Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Gebet einer Wittwen
verächtlich machen. O du Schöpfer des neuen
Himmels und der neuen Erden! Mache meine elen-
de Kinder zu safftigen Zweigen/ daß so offt du in
unsere Stuben trittest/ du deine Hertzens-Lust an
ihnen habest/ sie benedeyest/ wann du sie beschauest/
wie sie voll paradiesischen Saffts/ voll himmlischen
Freuden-Oels grünen/ blühen und fruchten/ wenig-
stens Knospen gewinnen. HErr JEsu/ zartester
Liebhaber der Jugend! ich bin zu schwach/ meine
Kinder vor aller verführischen Gesellschafft und den
mannigfaltigen Aergernissen der Welt zu verhüten;
ich nehme heut Himmel und Erden zu Zeugen/ daß
ich sie dir habe anvertraut; was mein ist/ das ist
dein/ und was dein ist/ das ist mein. Wilt du dich
meiner Kindern nicht annehmen/ so zeige mir je-
manden anders an/ bey dem sie besser versorgt seyen/
als bey dir; aber du selber weist niemand; darum
will ich nicht ab diesem Platz/ bis du mir in die
Hand versprichst/ du wollest auch meiner Kindern
GOtt seyn/ wie du mein GOtt bis dahin gewesen
bist. Erscheine auch ihnen/ O du GOtt der Herr-
lichkeit! und bringe sie hinüber zu dir ins Land/ da
deine Gnade in demüthigen Hertzen/ wie ein klarer
Bach rinnet; da die Hügel vom rothen Most dei-
nes Liebe-Bluts fliessen/ und die edlen Früchte al-
ler göttlichen Tugenden deines Geistes zu haben
sind. Allsehender/ allwissender und allgegenwärti-
ger GOtt und Aufseher der Menschen-Kinder!
Stecke das Senf-Körnlein des reinigenden/ Welt-
überwindenden/ seligmachenden Glaubens ihnen
ins Hertz; sie habens nicht/ sonst würde ich dirs
nicht für sie heischen/ auch wissen sie dessen Kostbar-
keit und hohe Nothwendigkeit nicht/ noch den Weg/
dieses Kleinod zu erlangen: Wilt du sie nach dei-
nem Sinn haben zu deinem Vermögen/ so must du
warhafftig alles selber in ihnen schaffen. Wann
ich im Vermögen wäre/ ich wolte meine elende
dürfftige Kinder alle voll Glaubens und Heiligen
Geistes machen/ und mich selbst auch zugleich mit;
ich wolte sie voll stopffen mit süsser Zuversicht zu
dir. Und was bin ich arme, sündhaffte alberne

Witt-

Gebet einer Wittwen
veraͤchtlich machen. O du Schoͤpfer des neuen
Himmels und der neuen Erden! Mache meine elen-
de Kinder zu ſafftigen Zweigen/ daß ſo offt du in
unſere Stuben tritteſt/ du deine Hertzens-Luſt an
ihnen habeſt/ ſie benedeyeſt/ wann du ſie beſchaueſt/
wie ſie voll paradieſiſchen Saffts/ voll himmliſchen
Freuden-Oels gruͤnen/ bluͤhen und fruchten/ wenig-
ſtens Knoſpen gewinnen. HErr JEſu/ zarteſter
Liebhaber der Jugend! ich bin zu ſchwach/ meine
Kinder vor aller verfuͤhriſchen Geſellſchafft und den
mannigfaltigen Aergerniſſen der Welt zu verhuͤten;
ich nehme heut Himmel und Erden zu Zeugen/ daß
ich ſie dir habe anvertraut; was mein iſt/ das iſt
dein/ und was dein iſt/ das iſt mein. Wilt du dich
meiner Kindern nicht annehmen/ ſo zeige mir je-
manden anders an/ bey dem ſie beſſer verſorgt ſeyen/
als bey dir; aber du ſelber weiſt niemand; darum
will ich nicht ab dieſem Platz/ bis du mir in die
Hand verſprichſt/ du wolleſt auch meiner Kindern
GOtt ſeyn/ wie du mein GOtt bis dahin geweſen
biſt. Erſcheine auch ihnen/ O du GOtt der Herr-
lichkeit! und bringe ſie hinuͤber zu dir ins Land/ da
deine Gnade in demuͤthigen Hertzen/ wie ein klarer
Bach rinnet; da die Huͤgel vom rothen Moſt dei-
nes Liebe-Bluts flieſſen/ und die edlen Fruͤchte al-
ler goͤttlichen Tugenden deines Geiſtes zu haben
ſind. Allſehender/ allwiſſender und allgegenwaͤrti-
ger GOtt und Aufſeher der Menſchen-Kinder!
