Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Betrachtungen
meinentheit allen ins gesamt und einem jeden ins besondere rathen, JE-
sum zu kauffen, es käme euer Seelen fürtrefflich wohl. Wie ists? Wol-
let ihr JEsum haben, oder nicht?

Eines
manchen
betrügli-
che Ant-
wort.

§. 2. Ja, sagt einer, es wäre wohl elend bestellt mit mir, wann ich
diese Perle nicht hätte; O ich habe nicht gewartet biß erst jetzt, da feh-
lets nicht, ich bin GOtt lob! schon längst mit versehen.

Ant. Freylich spricht mancher: Jch bin reich und bin reich worden, und
bedarff nichts; dem der H. Geist im Gewissen sagt: Ach du weißt nicht,
daß du elend und jämmerlich und arm und blind und nacket bist a. Ach
dieses ist leyder gar eine allgemeine Vermessenheit, da alle sagen, es ste-
he wohl um ihre Seelen, es seye alles richtig, sie seyen allezeit gerüst zur
Abfahrt, sie haben ihren Frieden gemacht mit GOtt und haben JEsum
Tag und Nacht im Hertzen.

Beschauet man aber die eingekaufften Waaren beym Sonnen-Liecht,
so ists Holtz, Stoplen, gemahlete Gläser, so ein an GOtt blinder, uner-
leuchteter Mensch vor gut ansiehet; an statt des Lebendigen, alle Schlan-
gen Köpfe in dem Hertzen zertrettenden, und von allem Sünden Unrath
gründlich reinigenden JEsu ist da nichts als eine bettelhaffte, zusammen
geflickte, eigene Gerechtigkeit, mit deren man die schändliche Blösse sei-
nes eigenen leblosen Zustandes vergebens suchet zu verbergen; Es gleisset
die Untugend, als eine schnöde Frucht der alten Natur, nur desto mehr
unter den Feigen-Blättern der Heucheley hervor. An statt des lebendi-
gen Glaubens, der die Seel warlich selig, und von der Höllen-Marter
der Affecten frey macht, ist ein eingebildeter Wahn, ein Hirn Gespünst,
ein eiteler Traum, so die Lüste nicht ertödtet und weder Heyl noch Sieg
schaffet; Da ist auch keine Gemeinschafft der Heiligen, keine innere
Handreichung des Gebetts und der Gaben des H. Geistes, sondern nur
ein äusseres an einander hangen, und burgerliche Verbindung in einem
todten Gebrauch des Worts und der H. Sacramenten, wie todte Rehen
am Weinstock und todte faule Glieder am Leib hangen; Ach da ist eine
heuchlerische Liebe, viele Höfflichkeit, welche die Christen-, Welt als einen
Mantel über den eigen Nutz und tausend Absichten hinwirfft, Weyh-
nacht und Oster-Freuden verschwinden wie der Morgen-Thau, vorbey
fliegende Andachten, heydnische Tugenden, die den Göttlichen Perlen-
Glantz des Liebe- und Glauben-Lebens JEsu wohl nicht haben.

Viele machens wie die Landstreicher, sie rühmen ihre falsche Waaren,
gebens vors beste aus, ihre Schein-Frommkeit muß ein Muster der Hei-

ligkeit
a Apoc. III. 17.

Betrachtungen
meinentheit allen ins geſamt und einem jeden ins beſondere rathen, JE-
ſum zu kauffen, es kaͤme euer Seelen fuͤrtrefflich wohl. Wie iſts? Wol-
let ihr JEſum haben, oder nicht?

Eines
manchen
betruͤgli-
che Ant-
wort.

§. 2. Ja, ſagt einer, es waͤre wohl elend beſtellt mit mir, wann ich
dieſe Perle nicht haͤtte; O ich habe nicht gewartet biß erſt jetzt, da feh-
lets nicht, ich bin GOtt lob! ſchon laͤngſt mit verſehen.

