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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

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Cap. 2. Von Begehungs-Sünden
cken/ von welchem sie gefangen sind zu
seinem Willen.
2. Timoth. 2, 26. Joh. 12, 35. 36.
Keiner als ein Wahnsinniger zeucht den Schwein-
Trog einer königlichen Tafel vor.

6) Mercke, daß der Narren Rede den Stich nicht
hält. Oder wann sie itzt recht daran sind, war-
um führen sie dann auf dem Todten-Bett eine
gantz andere und mit ängstlichem Zagen begleitete
Sprache, wo nicht laut, weil sie sich schämen,
doch im Hertzen, so daß man es ihnen leicht an-
mercken kan? Wie ich dir dann dessen gar viele
Exempel sowol junger Knaben als Mägdlein aufüh-
ren könnte, die sehr ungern gestorben, und doch
ohne anders haben an den Reihen müssen, da es
etwa bey ihnen geheissen: "O hilff mir GOtt"
wieder auf! wie will ich glauben und Busse thun,"
nach dem Reich GOttes trachten und ein fromm,"
heilig und himmlisches Leben führen." Da sie
auch ihre noch lebende Geschwisterte betheuret, daß
sie doch auf Erden ihre Stelle vertreten und das
thun sollen, was sie versäumet, jetzt aber gerne ge-
than zu haben wünschten. Jch habe hingegen noch
von keinem jungen Knaben oder Mägdlein gehöret
oder gelesen, daß sie es bereuet hätten, JESUM
frühe geliebet, die Sünde zu hefftig gehasset, und
statt leichtfertigen Geschwätzes und Narrentheidi-
gung gebetet, gesungen, gelesen und den Sachen
des Himmelreichs nachgedacht zu haben. Dar-
um gehe du, mein Kind! den sichersten Weg,
und erwähle das, dessen du dich zuletzt auch er-
freuen kanst: Lasse die Welt plaudern, bis sie
ausgeplaudert, wie sie dann starck ihrem Ende ent-

gegen

Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden
cken/ von welchem ſie gefangen ſind zu
ſeinem Willen.
2. Timoth. 2, 26. Joh. 12, 35. 36.
Keiner als ein Wahnſinniger zeucht den Schwein-
Trog einer koͤniglichen Tafel vor.

6) Mercke, daß der Narren Rede den Stich nicht
haͤlt. Oder wann ſie itzt recht daran ſind, war-
um fuͤhren ſie dann auf dem Todten-Bett eine
gantz andere und mit aͤngſtlichem Zagen begleitete
Sprache, wo nicht laut, weil ſie ſich ſchaͤmen,
doch im Hertzen, ſo daß man es ihnen leicht an-
mercken kan? Wie ich dir dann deſſen gar viele
Exempel ſowol junger Knaben als Maͤgdlein aufuͤh-
ren koͤnnte, die ſehr ungern geſtorben, und doch
ohne anders haben an den Reihen muͤſſen, da es
etwa bey ihnen geheiſſen: „O hilff mir GOtt“
wieder auf! wie will ich glauben und Buſſe thun,“
nach dem Reich GOttes trachten und ein fromm,“
heilig und himmliſches Leben fuͤhren.‟ Da ſie
auch ihre noch lebende Geſchwiſterte betheuret, daß
ſie doch auf Erden ihre Stelle vertreten und das
thun ſollen, was ſie verſaͤumet, jetzt aber gerne ge-
than zu haben wuͤnſchten. Jch habe hingegen noch
von keinem jungen Knaben oder Maͤgdlein gehoͤret
oder geleſen, daß ſie es bereuet haͤtten, JESUM
fruͤhe geliebet, die Suͤnde zu hefftig gehaſſet, und
ſtatt leichtfertigen Geſchwaͤtzes und Narrentheidi-
gung gebetet, geſungen, geleſen und den Sachen
des Himmelreichs nachgedacht zu haben. Dar-
um gehe du, mein Kind! den ſicherſten Weg,
und erwaͤhle das, deſſen du dich zuletzt auch er-
freuen kanſt: Laſſe die Welt plaudern, bis ſie
ausgeplaudert, wie ſie dann ſtarck ihrem Ende ent-

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[178/0196] Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden cken/ von welchem ſie gefangen ſind zu ſeinem Willen. 2. Timoth. 2, 26. Joh. 12, 35. 36. Keiner als ein Wahnſinniger zeucht den Schwein- Trog einer koͤniglichen Tafel vor. 6) Mercke, daß der Narren Rede den Stich nicht haͤlt. Oder wann ſie itzt recht daran ſind, war- um fuͤhren ſie dann auf dem Todten-Bett eine gantz andere und mit aͤngſtlichem Zagen begleitete Sprache, wo nicht laut, weil ſie ſich ſchaͤmen, doch im Hertzen, ſo daß man es ihnen leicht an- mercken kan? Wie ich dir dann deſſen gar viele Exempel ſowol junger Knaben als Maͤgdlein aufuͤh- ren koͤnnte, die ſehr ungern geſtorben, und doch ohne anders haben an den Reihen muͤſſen, da es etwa bey ihnen geheiſſen: „O hilff mir GOtt“ wieder auf! wie will ich glauben und Buſſe thun,“ nach dem Reich GOttes trachten und ein fromm,“ heilig und himmliſches Leben fuͤhren.‟ Da ſie auch ihre noch lebende Geſchwiſterte betheuret, daß ſie doch auf Erden ihre Stelle vertreten und das thun ſollen, was ſie verſaͤumet, jetzt aber gerne ge- than zu haben wuͤnſchten. Jch habe hingegen noch von keinem jungen Knaben oder Maͤgdlein gehoͤret oder geleſen, daß ſie es bereuet haͤtten, JESUM fruͤhe geliebet, die Suͤnde zu hefftig gehaſſet, und ſtatt leichtfertigen Geſchwaͤtzes und Narrentheidi- gung gebetet, geſungen, geleſen und den Sachen des Himmelreichs nachgedacht zu haben. Dar- um gehe du, mein Kind! den ſicherſten Weg, und erwaͤhle das, deſſen du dich zuletzt auch er- freuen kanſt: Laſſe die Welt plaudern, bis ſie ausgeplaudert, wie ſie dann ſtarck ihrem Ende ent- gegen

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/196>, abgerufen am 11.05.2024.