Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Erbförster.
Försterin.
Vielleicht läßt sich noch Alles gut machen und der
Robert schreibt uns, wie. Wenn Du's nicht öffnen
willst, gib mir's. Wenn ich's thu', brauchst Du Dir
nichts vorzuwerfen.
(Sie öffnet). Wenn ich lesen könnte
bei Licht! Wenn ich die Brille nähm', müßt' er's mer-
ken. Lies mir's vor, Marie.
Marie.
Ich soll's lesen, Mutter?
Försterin.
Wenn ich Dir's heiße, kannst Du's wohl. Da leg's
neben die Bibel. Und wenn er näher kommt oder wenn
er aufmerksam wird, so lies'st Du aus der Bibel.
Marie.
Aber was?
Försterin.
Was Dir zuerst in die Augen fällt. Wenn ich huste,
liesest Du aus der Bibel. Zuerst das Briefchen.
Marie (liest).
"Liebe Marie. Ich hab' Dir so viel --
Försterin.
Er steht schon wieder auf von seinem Stuhl; lies
aus der Bibel, bis er am Fenster ist.
Marie.
"Um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wie
er einen Menschen hat verletzet, so soll man ihm wie-
der thun."
Der Erbförſter.
Förſterin.
Vielleicht läßt ſich noch Alles gut machen und der
Robert ſchreibt uns, wie. Wenn Du’s nicht öffnen
willſt, gib mir’s. Wenn ich’s thu’, brauchſt Du Dir
nichts vorzuwerfen.
(Sie öffnet). Wenn ich leſen könnte
bei Licht! Wenn ich die Brille nähm’, müßt’ er’s mer-
ken. Lies mir’s vor, Marie.
Marie.
Ich ſoll’s leſen, Mutter?
Förſterin.
Wenn ich Dir’s heiße, kannſt Du’s wohl. Da leg’s
neben die Bibel. Und wenn er näher kommt oder wenn
er aufmerkſam wird, ſo lieſ’ſt Du aus der Bibel.
Marie.
Aber was?
Förſterin.
Was Dir zuerſt in die Augen fällt. Wenn ich huſte,
lieſeſt Du aus der Bibel. Zuerſt das Briefchen.
Marie (lieſt).
„Liebe Marie. Ich hab’ Dir ſo viel —
Förſterin.
Er ſteht ſchon wieder auf von ſeinem Stuhl; lies
aus der Bibel, bis er am Fenſter iſt.
Marie.
„Um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wie
er einen Menſchen hat verletzet, ſo ſoll man ihm wie-
der thun.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0141" n="127"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Erbför&#x017F;ter</hi>.</fw><lb/>
          <sp who="#SOPH">
            <speaker> <hi rendition="#b">För&#x017F;terin.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Vielleicht läßt &#x017F;ich noch Alles gut machen und der<lb/>
Robert &#x017F;chreibt uns, wie. Wenn Du&#x2019;s nicht öffnen<lb/>
will&#x017F;t, gib mir&#x2019;s. Wenn ich&#x2019;s thu&#x2019;, brauch&#x017F;t Du Dir<lb/>
nichts vorzuwerfen.</p>
            <stage>(Sie öffnet).</stage>
            <p>Wenn ich le&#x017F;en könnte<lb/>
bei Licht! Wenn ich die Brille nähm&#x2019;, müßt&#x2019; er&#x2019;s mer-<lb/>
ken. Lies mir&#x2019;s vor, Marie.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MAR">
            <speaker> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Ich &#x017F;oll&#x2019;s le&#x017F;en, Mutter?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#SOPH">
            <speaker> <hi rendition="#b">För&#x017F;terin.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Wenn ich Dir&#x2019;s heiße, kann&#x017F;t Du&#x2019;s wohl. Da leg&#x2019;s<lb/>
neben die Bibel. Und wenn er näher kommt oder wenn<lb/>
er aufmerk&#x017F;am wird, &#x017F;o lie&#x017F;&#x2019;&#x017F;t Du aus der Bibel.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MAR">
            <speaker> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Aber was?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#SOPH">
            <speaker> <hi rendition="#b">För&#x017F;terin.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Was Dir zuer&#x017F;t in die Augen fällt. Wenn ich hu&#x017F;te,<lb/>
lie&#x017F;e&#x017F;t Du aus der Bibel. Zuer&#x017F;t das Briefchen.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MAR">
            <speaker> <hi rendition="#b">Marie</hi> </speaker>
            <stage>(lie&#x017F;t).</stage><lb/>
            <p>&#x201E;Liebe Marie. Ich hab&#x2019; Dir &#x017F;o viel &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#SOPH">
            <speaker> <hi rendition="#b">För&#x017F;terin.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Er &#x017F;teht &#x017F;chon wieder auf von &#x017F;einem Stuhl; lies<lb/>
aus der Bibel, bis er am Fen&#x017F;ter i&#x017F;t.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MAR">
            <speaker> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </speaker><lb/>
            <p>&#x201E;Um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wie<lb/>
er einen Men&#x017F;chen hat verletzet, &#x017F;o &#x017F;oll man ihm wie-<lb/>
der thun.&#x201C;</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0141] Der Erbförſter. Förſterin. Vielleicht läßt ſich noch Alles gut machen und der Robert ſchreibt uns, wie. Wenn Du’s nicht öffnen willſt, gib mir’s. Wenn ich’s thu’, brauchſt Du Dir nichts vorzuwerfen. (Sie öffnet). Wenn ich leſen könnte bei Licht! Wenn ich die Brille nähm’, müßt’ er’s mer- ken. Lies mir’s vor, Marie. Marie. Ich ſoll’s leſen, Mutter? Förſterin. Wenn ich Dir’s heiße, kannſt Du’s wohl. Da leg’s neben die Bibel. Und wenn er näher kommt oder wenn er aufmerkſam wird, ſo lieſ’ſt Du aus der Bibel. Marie. Aber was? Förſterin. Was Dir zuerſt in die Augen fällt. Wenn ich huſte, lieſeſt Du aus der Bibel. Zuerſt das Briefchen. Marie (lieſt). „Liebe Marie. Ich hab’ Dir ſo viel — Förſterin. Er ſteht ſchon wieder auf von ſeinem Stuhl; lies aus der Bibel, bis er am Fenſter iſt. Marie. „Um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wie er einen Menſchen hat verletzet, ſo ſoll man ihm wie- der thun.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_erbfoerster_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_erbfoerster_1853/141
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_erbfoerster_1853/141>, abgerufen am 04.12.2024.