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Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756.

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Ungarn
reicher zu werden angefangen, in-
dem aus dem deutschen Reiche, und
zwar meistens aus Schwaben und
den am Rheinstrome gelegenen Län-
dern, sehr viele Tausende, theils
einzeln, theils Familienweise, sich
mit allen ihren Habseligkeiten dahin
begeben haben. Dergleichen auch
in den Jahren 1751. und 1752. eine
Menge lothringer Familien gethan.
Die Walachen, oder Olachen, so
neben Siebenbürgen und der Wa-
lachey wohnen, sind allem Ansehen
nach Ueberbleibsel der Römer aus
Dacien. Zu den Fremdlingen in
Ungarn gehören die Griechen, wel-
che der Handel veranlasset hat, hie-
her zu kommen; die Juden, deren
Anzahl hieselbst ehemals weit größer
war, als sie itzt ist, siehe Jude.
Die Türken und die Zigeuner,
welches herumschweifenden Volks
Ursprung ungewiß ist. Aus obigem
erhellet, daß die Einwohner von
verschiedener Gemüthsart seyn müs-
sen; doch hat das gemeinschaftli-
che Verkehr sie einander sehr ähn-
lich gemacht. Es giebt in Ungarn
(10) vier Hauptsprachen: die un-
garische Sprache,
welche die Mut-
tersprache der eigentlichen Ungarn
ist, ist scythischen Ursprungs, und
hat weder irgend eine Verwandt-
schaft mit andern europäischen Spra-
chen, noch eine verschiedene Mund-
art. Jm Schreiben bedienen sich
die Ungarn der lateinischen Buch-
staben. Die deutsche Sprache
hat hieselbst nach der Verschieden-
heit der deutschen Nationen auch
verschiedene Mundarten. Die sla-
vonische Sprache
wird nach der
Anzahl der Nationen in die böhmi-
sche, croatische, wendische, raitzi-
sche, und rußische abgetheilet. Die
walachische Sprache ist mit der
italienischen verwandt, und aus
Vermischung der lateinischen und
slavonischen entstanden. Hiernächst
wird die lateinische Sprache nicht
[Spaltenumbruch]
Ungarn
nur von den Gelehrten und vorneh-
men Leuten; sondern auch wol von
dem gemeinen Pöbel; von dem letz-
ten aber sehr schlecht, geredet. Die
Sprache der Zigeuner ist aus wa-
lachischen, slavischen, ungarischen
und anderer Nationen verdorbenen
Worten zusammen gesetzt. Der
Adel legt sich auf das Studieren,
den Krieg, die Jagd, und die Haus-
haltung. Die Bürger befleißigen
sich Handwerker, Künste, und (11)
Handlung; letztere aber haben die
Griechen fast ganz an sich gezogen.
Man führet aus Ungarn Wein,
Safran, Oel, Metalle, Minera-
lien, Vieh, Leder, Wolle, Talch,
Honig und Wachs; hingegen wer-
den Gewürze, Zinn, Seide, und
andere auswärtige Sachen, wieder
eingeführet. Ungarn hat auch un-
terschiedene (12) Jahrmärkte, un-
ter welchen vornehmlich die preß-
burger, ödenburger, raaber, und
comorrer bekannt sind, die mehren-
theils von Wien aus mit den benö-
thigten Waaren versorget werden.
Die (13) Geldsorten, so in Ungarn
gewöhnlich, sind: ein Heller, (Bab-
ka,) ein Ungrisch, (Penz Kra-
lovßky,) so in Oberungarn der
sechste, und in Niederungarn der
fünfte Theil eines Groschen, und
der hunderte Theil eines rheinischen
Gulden ist; ein Gröschel, (Pataz,)
so der vierte Theil eines Groschen
ist; ein Kreuzer, (Kraytzar,) so
eine deutsche Münze, der dritte
Theil eines Groschen, und der
sechszigste Theil eines rheinischen
Gulden ist; Pulgrotz, (Poltura,)
so ein halber Groschen und der vier-
zigste Theil eines Gulden ist; ein
Grosche, (Garas,) der in Ober-
ungarn 6, in Niederungarn aber
5 Ungrisch gilt, und der zwanzigste
Theil eines Gulden ist; ein Sieb-
ner,
(Hetes, Szedmack,) gilt 7
Kreuzer; ein Siebenzehner, (Sesz-
tak, Mariaß,) gilt 17 Kreuzer; ein

