Ein Knäblein von vornehmen Geschlecht hö- rete, als es nur noch vier Jahr alt ware, sagen, daß JEsus aus grosser Liebe für uns arme Sün- der gestorben seye; wiewol es nun dieses Geheim- niß noch nicht verstunde, so dauchte ihns doch die- ses eine schöne Sache zu seyn, und schlosse daraus, es müsse JEsus wohl ein demüthig, freundlich, mohl-meynend und lieb-flammend Hertz haben über alle Maaß und Ziel; sobald es darum schrei- ben gelernet, gebrauchte es diese seine neue Wis- senschafft seinem Heyland kleine Brieflein und Zet- tel zu schreiben; diese pflegte es dann für das Fen- ster hinzulegen, und wannn der Wind sie etwa weggeblasen, oder ein anderer Zufall aufgehoben hatte, so hüpffete sein Hertzlein, in dem Wahn, daß ein Engel dieselbe hinweg in den Himmel ge- tragen und dem Heyland überbracht habe. Auf eine Zeit weinte es, da es in das Bett solte gethan werden, gar hefftig, und bate, daß es doch noch vorher ein paar Zeilen dem Heyland zuschreiben möchte, wiewol es damals um seines starcken Ei- genwillens willen mit Ruthen gestrichen ward.
3) Schöpffen Kinder aus denen honig-süssen Reden und Zusprüchen ihrer lieben Eltern für ihr Lebenlang ein gutes zuversichtliches Hertz zu JEsu.
4) Werden sie mit ihren Eltern dardurch in die Mitgenoßschafft aller Gütern des Himmelreichs hinein gezogen, den schönen Stamm-Baum ihres Geschlechts zu zieren, und aus der königlichen Wurtzel Davids in die Wette zuwachsen.
5) Wann endlich die Eltern selbst in der Ubung stehen, so können sie den Jhrigen mänchen vor-
theil-
H
der Verfuͤhrung der Jugend.
Ein Knaͤblein von vornehmen Geſchlecht hoͤ- rete, als es nur noch vier Jahr alt ware, ſagen, daß JEſus aus groſſer Liebe fuͤr uns arme Suͤn- der geſtorben ſeye; wiewol es nun dieſes Geheim- niß noch nicht verſtunde, ſo dauchte ihns doch die- ſes eine ſchoͤne Sache zu ſeyn, und ſchloſſe daraus, es muͤſſe JEſus wohl ein demuͤthig, freundlich, mohl-meynend und lieb-flammend Hertz haben uͤber alle Maaß und Ziel; ſobald es darum ſchrei- ben gelernet, gebrauchte es dieſe ſeine neue Wiſ- ſenſchafft ſeinem Heyland kleine Brieflein und Zet- tel zu ſchreiben; dieſe pflegte es dann fuͤr das Fen- ſter hinzulegen, und wannn der Wind ſie etwa weggeblaſen, oder ein anderer Zufall aufgehoben hatte, ſo huͤpffete ſein Hertzlein, in dem Wahn, daß ein Engel dieſelbe hinweg in den Himmel ge- tragen und dem Heyland uͤberbracht habe. Auf eine Zeit weinte es, da es in das Bett ſolte gethan werden, gar hefftig, und bate, daß es doch noch vorher ein paar Zeilen dem Heyland zuſchreiben moͤchte, wiewol es damals um ſeines ſtarcken Ei- genwillens willen mit Ruthen geſtrichen ward.
3) Schoͤpffen Kinder aus denen honig-ſuͤſſen Reden und Zuſpruͤchen ihrer lieben Eltern fuͤr ihr Lebenlang ein gutes zuverſichtliches Hertz zu JEſu.
4) Werden ſie mit ihren Eltern dardurch in die Mitgenoßſchafft aller Guͤtern des Himmelreichs hinein gezogen, den ſchoͤnen Stamm-Baum ihres Geſchlechts zu zieren, und aus der koͤniglichen Wurtzel Davids in die Wette zuwachſen.