Stecke das Senf-Koͤrnlein des reinigenden/ Welt-
uͤberwindenden/ ſeligmachenden Glaubens ihnen
ins Hertz; ſie habens nicht/ ſonſt wuͤrde ich dirs
nicht fuͤr ſie heiſchen/ auch wiſſen ſie deſſen Koſtbar-
keit und hohe Nothwendigkeit nicht/ noch den Weg/
dieſes Kleinod zu erlangen: Wilt du ſie nach dei-
nem Sinn haben zu deinem Vermoͤgen/ ſo muſt du
warhafftig alles ſelber in ihnen ſchaffen. Wann
ich im Vermoͤgen waͤre/ ich wolte meine elende
duͤrfftige Kinder alle voll Glaubens und Heiligen
Geiſtes machen/ und mich ſelbſt auch zugleich mit;
ich wolte ſie voll ſtopffen mit ſuͤſſer Zuverſicht zu
dir. Und was bin ich arme, ſuͤndhaffte alberne

Witt-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0464" n="446"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Gebet einer Wittwen</hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">vera&#x0364;chtlich machen. O du Scho&#x0364;pfer des neuen<lb/>
Himmels und der neuen Erden! Mache meine elen-<lb/>
de Kinder zu &#x017F;afftigen Zweigen/ daß &#x017F;o offt du in<lb/>
un&#x017F;ere Stuben tritte&#x017F;t/ du deine Hertzens-Lu&#x017F;t an<lb/>
ihnen habe&#x017F;t/ &#x017F;ie benedeye&#x017F;t/ wann du &#x017F;ie be&#x017F;chaue&#x017F;t/<lb/>
wie &#x017F;ie voll paradie&#x017F;i&#x017F;chen Saffts/ voll himmli&#x017F;chen<lb/>
Freuden-Oels gru&#x0364;nen/ blu&#x0364;hen und fruchten/ wenig-<lb/>
&#x017F;tens Kno&#x017F;pen gewinnen. HErr JE&#x017F;u/ zarte&#x017F;ter<lb/>
Liebhaber der Jugend! ich bin zu &#x017F;chwach/ meine<lb/>
Kinder vor aller verfu&#x0364;hri&#x017F;chen Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft und den<lb/>
mannigfaltigen Aergerni&#x017F;&#x017F;en der Welt zu verhu&#x0364;ten;<lb/>
ich nehme heut Himmel und Erden zu Zeugen/ daß<lb/>
ich &#x017F;ie dir habe anvertraut; was mein i&#x017F;t/ das i&#x017F;t<lb/>
dein/ und was dein i&#x017F;t/ das i&#x017F;t mein. Wilt du dich<lb/>
meiner Kindern nicht annehmen/ &#x017F;o zeige mir je-<lb/>
manden anders an/ bey dem &#x017F;ie be&#x017F;&#x017F;er ver&#x017F;orgt &#x017F;eyen/<lb/>
als bey dir; aber du &#x017F;elber wei&#x017F;t niemand; darum<lb/>
will ich nicht ab die&#x017F;em Platz/ bis du mir in die<lb/>
Hand ver&#x017F;prich&#x017F;t/ du wolle&#x017F;t auch meiner Kindern<lb/>
GOtt &#x017F;eyn/ wie du mein GOtt bis dahin gewe&#x017F;en<lb/>
bi&#x017F;t. Er&#x017F;cheine auch ihnen/ O du GOtt der Herr-<lb/>
lichkeit! und bringe &#x017F;ie hinu&#x0364;ber zu dir ins Land/ da<lb/>
deine Gnade in demu&#x0364;thigen Hertzen/ wie ein klarer<lb/>
Bach rinnet; da die Hu&#x0364;gel vom rothen Mo&#x017F;t dei-<lb/>
nes Liebe-Bluts flie&#x017F;&#x017F;en/ und die edlen Fru&#x0364;chte al-<lb/>
ler go&#x0364;ttlichen Tugenden deines Gei&#x017F;tes zu haben<lb/>
&#x017F;ind. All&#x017F;ehender/ allwi&#x017F;&#x017F;ender und allgegenwa&#x0364;rti-<lb/>
ger GOtt und Auf&#x017F;eher der Men&#x017F;chen-Kinder!<lb/>
Stecke das Senf-Ko&#x0364;rnlein des reinigenden/ Welt-<lb/>
u&#x0364;berwindenden/ &#x017F;eligmachenden Glaubens ihnen<lb/>
ins Hertz; &#x017F;ie habens nicht/ &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;rde ich dirs<lb/>
