Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 2. Von Begehungs-Sünden
nacket hanget, nur aus Liebe zu dir, und laß dich
reitzen ihme gleichförmig zu werden. Dencke bey
dir selbst: "Der aller englischen und menschlichen
"Aufwart-würdige HErr hat so wenig geruhet;
"und ich Sünder, will gleich murrisch werden, wann
"ich nur ein wenig in meiner Ruhe gestöret wird;
"sein Heil. Jungfräulicher Leib triefft vom Blut,
"und ich trete in Lust und Ruhe, in Gesundheit
"und schönen Kleidern so frech daher. Ach ich
"Sünden-Koth! wie lebe ich! ich will Christo
"doch auch etwas zu Willen werden; ich will der
"Gnade warten und nicht aufhören zu bitten, bis
"mir GOtt ein gutes Gebet aus Gnaden eingibt,
"daß die Armuth-leydende Liebe Christi bey mir
"erwarmen, mein Hertz in tiefer Reu zerfliessen,
"auch aus diesem Liebes-Sinn Christi gegen mir
"Krafft und Süßigkeit saugen möge." Oder
sage mir, mein liebes Kind! was hilfft dir Gold,
Silber, Kleinodien, Schau-Pfenninge, Kleider
auf die neueste Mode samt allen Gemächlichkeiten
der Erden? Ein Gifft ist es dir, und so fern ist
es, daß es zur Heiligung und Gesundheit deiner
Seelen was taugen solte, daß es dich vielmehr am
Hinaufsteigen gen Zion nicht wenig hindert, und
dein Hertz ins Thal Tophet hinunter drückt. Dei-
ne Natur ist so tief vergifftet, daß nichts im Him-
mel und auf Erden im Stand ist dich zu heilen,
es schicke dann GOtt seinen lieben Sohn dir zum
Trost und Heylmachung aus milder Liebe und Gü-
te. Warum woltest du dann dein Hertz an den
Reichthum hängen, und an diesem Vogel-Leim so
feste bekleiben, daß du von den Feinden jämmer-

lich

Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden
nacket hanget, nur aus Liebe zu dir, und laß dich
reitzen ihme gleichfoͤrmig zu werden. Dencke bey
dir ſelbſt: „Der aller engliſchen und menſchlichen
“Aufwart-wuͤrdige HErr hat ſo wenig geruhet;
“und ich Suͤnder, will gleich murriſch werden, wann
“ich nur ein wenig in meiner Ruhe geſtoͤret wird;
“ſein Heil. Jungfraͤulicher Leib triefft vom Blut,
“und ich trete in Luſt und Ruhe, in Geſundheit
“und ſchoͤnen Kleidern ſo frech daher. Ach ich
“Suͤnden-Koth! wie lebe ich! ich will Chriſto
“doch auch etwas zu Willen werden; ich will der
“Gnade warten und nicht aufhoͤren zu bitten, bis
“mir GOtt ein gutes Gebet aus Gnaden eingibt,
“daß die Armuth-leydende Liebe Chriſti bey mir
“erwarmen, mein Hertz in tiefer Reu zerflieſſen,
“auch aus dieſem Liebes-Sinn Chriſti gegen mir
“Krafft und Suͤßigkeit ſaugen moͤge.‟ Oder
ſage mir, mein liebes Kind! was hilfft dir Gold,
Silber, Kleinodien, Schau-Pfenninge, Kleider
auf die neueſte Mode ſamt allen Gemaͤchlichkeiten
der Erden? Ein Gifft iſt es dir, und ſo fern iſt
es, daß es zur Heiligung und Geſundheit deiner
Seelen was taugen ſolte, daß es dich vielmehr am
Hinaufſteigen gen Zion nicht wenig hindert, und
dein Hertz ins Thal Tophet hinunter druͤckt. Dei-
ne Natur iſt ſo tief vergifftet, daß nichts im Him-
mel und auf Erden im Stand iſt dich zu heilen,
es ſchicke dann GOtt ſeinen lieben Sohn dir zum
Troſt und Heylmachung aus milder Liebe und Guͤ-
te. Warum wolteſt du dann dein Hertz an den
Reichthum haͤngen, und an dieſem Vogel-Leim ſo
feſte bekleiben, daß du von den Feinden jaͤmmer-