5) Wann endlich die Eltern ſelbſt in der Ubung ſtehen, ſo koͤnnen ſie den Jhrigen maͤnchen vor-
theil-
H
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0131"n="113"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">der Verfuͤhrung der Jugend.</hi></fw><lb/><p>Ein <hirendition="#fr">Knaͤblein</hi> von vornehmen Geſchlecht hoͤ-<lb/>
rete, als es nur noch vier Jahr alt ware, ſagen,<lb/>
daß JEſus aus groſſer Liebe fuͤr uns arme Suͤn-<lb/>
der geſtorben ſeye; wiewol es nun dieſes Geheim-<lb/>
niß noch nicht verſtunde, ſo dauchte ihns doch die-<lb/>ſes eine ſchoͤne Sache zu ſeyn, und ſchloſſe daraus,<lb/>
es muͤſſe JEſus wohl ein demuͤthig, freundlich,<lb/>
mohl-meynend und lieb-flammend Hertz haben<lb/>
uͤber alle Maaß und Ziel; ſobald es darum ſchrei-<lb/>
ben gelernet, gebrauchte es dieſe ſeine neue Wiſ-<lb/>ſenſchafft ſeinem Heyland kleine Brieflein und Zet-<lb/>
tel zu ſchreiben; dieſe pflegte es dann fuͤr das Fen-<lb/>ſter hinzulegen, und wannn der Wind ſie etwa<lb/>
weggeblaſen, oder ein anderer Zufall aufgehoben<lb/>
hatte, ſo huͤpffete ſein Hertzlein, in dem Wahn,<lb/>
daß ein Engel dieſelbe hinweg in den Himmel ge-<lb/>
tragen und dem Heyland uͤberbracht habe. Auf<lb/>
eine Zeit weinte es, da es in das Bett ſolte gethan<lb/>
werden, gar hefftig, und bate, daß es doch noch<lb/>
vorher ein paar Zeilen dem Heyland zuſchreiben<lb/>
moͤchte, wiewol es damals um ſeines ſtarcken Ei-<lb/>
genwillens willen mit Ruthen geſtrichen ward.</p><lb/><p>3) Schoͤpffen Kinder aus denen honig-ſuͤſſen<lb/>
Reden und Zuſpruͤchen ihrer lieben Eltern fuͤr ihr<lb/>
Lebenlang ein gutes zuverſichtliches Hertz zu JEſu.</p><lb/><p>4) Werden ſie mit ihren Eltern dardurch in die<lb/>
Mitgenoßſchafft aller Guͤtern des Himmelreichs<lb/>
hinein gezogen, den ſchoͤnen Stamm-Baum ihres<lb/>
Geſchlechts zu zieren, und aus der koͤniglichen<lb/>
Wurtzel Davids in die Wette zuwachſen.</p><lb/><p>5) Wann endlich die Eltern ſelbſt in der Ubung<lb/>ſtehen, ſo koͤnnen ſie den Jhrigen maͤnchen vor-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">H</fw><fwplace="bottom"type="catch">theil-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[113/0131]
der Verfuͤhrung der Jugend.
Ein Knaͤblein von vornehmen Geſchlecht hoͤ-
rete, als es nur noch vier Jahr alt ware, ſagen,
daß JEſus aus groſſer Liebe fuͤr uns arme Suͤn-
der geſtorben ſeye; wiewol es nun dieſes Geheim-
niß noch nicht verſtunde, ſo dauchte ihns doch die-
ſes eine ſchoͤne Sache zu ſeyn, und ſchloſſe daraus,
es muͤſſe JEſus wohl ein demuͤthig, freundlich,
mohl-meynend und lieb-flammend Hertz haben
uͤber alle Maaß und Ziel; ſobald es darum ſchrei-
ben gelernet, gebrauchte es dieſe ſeine neue Wiſ-
ſenſchafft ſeinem Heyland kleine Brieflein und Zet-
tel zu ſchreiben; dieſe pflegte es dann fuͤr das Fen-
ſter hinzulegen, und wannn der Wind ſie etwa
weggeblaſen, oder ein anderer Zufall aufgehoben
hatte, ſo huͤpffete ſein Hertzlein, in dem Wahn,
daß ein Engel dieſelbe hinweg in den Himmel ge-
tragen und dem Heyland uͤberbracht habe. Auf
eine Zeit weinte es, da es in das Bett ſolte gethan
werden, gar hefftig, und bate, daß es doch noch
vorher ein paar Zeilen dem Heyland zuſchreiben
moͤchte, wiewol es damals um ſeines ſtarcken Ei-
genwillens willen mit Ruthen geſtrichen ward.
3) Schoͤpffen Kinder aus denen honig-ſuͤſſen
Reden und Zuſpruͤchen ihrer lieben Eltern fuͤr ihr
Lebenlang ein gutes zuverſichtliches Hertz zu JEſu.
4) Werden ſie mit ihren Eltern dardurch in die
Mitgenoßſchafft aller Guͤtern des Himmelreichs
hinein gezogen, den ſchoͤnen Stamm-Baum ihres
Geſchlechts zu zieren, und aus der koͤniglichen
Wurtzel Davids in die Wette zuwachſen.
5) Wann endlich die Eltern ſelbſt in der Ubung
ſtehen, ſo koͤnnen ſie den Jhrigen maͤnchen vor-
theil-
H
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/131>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.