Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.Das 8. Cap. gefunden, bin desnahen sehr zornig über mich, daßich ein solch kalter Eis-Zapffe gegen JEsu bin. Eben aus dieser Ursach ermahne ich dich, liebes Kind, zu feuriger und beständiger Liebe deines JE- su, damit du seliglich ersetzest, was ich elendiglich und kläglich versäumet habe. Schmiege dich dann nahe zu deinem JEsu: Die Liebe ist gern nahe, und wie gut ists, daß dir GOtt bey Verlust dei- ner Seligkeit ein stetes Anhangen befiehlet und auf- erleget; hüpffe und springe, jauchze und singe frölich, daß dein GOtt dich so Hertz-inniglich lie- bet, daß er ohne dich gleichsam nicht seyn will. Einmahl, ich gestehe es, wann mir ein Mensch noch so lieb wäre, er wollte mir aber beständig an- kleben und immer um mich seyn, so würde ich sei- ner also müde und überdrüßig werden, daß ich ihn jenseits des Meers wünschen würde. O Abgrund der Liebe! Wie mag doch die Weisheit selber die Thoren, die Gerechtigkeit selber die Missethä- ter, die Heiligkeit selber so unreine Sünder, und der hohe und erhabene GOtt so armselige Leutlein von solch geringer Herkunfft um sich dulten, ja ihnen noch sich selbst und alles versprechen, wann sie bey ihm bleiben wollen? Wirst du demnach von Sünde, Fleisch, Welt, Teuffel, ja von deinem eigenen Hertzen angefochten, so macht dich dieses denen Feinden unüberwindlich, und du darffst nur deine Noth JEsu klagen, und sagen: "Ach GOTT! mein Hertz ist mein schlimmster "Feind, es will immer ausreissen, da ich am lieb- "sten bey meinem JEsu bliebe: Wer ists, der "mir in diesem Abgrund meines Elends helffe, als
Das 8. Cap. gefunden, bin desnahen ſehr zornig uͤber mich, daßich ein ſolch kalter Eis-Zapffe gegen JEſu bin. Eben aus dieſer Urſach ermahne ich dich, liebes Kind, zu feuriger und beſtaͤndiger Liebe deines JE- ſu, damit du ſeliglich erſetzeſt, was ich elendiglich und klaͤglich verſaͤumet habe. Schmiege dich dann nahe zu deinem JEſu: Die Liebe iſt gern nahe, und wie gut iſts, daß dir GOtt bey Verluſt dei- ner Seligkeit ein ſtetes Anhangen befiehlet und auf- erleget; huͤpffe und ſpringe, jauchze und ſinge froͤlich, daß dein GOtt dich ſo Hertz-inniglich lie- bet, daß er ohne dich gleichſam nicht ſeyn will. Einmahl, ich geſtehe es, wann mir ein Menſch noch ſo lieb waͤre, er wollte mir aber beſtaͤndig an- kleben und immer um mich ſeyn, ſo wuͤrde ich ſei- ner alſo muͤde und uͤberdruͤßig werden, daß ich ihn jenſeits des Meers wuͤnſchen wuͤrde. O Abgrund der Liebe! Wie mag doch die Weisheit ſelber die Thoren, die Gerechtigkeit ſelber die Miſſethaͤ- ter, die Heiligkeit ſelber ſo unreine Suͤnder, und der hohe und erhabene GOtt ſo armſelige Leutlein von ſolch geringer Herkunfft um ſich dulten, ja ihnen noch ſich ſelbſt und alles verſprechen, wann ſie bey ihm bleiben wollen? Wirſt du demnach von Suͤnde, Fleiſch, Welt, Teuffel, ja von deinem eigenen Hertzen angefochten, ſo macht dich dieſes denen Feinden unuͤberwindlich, und du darffſt nur deine Noth JEſu klagen, und ſagen: „Ach GOTT! mein Hertz iſt mein ſchlimmſter “Feind, es will immer ausreiſſen, da ich am lieb- “ſten bey meinem JEſu bliebe: Wer iſts, der “mir in dieſem Abgrund meines Elends helffe, als
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Das 8. Cap.
gefunden, bin desnahen ſehr zornig uͤber mich, daß
ich ein ſolch kalter Eis-Zapffe gegen JEſu bin.
Eben aus dieſer Urſach ermahne ich dich, liebes
Kind, zu feuriger und beſtaͤndiger Liebe deines JE-
ſu, damit du ſeliglich erſetzeſt, was ich elendiglich
und klaͤglich verſaͤumet habe. Schmiege dich dann
nahe zu deinem JEſu: Die Liebe iſt gern nahe,
und wie gut iſts, daß dir GOtt bey Verluſt dei-
ner Seligkeit ein ſtetes Anhangen befiehlet und auf-
erleget; huͤpffe und ſpringe, jauchze und ſinge
froͤlich, daß dein GOtt dich ſo Hertz-inniglich lie-
bet, daß er ohne dich gleichſam nicht ſeyn will.
Einmahl, ich geſtehe es, wann mir ein Menſch
noch ſo lieb waͤre, er wollte mir aber beſtaͤndig an-
kleben und immer um mich ſeyn, ſo wuͤrde ich ſei-
ner alſo muͤde und uͤberdruͤßig werden, daß ich ihn
jenſeits des Meers wuͤnſchen wuͤrde. O Abgrund
der Liebe! Wie mag doch die Weisheit ſelber
die Thoren, die Gerechtigkeit ſelber die Miſſethaͤ-
ter, die Heiligkeit ſelber ſo unreine Suͤnder, und
der hohe und erhabene GOtt ſo armſelige Leutlein
von ſolch geringer Herkunfft um ſich dulten, ja
ihnen noch ſich ſelbſt und alles verſprechen, wann
ſie bey ihm bleiben wollen? Wirſt du demnach
von Suͤnde, Fleiſch, Welt, Teuffel, ja von
deinem eigenen Hertzen angefochten, ſo macht
dich dieſes denen Feinden unuͤberwindlich, und du
darffſt nur deine Noth JEſu klagen, und ſagen:
„Ach GOTT! mein Hertz iſt mein ſchlimmſter
“Feind, es will immer ausreiſſen, da ich am lieb-
“ſten bey meinem JEſu bliebe: Wer iſts, der
“mir in dieſem Abgrund meines Elends helffe,
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