&#x017F;tritten und vertilget &#x017F;eyn, du mu&#x017F;t<lb/>
allem Bo&#x0364;&#x017F;en einen ewigen Scheid-Brief geben, hinaus, &#x017F;oll es hei&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
mit allen meinen vorigen Abgo&#x0364;rteren, ich vertau&#x017F;che alles um den Willen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">JE&#x017F;u,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[820/0916] Betrachtungen Weſt, Mittag und Mitternacht ſiehet, und die rechte Hand, die alles weit und breit ſammlen und gern die Schaͤtze von Morgend und A- bend zu ſich ziehen wollte; Er legt ab den Suͤnden-Laſt, und erduldet dabey die Stuͤrme der Freunden und Verwandten, und alle Wut des Teuffels, wann er nur ſeinem JEſu dem Anfaͤnger und Vollender des Glaubens naͤher kommt als der Perl die er liebet; Er nimmt im Geiſt und Glauben alles vergaͤngliche wie den Mond unter die Fuͤſſe, Chriſtum die Sonne anzuziehen. §. 2. Fragſt du was iſt das vor ein Alles? Ant. 1. Alle eigene Gerechtigkeit, Hochachtung, Sinn, Willen, Vertrauen, Gutduncken allzumahl alle Menſchen von Natur gar zu einbildiſch ſind und kaum zu bereden, daß ihre Abſichten und Handlun- gen, ſo voller Maͤngel, Gebraͤchen und Unlauterkeit ſeyen, derowegen al- les Selbſt-Wircken, Wiſſen, Vermoͤgen, Wahl und Vorhaben zu verlaugnen iſt, welches lange, lange Weile braucht und ein recht ſcharp- fes Adlers-Aug; Dieſes iſt am haͤrteſten und ſchwerſten zu verkauffen, wer es erfaͤhrt, der glaubts. 2. Der Welt ihr Alles; Geld, Ehre, Gunſt, Luſt, Gemaͤchlichkeit, Geſundheit, das zeitliche natuͤrliche Leben, Summa worinn die Welt ihr Gluͤck und Heyl ſtellet a. Welches zwar alles GOttes ſchoͤne Ga- ben ſind, koͤnnen aber nicht unſchuldig, heilſam und ohne Nachtheil der Seelen gebraucht werden, ſie werden dann zu erſt verkaufft, das iſt, GOtt in ſeine Hand gelegt und uͤbergeben, nicht mehr als unſer eigen Gut angeſehen noch davon zu unſerem Gebrauch genommen, als wann und wie viel uns Chriſtus erlaubt und geſtattet, dem es Vermoͤge des getroffenen Kauffs alles angehoͤret; alſo muß das Gemuͤth und Neigung von allem Sichtbahren abgezogen und alles viel zu gering geſchaͤtzt wer- den, als daß man deſſentwegen ſeine Ruhe und Frieden in GOtt ſtoͤren oder verduncklen lieſſe, es muß alles nur darzu gewidmet ſeyn, daß der Perlen Krafft und Schoͤnheit ins Auffnehmen komme, ſonſt wird uns die Reue hindennach plagen. 3. Das ſuͤndige All: Alles was das Aug der Majeſtaͤt GOttes nit er- leyden mag, alles was nicht einſtimmig iſt mit Chriſti Sinn, das muß ohne Aufſchub abgethan, gehaſſet, beſtritten und vertilget ſeyn, du muſt allem Boͤſen einen ewigen Scheid-Brief geben, hinaus, ſoll es heiſſen, mit allen meinen vorigen Abgoͤrteren, ich vertauſche alles um den Willen JEſu, a Matth. X. 37. Luc. XIV. 26. Hebr. XI. 24-26.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/916
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 820. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/916>, abgerufen am 22.11.2024.