§. 3. Es redet also JESUS mit menschlicher Zung, nach derDas Wort, verkauf- fen, ist nicht in eigentli- chem Ver- stand zu nehmen. verderbten Natur Vorurtheil, Geschmack und Begriff, sintemahl diese alles ungöttliche und den Schatten der Vergänglichkeit in ih- rem Jrrthum gar vor was köstliches hält, und sich einbildet, sie thue was sonderliches, wo sie sich nicht mehr darum bekümmere, darbey ihr Hertzens-Begierde und Gemüths-Freudigkeit auf GOtt lege, zumahl dergleichen gehorsame Geschöpfe sehr dinn gesäet sind auf dem Erdboden; JESUS, der schmertzlich nach unser See- len Heyl dürstet, ist dermassen in sie verliebt, in seiner unersättli- chen Bekehrungs-Lust, daß er alle seine unergründliche Weißheit anwendet, selbe zu fahen, und dahin zu bringen, daß sie den Tod und Untergang meide, und ihr eigen, ewig Gutes erkenne und wäh- le; Jngleichem als eine fromme Mutter, deren Eingeweid von Erbarmung wallet und brauset, diese liebkoset ihr Kind, daß es sich butzen lasse, den grindigen Kopf reinigen, die Eyter-Geschwär säu- beren, schädliche, ungesunde, tödtliche Sachen und Oerter mei- den, aus den Händen werffen, und locket es zur Folgsamkeit mit vielen Gaben, und noch grösseren Verheissungen, daß das einfälti- ge Kind wohl meinen sollte, die Mutter seye ihm gar hoch verpflich- tet, daß es ihr freye Hand gelassen zu seiner Erhaltung, es freut sich auch eine Mutter viel inniger, wann ihr Kind was gifftiges von sich wirfft, als verehrte man ihr ein schön Präsent; So gern sie- het JESUS unser Schatz uns dasjenige verlaugnen, was die Mittheilung seiner vollkommenen Seeligkeit und Krafft und Lebens hinderet, daß ers nennet verkauffen, als geben wir ihm was vor- trefflichers, ja als wäre ihm seine schwere Arbeit und theur vergos- senes Blut, uns das unendlich Heyl zu erwerben, dardurch ersetzt, wann wir ihn unseren Hertzens-Gast aufnehmen, und sein Him- melreich nicht verschmähen, das erquickt sein liebreichstes Hertz so hoch, als hätten wir ihms abgekaufft und wohl bezahlt, deßhal- ben ers heisset kauffen; O Sonnen-reiches Hertz GOTTES! Das Paradieß mag wohl ein einöde Wüsten heissen gegen dir; Der ewige Liebes-GOTT krönet auch nichts in der Ewigkeit, als diese Liebe Jmmanuels, und was dieselbe selbst in unseren Hertzen würcket und hervor bringet zum Preise seines GOT-
TES;
uͤber die himmliſche Perle.
§. 3. Es redet alſo JESUS mit menſchlicher Zung, nach derDas Wort, verkauf- fen, iſt nicht in eigentli- chem Ver- ſtand zu nehmen. verderbten Natur Vorurtheil, Geſchmack und Begriff, ſintemahl dieſe alles ungoͤttliche und den Schatten der Vergaͤnglichkeit in ih- rem Jrrthum gar vor was koͤſtliches haͤlt, und ſich einbildet, ſie thue was ſonderliches, wo ſie ſich nicht mehr darum bekuͤmmere, darbey ihr Hertzens-Begierde und Gemuͤths-Freudigkeit auf GOtt lege, zumahl dergleichen gehorſame Geſchoͤpfe ſehr dinn geſaͤet ſind auf dem Erdboden; JESUS, der ſchmertzlich nach unſer See- len Heyl duͤrſtet, iſt dermaſſen in ſie verliebt, in ſeiner unerſaͤttli- chen Bekehrungs-Luſt, daß er alle ſeine unergruͤndliche Weißheit anwendet, ſelbe zu fahen, und dahin zu bringen, daß ſie den Tod und Untergang meide, und ihr eigen, ewig Gutes erkenne und waͤh- le; Jngleichem als eine fromme Mutter, deren Eingeweid von Erbarmung wallet und brauſet, dieſe liebkoſet ihr Kind, daß es ſich butzen laſſe, den grindigen Kopf reinigen, die Eyter-Geſchwaͤr ſaͤu- beren, ſchaͤdliche, ungeſunde, toͤdtliche Sachen und Oerter mei- den, aus den Haͤnden werffen, und locket es zur Folgſamkeit mit vielen Gaben, und noch groͤſſeren Verheiſſungen, daß das