Ant. Freylich ſpricht mancher: Jch bin reich und bin reich worden, und
bedarff nichts; dem der H. Geiſt im Gewiſſen ſagt: Ach du weißt nicht,
daß du elend und jaͤmmerlich und arm und blind und nacket biſt a. Ach
dieſes iſt leyder gar eine allgemeine Vermeſſenheit, da alle ſagen, es ſte-
he wohl um ihre Seelen, es ſeye alles richtig, ſie ſeyen allezeit geruͤſt zur
Abfahrt, ſie haben ihren Frieden gemacht mit GOtt und haben JEſum
Tag und Nacht im Hertzen.

Beſchauet man aber die eingekaufften Waaren beym Sonnen-Liecht,
ſo iſts Holtz, Stoplen, gemahlete Glaͤſer, ſo ein an GOtt blinder, uner-
leuchteter Menſch vor gut anſiehet; an ſtatt des Lebendigen, alle Schlan-
gen Koͤpfe in dem Hertzen zertrettenden, und von allem Suͤnden Unrath
gruͤndlich reinigenden JEſu iſt da nichts als eine bettelhaffte, zuſammen
geflickte, eigene Gerechtigkeit, mit deren man die ſchaͤndliche Bloͤſſe ſei-
nes eigenen lebloſen Zuſtandes vergebens ſuchet zu verbergen; Es gleiſſet
die Untugend, als eine ſchnoͤde Frucht der alten Natur, nur deſto mehr
unter den Feigen-Blaͤttern der Heucheley hervor. An ſtatt des lebendi-
gen Glaubens, der die Seel warlich ſelig, und von der Hoͤllen-Marter
der Affecten frey macht, iſt ein eingebildeter Wahn, ein Hirn Geſpuͤnſt,
ein eiteler Traum, ſo die Luͤſte nicht ertoͤdtet und weder Heyl noch Sieg
ſchaffet; Da iſt auch keine Gemeinſchafft der Heiligen, keine innere
Handreichung des Gebetts und der Gaben des H. Geiſtes, ſondern nur
ein aͤuſſeres an einander hangen, und burgerliche Verbindung in einem
todten Gebrauch des Worts und der H. Sacramenten, wie todte Rehen
am Weinſtock und todte faule Glieder am Leib hangen; Ach da iſt eine
heuchleriſche Liebe, viele Hoͤfflichkeit, welche die Chriſten-, Welt als einen
Mantel uͤber den eigen Nutz und tauſend Abſichten hinwirfft, Weyh-
nacht und Oſter-Freuden verſchwinden wie der Morgen-Thau, vorbey
fliegende Andachten, heydniſche Tugenden, die den Goͤttlichen Perlen-
Glantz des Liebe- und Glauben-Lebens JEſu wohl nicht haben.

Viele machens wie die Landſtreicher, ſie ruͤhmen ihre falſche Waaren,
gebens vors beſte aus, ihre Schein-From̃keit muß ein Muſter der Hei-