nicht fu&#x0364;r &#x017F;ie hei&#x017F;chen/ auch wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie de&#x017F;&#x017F;en Ko&#x017F;tbar-<lb/>
keit und hohe Nothwendigkeit nicht/ noch den Weg/<lb/>
die&#x017F;es Kleinod zu erlangen: Wilt du &#x017F;ie nach dei-<lb/>
nem Sinn haben zu deinem Vermo&#x0364;gen/ &#x017F;o mu&#x017F;t du<lb/>
warhafftig alles &#x017F;elber in ihnen &#x017F;chaffen. Wann<lb/>
ich im Vermo&#x0364;gen wa&#x0364;re/ ich wolte meine elende<lb/>
du&#x0364;rfftige Kinder alle voll Glaubens und Heiligen<lb/>
Gei&#x017F;tes machen/ und mich &#x017F;elb&#x017F;t auch zugleich mit;<lb/>
ich wolte &#x017F;ie voll &#x017F;topffen mit &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Zuver&#x017F;icht zu<lb/>
dir. Und was bin ich arme, &#x017F;u&#x0364;ndhaffte alberne</hi><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Witt-</hi> </fw><lb/>
          </p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[446/0464] Gebet einer Wittwen veraͤchtlich machen. O du Schoͤpfer des neuen Himmels und der neuen Erden! Mache meine elen- de Kinder zu ſafftigen Zweigen/ daß ſo offt du in unſere Stuben tritteſt/ du deine Hertzens-Luſt an ihnen habeſt/ ſie benedeyeſt/ wann du ſie beſchaueſt/ wie ſie voll paradieſiſchen Saffts/ voll himmliſchen Freuden-Oels gruͤnen/ bluͤhen und fruchten/ wenig- ſtens Knoſpen gewinnen. HErr JEſu/ zarteſter Liebhaber der Jugend! ich bin zu ſchwach/ meine Kinder vor aller verfuͤhriſchen Geſellſchafft und den mannigfaltigen Aergerniſſen der Welt zu verhuͤten; ich nehme heut Himmel und Erden zu Zeugen/ daß ich ſie dir habe anvertraut; was mein iſt/ das iſt dein/ und was dein iſt/ das iſt mein. Wilt du dich meiner Kindern nicht annehmen/ ſo zeige mir je- manden anders an/ bey dem ſie beſſer verſorgt ſeyen/ als bey dir; aber du ſelber weiſt niemand; darum will ich nicht ab dieſem Platz/ bis du mir in die Hand verſprichſt/ du wolleſt auch meiner Kindern GOtt ſeyn/ wie du mein GOtt bis dahin geweſen biſt. Erſcheine auch ihnen/ O du GOtt der Herr- lichkeit! und bringe ſie hinuͤber zu dir ins Land/ da deine Gnade in demuͤthigen Hertzen/ wie ein klarer Bach rinnet; da die Huͤgel vom rothen Moſt dei- nes Liebe-Bluts flieſſen/ und die edlen Fruͤchte al- ler goͤttlichen Tugenden deines Geiſtes zu haben ſind. Allſehender/ allwiſſender und allgegenwaͤrti- ger GOtt und Aufſeher der Menſchen-Kinder! Stecke das Senf-Koͤrnlein des reinigenden/ Welt- uͤberwindenden/ ſeligmachenden Glaubens ihnen ins Hertz; ſie habens nicht/ ſonſt wuͤrde ich dirs nicht fuͤr ſie heiſchen/ auch wiſſen ſie deſſen Koſtbar- keit und hohe Nothwendigkeit nicht/ noch den Weg/ dieſes Kleinod zu erlangen: Wilt du ſie nach dei- nem Sinn haben zu deinem Vermoͤgen/ ſo muſt du warhafftig alles ſelber in ihnen ſchaffen. Wann ich im Vermoͤgen waͤre/ ich wolte meine elende duͤrfftige Kinder alle voll Glaubens und Heiligen Geiſtes machen/ und mich ſelbſt auch zugleich mit; ich wolte ſie voll ſtopffen mit ſuͤſſer Zuverſicht zu dir. Und was bin ich arme, ſuͤndhaffte alberne Witt-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/464
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/464>, abgerufen am 21.11.2024.