mögen, so, wie JEsus sich darzu überaus geneigt bezeuget. Marc. 10, 14. Matth. 23, 37.
3) Mißgönnen Welt-gesinnte Eltern ihren ei- genen Kindern eine solch unvergleichliche Ehre und Herrlichkeit, und hausen mit ihnen so übel, daß kein Türck, Jud oder Heyd eine so barbarische That an den Seinen begehen kan. Oder wann der großmächtigste, leutseligste Monarch einem Vater sein Kind abforderte mit eigenhändig- schrifftlichem Versprechen, ihme sein hohes Glück zu machen; der Vater aber wolte nicht trauen, und dargegen den lieben Sohn einem Bettel-Hund (wie der Welt-Geist ist) übergeben, der ihn bisse und zuletzt gar verzehrete; welch eine Grausamkeit wäre dieses?
4) Was ist die Zeit zu rechnen gegen der Ewig- keit? So lang der Erdboden betreten wird, so dancket etwa noch der blinde Sohn seinem blinden Vater, und ist der Auferziehung halben zimlich wohl mit ihme zufrieden; aber in der finstern Zorn- Welt gehet über beydseitige Unsinnigkeit ein ewiges Verfluchen an.
5) Ziehen sie ein strenges Urtheil GOttes über sich Matth. 18, 6. und wird der unweise Vater (Mutter) noch genug wehklagen: "Ach mußte "ich dann meinem lieben Kind durch meinen ver- "kehrten Wege ein Führer zur Verdammniß seyn? "Ach mir Armen, daß ich mich von meiner fleisch- "lichen Vernunfft, verfinsterten Verstand und "Gutduncken meines Hertzens so jämmerlich ver- "blenden, und vom Strom des Welt-Lauffs in "allen eiteln Anschlägen so närrisch hinreissen las-
3) Mißgoͤnnen Welt-geſinnte Eltern ihren ei- genen Kindern eine ſolch unvergleichliche Ehre und Herrlichkeit, und hauſen mit ihnen ſo uͤbel, daß kein Tuͤrck, Jud oder Heyd eine ſo barbariſche That an den Seinen begehen kan. Oder wann der großmaͤchtigſte, leutſeligſte Monarch einem Vater ſein Kind abforderte mit eigenhaͤndig- ſchrifftlichem Verſprechen, ihme ſein hohes Gluͤck zu machen; der Vater aber wolte nicht trauen, und dargegen den lieben Sohn einem Bettel-Hund (wie der Welt-Geiſt iſt) uͤbergeben, der ihn biſſe und zuletzt gar verzehrete; welch eine Grauſamkeit waͤre dieſes?
4) Was iſt die Zeit zu rechnen gegen der Ewig- keit? So lang der Erdboden betreten wird, ſo dancket etwa noch der blinde Sohn ſeinem blinden Vater, und iſt der Auferziehung halben zimlich wohl mit ihme zufrieden; aber in der finſtern Zorn- Welt gehet uͤber beydſeitige Unſinnigkeit ein ewiges Verfluchen an.
5) Ziehen ſie ein ſtrenges Urtheil GOttes uͤber ſich Matth. 18, 6. und wird der unweiſe Vater (Mutter) noch genug wehklagen: „Ach mußte “ich dann meinem lieben Kind durch meinen ver- “kehrten Wege ein Fuͤhrer zur Verdammniß ſeyn? “Ach mir Armen, daß ich mich von meiner fleiſch- “lichen Vernunfft, verfinſterten Verſtand und “Gutduncken meines Hertzens ſo jaͤmmerlich ver- “blenden, und vom Strom des Welt-Lauffs in “allen eiteln Anſchlaͤgen ſo naͤrriſch hinreiſſen laſ-
ſen!
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Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden
moͤgen, ſo, wie JEſus ſich darzu uͤberaus geneigt
bezeuget. Marc. 10, 14. Matth. 23, 37.
3) Mißgoͤnnen Welt-geſinnte Eltern ihren ei-
genen Kindern eine ſolch unvergleichliche Ehre und
Herrlichkeit, und hauſen mit ihnen ſo uͤbel, daß
kein Tuͤrck, Jud oder Heyd eine ſo barbariſche
That an den Seinen begehen kan. Oder wann
der großmaͤchtigſte, leutſeligſte Monarch einem
Vater ſein Kind abforderte mit eigenhaͤndig-
ſchrifftlichem Verſprechen, ihme ſein hohes Gluͤck
zu machen; der Vater aber wolte nicht trauen,
und dargegen den lieben Sohn einem Bettel-Hund
(wie der Welt-Geiſt iſt) uͤbergeben, der ihn biſſe
und zuletzt gar verzehrete; welch eine Grauſamkeit
waͤre dieſes?
4) Was iſt die Zeit zu rechnen gegen der Ewig-
keit? So lang der Erdboden betreten wird, ſo
dancket etwa noch der blinde Sohn ſeinem blinden
Vater, und iſt der Auferziehung halben zimlich
wohl mit ihme zufrieden; aber in der finſtern Zorn-
Welt gehet uͤber beydſeitige Unſinnigkeit ein ewiges
Verfluchen an.
5) Ziehen ſie ein ſtrenges Urtheil GOttes uͤber
ſich Matth. 18, 6. und wird der unweiſe Vater
(Mutter) noch genug wehklagen: „Ach mußte
“ich dann meinem lieben Kind durch meinen ver-
“kehrten Wege ein Fuͤhrer zur Verdammniß ſeyn?
“Ach mir Armen, daß ich mich von meiner fleiſch-
“lichen Vernunfft, verfinſterten Verſtand und
“Gutduncken meines Hertzens ſo jaͤmmerlich ver-
“blenden, und vom Strom des Welt-Lauffs in
“allen eiteln Anſchlaͤgen ſo naͤrriſch hinreiſſen laſ-
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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/158>, abgerufen am 21.11.2024.
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