einfaͤlti- ge Kind wohl meinen ſollte, die Mutter ſeye ihm gar hoch verpflich- tet, daß es ihr freye Hand gelaſſen zu ſeiner Erhaltung, es freut ſich auch eine Mutter viel inniger, wann ihr Kind was gifftiges von ſich wirfft, als verehrte man ihr ein ſchoͤn Praͤſent; So gern ſie- het JESUS unſer Schatz uns dasjenige verlaugnen, was die Mittheilung ſeiner vollkommenen Seeligkeit und Krafft und Lebens hinderet, daß ers nennet verkauffen, als geben wir ihm was vor- trefflichers, ja als waͤre ihm ſeine ſchwere Arbeit und theur vergoſ- ſenes Blut, uns das unendlich Heyl zu erwerben, dardurch erſetzt, wann wir ihn unſeren Hertzens-Gaſt aufnehmen, und ſein Him- melreich nicht verſchmaͤhen, das erquickt ſein liebreichſtes Hertz ſo hoch, als haͤtten wir ihms abgekaufft und wohl bezahlt, deßhal- ben ers heiſſet kauffen; O Sonnen-reiches Hertz GOTTES! Das Paradieß mag wohl ein einoͤde Wuͤſten heiſſen gegen dir; Der ewige Liebes-GOTT kroͤnet auch nichts in der Ewigkeit, als dieſe Liebe Jmmanuels, und was dieſelbe ſelbſt in unſeren Hertzen wuͤrcket und hervor bringet zum Preiſe ſeines GOT-
TES;
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uͤber die himmliſche Perle.
§. 3. Es redet alſo JESUS mit menſchlicher Zung, nach der
verderbten Natur Vorurtheil, Geſchmack und Begriff, ſintemahl
dieſe alles ungoͤttliche und den Schatten der Vergaͤnglichkeit in ih-
rem Jrrthum gar vor was koͤſtliches haͤlt, und ſich einbildet, ſie
thue was ſonderliches, wo ſie ſich nicht mehr darum bekuͤmmere,
darbey ihr Hertzens-Begierde und Gemuͤths-Freudigkeit auf GOtt
lege, zumahl dergleichen gehorſame Geſchoͤpfe ſehr dinn geſaͤet ſind
auf dem Erdboden; JESUS, der ſchmertzlich nach unſer See-
len Heyl duͤrſtet, iſt dermaſſen in ſie verliebt, in ſeiner unerſaͤttli-
chen Bekehrungs-Luſt, daß er alle ſeine unergruͤndliche Weißheit
anwendet, ſelbe zu fahen, und dahin zu bringen, daß ſie den Tod
und Untergang meide, und ihr eigen, ewig Gutes erkenne und waͤh-
le; Jngleichem als eine fromme Mutter, deren Eingeweid von
Erbarmung wallet und brauſet, dieſe liebkoſet ihr Kind, daß es ſich
butzen laſſe, den grindigen Kopf reinigen, die Eyter-Geſchwaͤr ſaͤu-
beren, ſchaͤdliche, ungeſunde, toͤdtliche Sachen und Oerter mei-
den, aus den Haͤnden werffen, und locket es zur Folgſamkeit mit
vielen Gaben, und noch groͤſſeren Verheiſſungen, daß das einfaͤlti-
ge Kind wohl meinen ſollte, die Mutter ſeye ihm gar hoch verpflich-
tet, daß es ihr freye Hand gelaſſen zu ſeiner Erhaltung, es freut
ſich auch eine Mutter viel inniger, wann ihr Kind was gifftiges von
ſich wirfft, als verehrte man ihr ein ſchoͤn Praͤſent; So gern ſie-
het JESUS unſer Schatz uns dasjenige verlaugnen, was die
Mittheilung ſeiner vollkommenen Seeligkeit und Krafft und Lebens
hinderet, daß ers nennet verkauffen, als geben wir ihm was vor-
trefflichers, ja als waͤre ihm ſeine ſchwere Arbeit und theur vergoſ-
ſenes Blut, uns das unendlich Heyl zu erwerben, dardurch erſetzt,
wann wir ihn unſeren Hertzens-Gaſt aufnehmen, und ſein Him-
melreich nicht verſchmaͤhen, das erquickt ſein liebreichſtes Hertz ſo
hoch, als haͤtten wir ihms abgekaufft und wohl bezahlt, deßhal-
ben ers heiſſet kauffen; O Sonnen-reiches Hertz GOTTES!
Das Paradieß mag wohl ein einoͤde Wuͤſten heiſſen gegen dir;
Der ewige Liebes-GOTT kroͤnet auch nichts in der Ewigkeit,
als dieſe Liebe Jmmanuels, und was dieſelbe ſelbſt in unſeren
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 895. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/991>, abgerufen am 22.11.2024.
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