ligkeit
a Apoc. III. 17.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0928" n="832"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Betrachtungen</hi></fw><lb/>
meinentheit allen ins ge&#x017F;amt und einem jeden ins be&#x017F;ondere rathen, JE-<lb/>
&#x017F;um zu kauffen, es ka&#x0364;me euer Seelen fu&#x0364;rtrefflich wohl. Wie i&#x017F;ts? Wol-<lb/>
let ihr JE&#x017F;um haben, oder nicht?</p><lb/>
          <note place="left">Eines<lb/>
manchen<lb/>
betru&#x0364;gli-<lb/>
che Ant-<lb/>
wort.</note>
          <p>§. 2. Ja, &#x017F;agt einer, es wa&#x0364;re wohl elend be&#x017F;tellt mit mir, wann ich<lb/>
die&#x017F;e Perle nicht ha&#x0364;tte; O ich habe nicht gewartet biß er&#x017F;t jetzt, da feh-<lb/>
lets nicht, ich bin GOtt lob! &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t mit ver&#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p>Ant. Freylich &#x017F;pricht mancher: Jch bin reich und bin reich worden, und<lb/>
bedarff nichts; dem der H. Gei&#x017F;t im Gewi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;agt: Ach du weißt nicht,<lb/>
daß du elend und ja&#x0364;mmerlich und arm und blind und nacket bi&#x017F;t <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Apoc. III.</hi> 17.</note>. Ach<lb/>
die&#x017F;es i&#x017F;t leyder gar eine allgemeine Verme&#x017F;&#x017F;enheit, da alle &#x017F;agen, es &#x017F;te-<lb/>
he wohl um ihre Seelen, es &#x017F;eye alles richtig, &#x017F;ie &#x017F;eyen allezeit geru&#x0364;&#x017F;t zur<lb/>
Abfahrt, &#x017F;ie haben ihren Frieden gemacht mit GOtt und haben JE&#x017F;um<lb/>
Tag und Nacht im Hertzen.</p><lb/>
          <p>Be&#x017F;chauet man aber die eingekaufften Waaren beym Sonnen-Liecht,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;ts Holtz, Stoplen, gemahlete Gla&#x0364;&#x017F;er, &#x017F;o ein an GOtt blinder, uner-<lb/>
leuchteter Men&#x017F;ch vor gut an&#x017F;iehet; an &#x017F;tatt des Lebendigen, alle Schlan-<lb/>
gen Ko&#x0364;pfe in dem Hertzen zertrettenden, und von allem Su&#x0364;nden Unrath<lb/>
gru&#x0364;ndlich reinigenden JE&#x017F;u i&#x017F;t da nichts als eine bettelhaffte, zu&#x017F;ammen<lb/>
geflickte, eigene Gerechtigkeit, mit deren man die &#x017F;cha&#x0364;ndliche Blo&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ei-<lb/>
nes eigenen leblo&#x017F;en Zu&#x017F;tandes vergebens &#x017F;uchet zu verbergen; Es glei&#x017F;&#x017F;et<lb/>
die Untugend, als eine &#x017F;chno&#x0364;de Frucht der alten Natur, nur de&#x017F;to mehr<lb/>
unter den Feigen-Bla&#x0364;ttern der Heucheley hervor. An &#x017F;tatt des lebendi-<lb/>
gen Glaubens, der die Seel warlich &#x017F;elig, und von der Ho&#x0364;llen-Marter<lb/>
der Affecten frey macht, i&#x017F;t ein eingebildeter Wahn, ein Hirn Ge&#x017F;pu&#x0364;n&#x017F;t,<lb/>
ein eiteler Traum, &#x017F;o die Lu&#x0364;&#x017F;te nicht erto&#x0364;dtet und weder Heyl noch Sieg<lb/>
&#x017F;chaffet; Da i&#x017F;t auch keine Gemein&#x017F;chafft der Heiligen, keine innere<lb/>
Handreichung des Gebetts und der Gaben des H. Gei&#x017F;tes, &#x017F;ondern nur<lb/>
ein a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;eres an einander hangen, und burgerliche Verbindung in einem<lb/>
todten Gebrauch des Worts und der H. Sacramenten, wie todte Rehen<lb/>
am Wein&#x017F;tock und todte faule Glieder am Leib hangen; Ach da i&#x017F;t eine<lb/>
heuchleri&#x017F;che Liebe, viele Ho&#x0364;fflichkeit, welche die Chri&#x017F;ten-, Welt als einen<lb/>