lich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0224" n="206"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 2. Von Begehungs-Su&#x0364;nden</hi></fw><lb/>
nacket hanget, nur aus Liebe zu dir, und laß dich<lb/>
reitzen ihme gleichfo&#x0364;rmig zu werden. Dencke bey<lb/>
dir &#x017F;elb&#x017F;t: &#x201E;Der aller engli&#x017F;chen und men&#x017F;chlichen<lb/>
&#x201C;Aufwart-wu&#x0364;rdige HErr hat &#x017F;o wenig geruhet;<lb/>
&#x201C;und ich Su&#x0364;nder, will gleich murri&#x017F;ch werden, wann<lb/>
&#x201C;ich nur ein wenig in meiner Ruhe ge&#x017F;to&#x0364;ret wird;<lb/>
&#x201C;&#x017F;ein Heil. Jungfra&#x0364;ulicher Leib triefft vom Blut,<lb/>
&#x201C;und ich trete in Lu&#x017F;t und Ruhe, in Ge&#x017F;undheit<lb/>
&#x201C;und &#x017F;cho&#x0364;nen Kleidern &#x017F;o frech daher. Ach ich<lb/>
&#x201C;Su&#x0364;nden-Koth! wie lebe ich! ich will Chri&#x017F;to<lb/>
&#x201C;doch auch etwas zu Willen werden; ich will der<lb/>
&#x201C;Gnade warten und nicht aufho&#x0364;ren zu bitten, bis<lb/>
&#x201C;mir GOtt ein gutes Gebet aus Gnaden eingibt,<lb/>
&#x201C;daß die Armuth-leydende Liebe Chri&#x017F;ti bey mir<lb/>
&#x201C;erwarmen, mein Hertz in tiefer Reu zerflie&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x201C;auch aus die&#x017F;em Liebes-Sinn Chri&#x017F;ti gegen mir<lb/>
&#x201C;Krafft und Su&#x0364;ßigkeit &#x017F;augen mo&#x0364;ge.&#x201F; Oder<lb/>
&#x017F;age mir, mein liebes Kind! was hilfft dir Gold,<lb/>
Silber, Kleinodien, Schau-Pfenninge, Kleider<lb/>
auf die neue&#x017F;te Mode &#x017F;amt allen Gema&#x0364;chlichkeiten<lb/>
der Erden? Ein Gifft i&#x017F;t es dir, und &#x017F;o fern i&#x017F;t<lb/>
es, daß es zur Heiligung und Ge&#x017F;undheit deiner<lb/>
Seelen was taugen &#x017F;olte, daß es dich vielmehr am<lb/>
Hinauf&#x017F;teigen gen Zion nicht wenig hindert, und<lb/>
dein Hertz ins Thal Tophet hinunter dru&#x0364;ckt. Dei-<lb/>
ne Natur i&#x017F;t &#x017F;o tief vergifftet, daß nichts im Him-<lb/>
mel und auf Erden im Stand i&#x017F;t dich zu heilen,<lb/>
es &#x017F;chicke dann GOtt &#x017F;einen lieben Sohn dir zum<lb/>
Tro&#x017F;t und Heylmachung aus milder Liebe und Gu&#x0364;-<lb/>
te. Warum wolte&#x017F;t du dann dein Hertz an den<lb/>
Reichthum ha&#x0364;ngen, und an die&#x017F;em Vogel-Leim &#x017F;o<lb/>
fe&#x017F;te bekleiben, daß du von den Feinden ja&#x0364;mmer-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lich</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0224] Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden nacket hanget, nur aus Liebe zu dir, und laß dich reitzen ihme gleichfoͤrmig zu werden. Dencke bey dir ſelbſt: „Der aller engliſchen und menſchlichen “Aufwart-wuͤrdige HErr hat ſo wenig geruhet; “und ich Suͤnder, will gleich murriſch werden, wann “ich nur ein wenig in meiner Ruhe geſtoͤret wird; “ſein Heil. Jungfraͤulicher Leib triefft vom Blut, “und ich trete in Luſt und Ruhe, in Geſundheit “und ſchoͤnen Kleidern ſo frech daher. Ach ich “Suͤnden-Koth! wie lebe ich! ich will Chriſto “doch auch etwas zu Willen werden; ich will der “Gnade warten und nicht aufhoͤren zu bitten, bis “mir GOtt ein gutes Gebet aus Gnaden eingibt, “daß die Armuth-leydende Liebe Chriſti bey mir “erwarmen, mein Hertz in tiefer Reu zerflieſſen, “auch aus dieſem Liebes-Sinn Chriſti gegen mir “Krafft und Suͤßigkeit ſaugen moͤge.‟ Oder ſage mir, mein liebes Kind! was hilfft dir Gold, Silber, Kleinodien, Schau-Pfenninge, Kleider auf die neueſte Mode ſamt allen Gemaͤchlichkeiten der Erden? Ein Gifft iſt es dir, und ſo fern iſt es, daß es zur Heiligung und Geſundheit deiner Seelen was taugen ſolte, daß es dich vielmehr am Hinaufſteigen gen Zion nicht wenig hindert, und dein Hertz ins Thal Tophet hinunter druͤckt. Dei- ne Natur iſt ſo tief vergifftet, daß nichts im Him- mel und auf Erden im Stand iſt dich zu heilen, es ſchicke dann GOtt ſeinen lieben Sohn dir zum Troſt und Heylmachung aus milder Liebe und Guͤ- te. Warum wolteſt du dann dein Hertz an den Reichthum haͤngen, und an dieſem Vogel-Leim ſo feſte bekleiben, daß du von den Feinden jaͤmmer- lich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/224
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/224>, abgerufen am 25.11.2024.