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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Betrachtungen
sen haben und vorlieb nehmen? Was ist unsinnigers als sein selbst ei-
gener Pharao und Fron-Vogt seyn, in Paßionen, Neigungen und
Gelüsten, wie ein Sclav in der Türckey, in Sodom und Aegypten?
Wer diese eiserne Sünden-Ketten mehr liebet als die Perlen-
Schnur von JESU Tugenden und Eigenschafften, verdienet der
nicht ewig unter Satans Macht in der Höllen-Nacht zu bleiben?
Jst nicht die Welt mit allen ihren Moden, Sitten und Gesetzen
das höllische Egypten, von dannen GOTT sein geistlich Jsrael mit
starcker Hand ausführt? Werden wir nicht als Sclaven, blinde,
unverständig, Krüppel, untüchtig zu allem Guten auf diese Welt
gebohren? Sind wir nicht hier wie in einer greulichen Wüsteney?
Wer kan uns zur Freyheit verhelffen? Wie können wir zum Leben
und geistlicher Gesundheit gelangen als vermittelst dieser Perl? Oder
wollen wir die Verklärung unserer Leiber am Tag der Aufferstehung
erwarten und die erste Aufferstehung aus dem Sünden Tod gering
achten, und sie aus der Krafft des gecreutzigten JESU als der tu-
gend-reichen Perl zu nemmen versaumen? wollen wir dem zukünfftigen
Zorn suchen zu entgehen auf keine andere Weise als wie es das Nat-
ter-Gezücht thut, nemlich in eigenliebiger Thorheit wünschen, daß
uns das unauslöschlich Feuer nicht brenne, und dennoch nicht unter-
lassen dasselbe alle Tag mit unsern Sünden anzuzünden? Eine solche
Begierd dem Zorn-Feur zu entrinnen wäre gottslästerlich; Dann
wer die Gemeinschafft JEsu geringer hält als Sünd und Welt,
und dennoch kein Theil haben will an der ewigen Pein, der begehret,
GOTT solle seine Weißheit, Wahrheit und Heiligkeit hindansetzen
und einen Verächter Christi und seines Heyls nimmer erfahren las-
sen, was es seye, das fleischliche Welt-Leben höher achten als die
Heiligung.

Wie billig
hingegen,
das Him-
melreich
vorzuzie-
hen.

§. 6. Sage mir doch was erwünschter und seeliger seyn könnte,
als selbst GOTTES Himmelreich zu seyn, daß GOTT in der
Seele und über sie herrsche, sie mit mit seinem Willen sättige, mit
seinem Bild begnadige, seine Güte und die Gaben seines eigenen
ewigen Geistes stets mittheile? Was kan doch majestätischers gefun-
den oder gesehen werden, als ein Hertz, das ein Thron ist des gros-
sen GOTTES, mit unsäglicher Lust und Durst erhitzet sich alles
innigst gefallen zu lassen, was GOTT zu thun gebeut oder zu leiden

auflegt,

Betrachtungen
ſen haben und vorlieb nehmen? Was iſt unſinnigers als ſein ſelbſt ei-
gener Pharao und Fron-Vogt ſeyn, in Paßionen, Neigungen und
Geluͤſten, wie ein Sclav in der Tuͤrckey, in Sodom und Aegypten?
Wer dieſe eiſerne Suͤnden-Ketten mehr liebet als die Perlen-
Schnur von JESU Tugenden und Eigenſchafften, verdienet der
nicht ewig unter Satans Macht in der Hoͤllen-Nacht zu bleiben?
Jſt nicht die Welt mit allen ihren Moden, Sitten und Geſetzen
das hoͤlliſche Egypten, von dannen GOTT ſein geiſtlich Jſrael mit
ſtarcker Hand ausfuͤhrt? Werden wir nicht als Sclaven, blinde,
unverſtaͤndig, Kruͤppel, untuͤchtig zu allem Guten auf dieſe Welt
gebohren? Sind wir nicht hier wie in einer greulichen Wuͤſteney?
Wer kan uns zur Freyheit verhelffen? Wie koͤnnen wir zum Leben
und geiſtlicher Geſundheit gelangen als vermittelſt dieſer Perl? Oder
wollen wir die Verklaͤrung unſerer Leiber am Tag der Aufferſtehung
erwarten und die erſte Aufferſtehung aus dem Suͤnden Tod gering
achten, und ſie aus der Krafft des gecreutzigten JESU als der tu-
gend-reichen Perl zu nemmen verſaumen? wollen wir dem zukuͤnfftigen
Zorn ſuchen zu entgehen auf keine andere Weiſe als wie es das Nat-
ter-Gezuͤcht thut, nemlich in eigenliebiger Thorheit wuͤnſchen, daß
uns das unausloͤſchlich Feuer nicht brenne, und dennoch nicht unter-
laſſen daſſelbe alle Tag mit unſern Suͤnden anzuzuͤnden? Eine ſolche
Begierd dem Zorn-Feur zu entrinnen waͤre gottslaͤſterlich; Dann
wer die Gemeinſchafft JEſu geringer haͤlt als Suͤnd und Welt,
und dennoch kein Theil haben will an der ewigen Pein, der begehret,
GOTT ſolle ſeine Weißheit, Wahrheit und Heiligkeit hindanſetzen
und einen Veraͤchter Chriſti und ſeines Heyls nimmer erfahren laſ-
ſen, was es ſeye, das fleiſchliche Welt-Leben hoͤher achten als die
Heiligung.