Mantel u&#x0364;ber den eigen Nutz und tau&#x017F;end Ab&#x017F;ichten hinwirfft, Weyh-<lb/>
nacht und O&#x017F;ter-Freuden ver&#x017F;chwinden wie der Morgen-Thau, vorbey<lb/>
fliegende Andachten, heydni&#x017F;che Tugenden, die den Go&#x0364;ttlichen Perlen-<lb/>
Glantz des Liebe- und Glauben-Lebens JE&#x017F;u wohl nicht haben.</p><lb/>
          <p>Viele machens wie die Land&#x017F;treicher, &#x017F;ie ru&#x0364;hmen ihre fal&#x017F;che Waaren,<lb/>
gebens vors be&#x017F;te aus, ihre Schein-From&#x0303;keit muß ein Mu&#x017F;ter der Hei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ligkeit</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[832/0928] Betrachtungen meinentheit allen ins geſamt und einem jeden ins beſondere rathen, JE- ſum zu kauffen, es kaͤme euer Seelen fuͤrtrefflich wohl. Wie iſts? Wol- let ihr JEſum haben, oder nicht? §. 2. Ja, ſagt einer, es waͤre wohl elend beſtellt mit mir, wann ich dieſe Perle nicht haͤtte; O ich habe nicht gewartet biß erſt jetzt, da feh- lets nicht, ich bin GOtt lob! ſchon laͤngſt mit verſehen. Ant. Freylich ſpricht mancher: Jch bin reich und bin reich worden, und bedarff nichts; dem der H. Geiſt im Gewiſſen ſagt: Ach du weißt nicht, daß du elend und jaͤmmerlich und arm und blind und nacket biſt a. Ach dieſes iſt leyder gar eine allgemeine Vermeſſenheit, da alle ſagen, es ſte- he wohl um ihre Seelen, es ſeye alles richtig, ſie ſeyen allezeit geruͤſt zur Abfahrt, ſie haben ihren Frieden gemacht mit GOtt und haben JEſum Tag und Nacht im Hertzen. Beſchauet man aber die eingekaufften Waaren beym Sonnen-Liecht, ſo iſts Holtz, Stoplen, gemahlete Glaͤſer, ſo ein an GOtt blinder, uner- leuchteter Menſch vor gut anſiehet; an ſtatt des Lebendigen, alle Schlan- gen Koͤpfe in dem Hertzen zertrettenden, und von allem Suͤnden Unrath gruͤndlich reinigenden JEſu iſt da nichts als eine bettelhaffte, zuſammen geflickte, eigene Gerechtigkeit, mit deren man die ſchaͤndliche Bloͤſſe ſei- nes eigenen lebloſen Zuſtandes vergebens ſuchet zu verbergen; Es gleiſſet die Untugend, als eine ſchnoͤde Frucht der alten Natur, nur deſto mehr unter den Feigen-Blaͤttern der Heucheley hervor. An ſtatt des lebendi- gen Glaubens, der die Seel warlich ſelig, und von der Hoͤllen-Marter der Affecten frey macht, iſt ein eingebildeter Wahn, ein Hirn Geſpuͤnſt, ein eiteler Traum, ſo die Luͤſte nicht ertoͤdtet und weder Heyl noch Sieg ſchaffet; Da iſt auch keine Gemeinſchafft der Heiligen, keine innere Handreichung des Gebetts und der Gaben des H. Geiſtes, ſondern nur ein aͤuſſeres an einander hangen, und burgerliche Verbindung in einem todten Gebrauch des Worts und der H. Sacramenten, wie todte Rehen am Weinſtock und todte faule Glieder am Leib hangen; Ach da iſt eine heuchleriſche Liebe, viele Hoͤfflichkeit, welche die Chriſten-, Welt als einen Mantel uͤber den eigen Nutz und tauſend Abſichten hinwirfft, Weyh- nacht und Oſter-Freuden verſchwinden wie der Morgen-Thau, vorbey fliegende Andachten, heydniſche Tugenden, die den Goͤttlichen Perlen- Glantz des Liebe- und Glauben-Lebens JEſu wohl nicht haben. Viele machens wie die Landſtreicher, ſie ruͤhmen ihre falſche Waaren, gebens vors beſte aus, ihre Schein-From̃keit muß ein Muſter der Hei- ligkeit a Apoc. III. 17.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/928
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 832. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/928>, abgerufen am 22.11.2024.