dencket, mag mit allem Recht ein Vor-Saal des Himmels, und die Kinder in derselbigen himmlische Fürsten-Kinder heissen.
§. 20.
Doch gehet es auch öffters widersinnisch und also zu, daß begnadigte Eltern zu ihrem bit- tersten Hertzenleid gantz gottlose Kinder ha- ben. Und dieses geschiehet etwa aus folgenden Ursachen:
1) Wann die Eltern nur durchs Gesetz von ei- nem groben Laster-Leben zuruck- und zum äusserlich-guten und guten Ubungen angehalten, aber noch nicht durch des Heylands Gnade, Blut und Geist von der Sünde frey gemachet, mithin das Evangelium ihnen noch nicht eine Krafft GOt- tes zur Seligkeit worden ist, deren Zuspruch folg- lich auch nicht weiter, als etwa, wann es noch wohl geräth, auf eine äusserlich-gesetzliche Fröm- migkeit gerichtet ist.
2) Wann die Eltern bey ihrem Zusprechen nur mit stürmendem Zorn die Sache ausrichten wollen, eben als ob ihre Worte allmächtige Schöpffer eines neuen Wesens und für sich selbst im Stande wären, die Kinder zu ändern und zum Himmel- reich tüchtig zu machen, welches doch die Heilige Schrifft eine Zauberey-Sünde nennet, da man nemlich gewissen Worten eine übernatürliche Krafft zuschreibet. Besser ist es seinen Kindern also zu- sprechen, daß man doch wenig darvon erwarte, und vielmehr die Bekehrung der Kindern als ein
Gött-
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der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.
dencket, mag mit allem Recht ein Vor-Saal des Himmels, und die Kinder in derſelbigen himmliſche Fuͤrſten-Kinder heiſſen.
§. 20.
Doch gehet es auch oͤffters widerſinniſch und alſo zu, daß begnadigte Eltern zu ihrem bit- terſten Hertzenleid gantz gottloſe Kinder ha- ben. Und dieſes geſchiehet etwa aus folgenden Urſachen:
1) Wann die Eltern nur durchs Geſetz von ei- nem groben Laſter-Leben zuruck- und zum aͤuſſerlich-guten und guten Ubungen angehalten, aber noch nicht durch des Heylands Gnade, Blut und Geiſt von der Suͤnde frey gemachet, mithin das Evangelium ihnen noch nicht eine Krafft GOt- tes zur Seligkeit worden iſt, deren Zuſpruch folg- lich auch nicht weiter, als etwa, wann es noch wohl geraͤth, auf eine aͤuſſerlich-geſetzliche Froͤm- migkeit gerichtet iſt.
2) Wann die Eltern bey ihrem Zuſprechen nur mit ſtuͤrmendem Zorn die Sache ausrichten wollen, eben als ob ihre Worte allmaͤchtige Schoͤpffer eines neuen Weſens und fuͤr ſich ſelbſt im Stande waͤren, die Kinder zu aͤndern und zum Himmel- reich tuͤchtig zu machen, welches doch die Heilige Schrifft eine Zauberey-Suͤnde nennet, da man nemlich gewiſſen Worten eine uͤbernatuͤrliche Krafft zuſchreibet. Beſſer iſt es ſeinen Kindern alſo zu- ſprechen, daß man doch wenig darvon erwarte, und vielmehr die Bekehrung der Kindern als ein
Goͤtt-
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der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.
dencket, mag mit allem Recht ein Vor-Saal des
Himmels, und die Kinder in derſelbigen himmliſche
Fuͤrſten-Kinder heiſſen.
§. 20.
Doch gehet es auch oͤffters widerſinniſch und
alſo zu, daß begnadigte Eltern zu ihrem bit-
terſten Hertzenleid gantz gottloſe Kinder ha-
ben. Und dieſes geſchiehet etwa aus folgenden
Urſachen:
1) Wann die Eltern nur durchs Geſetz von ei-
nem groben Laſter-Leben zuruck- und zum
aͤuſſerlich-guten und guten Ubungen angehalten,
aber noch nicht durch des Heylands Gnade, Blut
und Geiſt von der Suͤnde frey gemachet, mithin
das Evangelium ihnen noch nicht eine Krafft GOt-
tes zur Seligkeit worden iſt, deren Zuſpruch folg-
lich auch nicht weiter, als etwa, wann es noch
wohl geraͤth, auf eine aͤuſſerlich-geſetzliche Froͤm-
migkeit gerichtet iſt.
2) Wann die Eltern bey ihrem Zuſprechen nur
mit ſtuͤrmendem Zorn die Sache ausrichten wollen,
eben als ob ihre Worte allmaͤchtige Schoͤpffer
eines neuen Weſens und fuͤr ſich ſelbſt im Stande
waͤren, die Kinder zu aͤndern und zum Himmel-
reich tuͤchtig zu machen, welches doch die Heilige
Schrifft eine Zauberey-Suͤnde nennet, da man
nemlich gewiſſen Worten eine uͤbernatuͤrliche Krafft
zuſchreibet. Beſſer iſt es ſeinen Kindern alſo zu-
ſprechen, daß man doch wenig darvon erwarte,
und vielmehr die Bekehrung der Kindern als ein
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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/187>, abgerufen am 21.11.2024.
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