Wie billig
hingegen,
das Him-
melreich
vorzuzie-
hen.

§. 6. Sage mir doch was erwuͤnſchter und ſeeliger ſeyn koͤnnte,
als ſelbſt GOTTES Himmelreich zu ſeyn, daß GOTT in der
Seele und uͤber ſie herrſche, ſie mit mit ſeinem Willen ſaͤttige, mit
ſeinem Bild begnadige, ſeine Guͤte und die Gaben ſeines eigenen
ewigen Geiſtes ſtets mittheile? Was kan doch majeſtaͤtiſchers gefun-
den oder geſehen werden, als ein Hertz, das ein Thron iſt des groſ-
ſen GOTTES, mit unſaͤglicher Luſt und Durſt erhitzet ſich alles
innigſt gefallen zu laſſen, was GOTT zu thun gebeut oder zu leiden

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[864/0960] Betrachtungen ſen haben und vorlieb nehmen? Was iſt unſinnigers als ſein ſelbſt ei- gener Pharao und Fron-Vogt ſeyn, in Paßionen, Neigungen und Geluͤſten, wie ein Sclav in der Tuͤrckey, in Sodom und Aegypten? Wer dieſe eiſerne Suͤnden-Ketten mehr liebet als die Perlen- Schnur von JESU Tugenden und Eigenſchafften, verdienet der nicht ewig unter Satans Macht in der Hoͤllen-Nacht zu bleiben? Jſt nicht die Welt mit allen ihren Moden, Sitten und Geſetzen das hoͤlliſche Egypten, von dannen GOTT ſein geiſtlich Jſrael mit ſtarcker Hand ausfuͤhrt? Werden wir nicht als Sclaven, blinde, unverſtaͤndig, Kruͤppel, untuͤchtig zu allem Guten auf dieſe Welt gebohren? Sind wir nicht hier wie in einer greulichen Wuͤſteney? Wer kan uns zur Freyheit verhelffen? Wie koͤnnen wir zum Leben und geiſtlicher Geſundheit gelangen als vermittelſt dieſer Perl? Oder wollen wir die Verklaͤrung unſerer Leiber am Tag der Aufferſtehung erwarten und die erſte Aufferſtehung aus dem Suͤnden Tod gering achten, und ſie aus der Krafft des gecreutzigten JESU als der tu- gend-reichen Perl zu nemmen verſaumen? wollen wir dem zukuͤnfftigen Zorn ſuchen zu entgehen auf keine andere Weiſe als wie es das Nat- ter-Gezuͤcht thut, nemlich in eigenliebiger Thorheit wuͤnſchen, daß uns das unausloͤſchlich Feuer nicht brenne, und dennoch nicht unter- laſſen daſſelbe alle Tag mit unſern Suͤnden anzuzuͤnden? Eine ſolche Begierd dem Zorn-Feur zu entrinnen waͤre gottslaͤſterlich; Dann wer die Gemeinſchafft JEſu geringer haͤlt als Suͤnd und Welt, und dennoch kein Theil haben will an der ewigen Pein, der begehret, GOTT ſolle ſeine Weißheit, Wahrheit und Heiligkeit hindanſetzen und einen Veraͤchter Chriſti und ſeines Heyls nimmer erfahren laſ- ſen, was es ſeye, das fleiſchliche Welt-Leben hoͤher achten als die Heiligung. §. 6. Sage mir doch was erwuͤnſchter und ſeeliger ſeyn koͤnnte, als ſelbſt GOTTES Himmelreich zu ſeyn, daß GOTT in der Seele und uͤber ſie herrſche, ſie mit mit ſeinem Willen ſaͤttige, mit ſeinem Bild begnadige, ſeine Guͤte und die Gaben ſeines eigenen ewigen Geiſtes ſtets mittheile? Was kan doch majeſtaͤtiſchers gefun- den oder geſehen werden, als ein Hertz, das ein Thron iſt des groſ- ſen GOTTES, mit unſaͤglicher Luſt und Durſt erhitzet ſich alles innigſt gefallen zu laſſen, was GOTT zu thun gebeut oder zu leiden auflegt,

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 864. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/960>, abgerufen am 29.06.2024.