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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

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Cap. 6. Die sechste Quelle
che Sachen hören und sehen, die im brünstigen
Geist der Göttlichen Liebe ausgesprochen werden.
Geschiehet es nur so gesetzlich, meisterhafft und
gebieterisch, oder nur kaltsinnig, weil man Amts
halben es thun muß, so empfangt das Kind da-
von weder Krafft noch Lust zum Göttlichen Wan-
del, schlägt im Gegentheil wohl offt im Verdruß
hinten aus; vielmehr muß die himmlische Lehre der
kostbaren Seele des Kindes als eine Zucker-Milch
aus den Liebes-Brüsten JEsu in zärtester Erbar-
mung eingeflösset werden, so wie es die Mutter
Jsaacs, Jacobs, Mosis, Salomons, Josiä,
Timothei u. s. w. gemachet hat. Es muß aber

2) Die gute Lehre auch durch täg-
liche Ubung verdollmetschet/
und gleich
als auf einem Kupffer-Blatt abgeschildert werden,
wann denen einfältigen Hertzlein nicht alles, was
man zu ihnen redet, welsch vorkommen solle, so
sie nicht verstehen; und wann sie es lebendig vor
sich sehen, wie es gemeynet seye, so gerathen sie
gar leicht auf die Gedancken, als ob es schon ge-
nug wäre, wann sie nur die Wörter behalten.
Will aber einer ein lebendiges Evangelium seyn,
so muß er selber im Glauben voll Blut des Lam-
mes, und mit dem Heiligen Geist erfüllet seyn;
sonst sind weder Worte noch Wercke hinlänglich,
um in denen Kindern eine so grosse Herrlichkeit aus-
zugebähren.

3) Weil das Hertz der Jugend von Natur
verschlossen ist, so daß sie nicht wissen, wie viel
am Evangelio gelegen, wie böse der Teuffel, wie
gifftig die Sünde, welche sich im gantzen Menschen

von

Cap. 6. Die ſechſte Quelle
che Sachen hoͤren und ſehen, die im bruͤnſtigen
Geiſt der Goͤttlichen Liebe ausgeſprochen werden.
Geſchiehet es nur ſo geſetzlich, meiſterhafft und
gebieteriſch, oder nur kaltſinnig, weil man Amts
halben es thun muß, ſo empfangt das Kind da-
von weder Krafft noch Luſt zum Goͤttlichen Wan-
del, ſchlaͤgt im Gegentheil wohl offt im Verdruß
hinten aus; vielmehr muß die himmliſche Lehre der
koſtbaren Seele des Kindes als eine Zucker-Milch
aus den Liebes-Bruͤſten JEſu in zaͤrteſter Erbar-
mung eingefloͤſſet werden, ſo wie es die Mutter
Jſaacs, Jacobs, Moſis, Salomons, Joſiaͤ,
Timothei u. ſ. w. gemachet hat. Es muß aber

2) Die gute Lehre auch durch taͤg-
liche Ubung verdollmetſchet/
und gleich
als auf einem Kupffer-Blatt abgeſchildert werden,
wann denen einfaͤltigen Hertzlein nicht alles, was
man zu ihnen redet, welſch vorkommen ſolle, ſo
ſie nicht verſtehen; und wann ſie es lebendig vor
ſich ſehen, wie es gemeynet ſeye, ſo gerathen ſie
gar leicht auf die Gedancken, als ob es ſchon ge-
nug waͤre, wann ſie nur die Woͤrter behalten.
Will aber einer ein lebendiges Evangelium ſeyn,
ſo muß er ſelber im Glauben voll Blut des Lam-
mes, und mit dem Heiligen Geiſt erfuͤllet ſeyn;
ſonſt ſind weder Worte noch Wercke hinlaͤnglich,
um in denen Kindern eine ſo groſſe Herrlichkeit aus-
zugebaͤhren.

3) Weil das Hertz der Jugend von Natur
verſchloſſen iſt, ſo daß ſie nicht wiſſen, wie viel
am Evangelio gelegen, wie boͤſe der Teuffel, wie
gifftig die Suͤnde, welche ſich im gantzen Menſchen

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[320/0338] Cap. 6. Die ſechſte Quelle che Sachen hoͤren und ſehen, die im bruͤnſtigen Geiſt der Goͤttlichen Liebe ausgeſprochen werden. Geſchiehet es nur ſo geſetzlich, meiſterhafft und gebieteriſch, oder nur kaltſinnig, weil man Amts halben es thun muß, ſo empfangt das Kind da- von weder Krafft noch Luſt zum Goͤttlichen Wan- del, ſchlaͤgt im Gegentheil wohl offt im Verdruß hinten aus; vielmehr muß die himmliſche Lehre der koſtbaren Seele des Kindes als eine Zucker-Milch aus den Liebes-Bruͤſten JEſu in zaͤrteſter Erbar- mung eingefloͤſſet werden, ſo wie es die Mutter Jſaacs, Jacobs, Moſis, Salomons, Joſiaͤ, Timothei u. ſ. w. gemachet hat. Es muß aber 2) Die gute Lehre auch durch taͤg- liche Ubung verdollmetſchet/ und gleich als auf einem Kupffer-Blatt abgeſchildert werden, wann denen einfaͤltigen Hertzlein nicht alles, was man zu ihnen redet, welſch vorkommen ſolle, ſo ſie nicht verſtehen; und wann ſie es lebendig vor ſich ſehen, wie es gemeynet ſeye, ſo gerathen ſie gar leicht auf die Gedancken, als ob es ſchon ge- nug waͤre, wann ſie nur die Woͤrter behalten. Will aber einer ein lebendiges Evangelium ſeyn, ſo muß er ſelber im Glauben voll Blut des Lam- mes, und mit dem Heiligen Geiſt erfuͤllet ſeyn; ſonſt ſind weder Worte noch Wercke hinlaͤnglich, um in denen Kindern eine ſo groſſe Herrlichkeit aus- zugebaͤhren. 3) Weil das Hertz der Jugend von Natur verſchloſſen iſt, ſo daß ſie nicht wiſſen, wie viel am Evangelio gelegen, wie boͤſe der Teuffel, wie gifftig die Suͤnde, welche ſich im gantzen Menſchen von

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/338>, abgerufen am 21.11.2024.