balber
Q 5

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Ungarn
reicher zu werden angefangen, in-
dem aus dem deutſchen Reiche, und
zwar meiſtens aus Schwaben und
den am Rheinſtrome gelegenen Laͤn-
dern, ſehr viele Tauſende, theils
einzeln, theils Familienweiſe, ſich
mit allen ihren Habſeligkeiten dahin
begeben haben. Dergleichen auch
in den Jahren 1751. und 1752. eine
Menge lothringer Familien gethan.
Die Walachen, oder Olachen, ſo
neben Siebenbuͤrgen und der Wa-
lachey wohnen, ſind allem Anſehen
nach Ueberbleibſel der Roͤmer aus
Dacien. Zu den Fremdlingen in
Ungarn gehoͤren die Griechen, wel-
che der Handel veranlaſſet hat, hie-
her zu kommen; die Juden, deren
Anzahl hieſelbſt ehemals weit groͤßer
war, als ſie itzt iſt, ſiehe Jude.
Die Tuͤrken und die Zigeuner,
welches herumſchweifenden Volks
Urſprung ungewiß iſt. Aus obigem
erhellet, daß die Einwohner von
verſchiedener Gemuͤthsart ſeyn muͤſ-
ſen; doch hat das gemeinſchaftli-
che Verkehr ſie einander ſehr aͤhn-
lich gemacht. Es giebt in Ungarn
(10) vier Hauptſprachen: die un-
gariſche Sprache,
welche die Mut-
terſprache der eigentlichen Ungarn
iſt, iſt ſcythiſchen Urſprungs, und
hat weder irgend eine Verwandt-
ſchaft mit andern europaͤiſchen Spra-
chen, noch eine verſchiedene Mund-
art. Jm Schreiben bedienen ſich
die Ungarn der lateiniſchen Buch-
ſtaben. Die deutſche Sprache
hat hieſelbſt nach der Verſchieden-
heit der deutſchen Nationen auch
verſchiedene Mundarten. Die ſla-
voniſche Sprache
wird nach der
Anzahl der Nationen in die boͤhmi-
ſche, croatiſche, wendiſche, raitzi-
ſche, und rußiſche abgetheilet. Die
walachiſche Sprache iſt mit der
italieniſchen verwandt, und aus
Vermiſchung der lateiniſchen und
ſlavoniſchen entſtanden. Hiernaͤchſt
wird die lateiniſche Sprache nicht
[Spaltenumbruch]
Ungarn
nur von den Gelehrten und vorneh-
men Leuten; ſondern auch wol von
dem gemeinen Poͤbel; von dem letz-
ten aber ſehr ſchlecht, geredet. Die
Sprache der Zigeuner iſt aus wa-
lachiſchen, ſlaviſchen, ungariſchen
und anderer Nationen verdorbenen
Worten zuſammen geſetzt. Der
Adel legt ſich auf das Studieren,
den Krieg, die Jagd, und die Haus-
haltung. Die Buͤrger befleißigen
ſich Handwerker, Kuͤnſte, und (11)
Handlung; letztere aber haben die
Griechen faſt ganz an ſich gezogen.
Man fuͤhret aus Ungarn Wein,
Safran, Oel, Metalle, Minera-
lien, Vieh, Leder, Wolle, Talch,
Honig und Wachs; hingegen wer-
den Gewuͤrze, Zinn, Seide, und
andere auswaͤrtige Sachen, wieder
eingefuͤhret. Ungarn hat auch un-
terſchiedene (12) Jahrmaͤrkte, un-
ter welchen vornehmlich die preß-
burger, oͤdenburger, raaber, und
comorrer bekannt ſind, die mehren-
theils von Wien aus mit den benoͤ-
thigten Waaren verſorget werden.
Die (13) Geldſorten, ſo in Ungarn
gewoͤhnlich, ſind: ein Heller, (Bab-
ka,) ein Ungriſch, (Penz Kra-
lovſzky,) ſo in Oberungarn der
ſechſte, und in Niederungarn der
fuͤnfte Theil eines Groſchen, und
der hunderte Theil eines rheiniſchen
Gulden iſt; ein Groͤſchel, (Pataz,)
ſo der vierte Theil eines Groſchen
iſt; ein Kreuzer, (Kraytzar,) ſo
eine deutſche Muͤnze, der dritte
Theil eines Groſchen, und der
ſechszigſte Theil eines rheiniſchen
Gulden iſt; Pulgrotz, (Poltura,)
ſo ein halber Groſchen und der vier-
zigſte Theil eines Gulden iſt; ein
Groſche, (Garas,) der in Ober-
ungarn 6, in Niederungarn aber
5 Ungriſch gilt, und der zwanzigſte
Theil eines Gulden iſt; ein Sieb-
ner,
(Hetes, Szedmack,) gilt 7
Kreuzer; ein Siebenzehner, (Sesz-
tak, Mariaß,) gilt 17 Kreuzer; ein

balber
Q 5
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[[249]/0255] Ungarn Ungarn reicher zu werden angefangen, in- dem aus dem deutſchen Reiche, und zwar meiſtens aus Schwaben und den am Rheinſtrome gelegenen Laͤn- dern, ſehr viele Tauſende, theils einzeln, theils Familienweiſe, ſich mit allen ihren Habſeligkeiten dahin begeben haben. Dergleichen auch in den Jahren 1751. und 1752. eine Menge lothringer Familien gethan. Die Walachen, oder Olachen, ſo neben Siebenbuͤrgen und der Wa- lachey wohnen, ſind allem Anſehen nach Ueberbleibſel der Roͤmer aus Dacien. Zu den Fremdlingen in Ungarn gehoͤren die Griechen, wel- che der Handel veranlaſſet hat, hie- her zu kommen; die Juden, deren Anzahl hieſelbſt ehemals weit groͤßer war, als ſie itzt iſt, ſiehe Jude. Die Tuͤrken und die Zigeuner, welches herumſchweifenden Volks Urſprung ungewiß iſt. Aus obigem erhellet, daß die Einwohner von verſchiedener Gemuͤthsart ſeyn muͤſ- ſen; doch hat das gemeinſchaftli- che Verkehr ſie einander ſehr aͤhn- lich gemacht. Es giebt in Ungarn (10) vier Hauptſprachen: die un- gariſche Sprache, welche die Mut- terſprache der eigentlichen Ungarn iſt, iſt ſcythiſchen Urſprungs, und hat weder irgend eine Verwandt- ſchaft mit andern europaͤiſchen Spra- chen, noch eine verſchiedene Mund- art. Jm Schreiben bedienen ſich die Ungarn der lateiniſchen Buch- ſtaben. Die deutſche Sprache hat hieſelbſt nach der Verſchieden- heit der deutſchen Nationen auch verſchiedene Mundarten. Die ſla- voniſche Sprache wird nach der Anzahl der Nationen in die boͤhmi- ſche, croatiſche, wendiſche, raitzi- ſche, und rußiſche abgetheilet. Die walachiſche Sprache iſt mit der italieniſchen verwandt, und aus Vermiſchung der lateiniſchen und ſlavoniſchen entſtanden. Hiernaͤchſt wird die lateiniſche Sprache nicht nur von den Gelehrten und vorneh- men Leuten; ſondern auch wol von dem gemeinen Poͤbel; von dem letz- ten aber ſehr ſchlecht, geredet. Die Sprache der Zigeuner iſt aus wa- lachiſchen, ſlaviſchen, ungariſchen und anderer Nationen verdorbenen Worten zuſammen geſetzt. Der Adel legt ſich auf das Studieren, den Krieg, die Jagd, und die Haus- haltung. Die Buͤrger befleißigen ſich Handwerker, Kuͤnſte, und (11) Handlung; letztere aber haben die Griechen faſt ganz an ſich gezogen. Man fuͤhret aus Ungarn Wein, Safran, Oel, Metalle, Minera- lien, Vieh, Leder, Wolle, Talch, Honig und Wachs; hingegen wer- den Gewuͤrze, Zinn, Seide, und andere auswaͤrtige Sachen, wieder eingefuͤhret. Ungarn hat auch un- terſchiedene (12) Jahrmaͤrkte, un- ter welchen vornehmlich die preß- burger, oͤdenburger, raaber, und comorrer bekannt ſind, die mehren- theils von Wien aus mit den benoͤ- thigten Waaren verſorget werden. Die (13) Geldſorten, ſo in Ungarn gewoͤhnlich, ſind: ein Heller, (Bab- ka,) ein Ungriſch, (Penz Kra- lovſzky,) ſo in Oberungarn der ſechſte, und in Niederungarn der fuͤnfte Theil eines Groſchen, und der hunderte Theil eines rheiniſchen Gulden iſt; ein Groͤſchel, (Pataz,) ſo der vierte Theil eines Groſchen iſt; ein Kreuzer, (Kraytzar,) ſo eine deutſche Muͤnze, der dritte Theil eines Groſchen, und der ſechszigſte Theil eines rheiniſchen Gulden iſt; Pulgrotz, (Poltura,) ſo ein halber Groſchen und der vier- zigſte Theil eines Gulden iſt; ein Groſche, (Garas,) der in Ober- ungarn 6, in Niederungarn aber 5 Ungriſch gilt, und der zwanzigſte Theil eines Gulden iſt; ein Sieb- ner, (Hetes, Szedmack,) gilt 7 Kreuzer; ein Siebenzehner, (Sesz- tak, Mariaß,) gilt 17 Kreuzer; ein balber Q 5

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Zitationshilfe: Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756, S. [249]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludovici_grundriss_1756/255>, abgerufen am 22.12.2024.