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Ludwig, Julie: Das Gericht im Walde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [237]–288. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Zähne schlugen auf einander, aber die Lippen blieben geschlossen, krampfhaft geschlossen; sie arbeiteten in gewaltiger Anstrengung, einen Fluch hervorzustoßen, doch nur ein heiseres Stöhnen drang herüber. Kalter Schweiß brach ihm aus der Stirn, und mit jedem Schritte, der sie näher brachte, sie, die ihm das Alles angethan, umnachtete sein Geist sich mehr und mehr. Es war ein Zustand halben Wahnsinns, dem Vernichten zur Wollust wird. Johannes fühlte Leben unter seiner Faust, junges, vollpulsirendes Leben -- ha! während ihm der Tod in allen Adern saß -- seine Finger zogen sich zum eisernen Griffe zusammen -- wüthend packte er den Stamm der Birke --Weib! schrie er auf, unseliges Weib! mit einem Wuthschrei der Verzweiflung, der sich endlich Luft verschaffte. Da fühlte er es krachen unter seiner Faust und mit aufathmender Befriedigung vernahm er den schneidenden Wehlaut des geknickten Baumes. Ein Opfer war gefallen. Der Druck auf seinem Herzen löste sich, die fürchterliche Spannung wich, und wie die stockenden Ströme des Blutes wieder zurück in die gewohnten Wege wallten, entflog der zornige Rausch, um einem männlichen Schmerze, einer tiefen Beschämung Platz zu machen. Von den Geistern seiner eigenen Gedanken verfolgt, eilte der unglückliche Mann den Tiefen des Waldes zu.

Auch die Rose-Marie setzte ihren Weg fort; es galt jetzt auszuschreiten, wenn sie das Wetter, wie es allen Anschein hatte, nicht noch im Walde ereilen sollte. Der Himmel hatte sich mit erschreckender Schnelle

Zähne schlugen auf einander, aber die Lippen blieben geschlossen, krampfhaft geschlossen; sie arbeiteten in gewaltiger Anstrengung, einen Fluch hervorzustoßen, doch nur ein heiseres Stöhnen drang herüber. Kalter Schweiß brach ihm aus der Stirn, und mit jedem Schritte, der sie näher brachte, sie, die ihm das Alles angethan, umnachtete sein Geist sich mehr und mehr. Es war ein Zustand halben Wahnsinns, dem Vernichten zur Wollust wird. Johannes fühlte Leben unter seiner Faust, junges, vollpulsirendes Leben — ha! während ihm der Tod in allen Adern saß — seine Finger zogen sich zum eisernen Griffe zusammen — wüthend packte er den Stamm der Birke —Weib! schrie er auf, unseliges Weib! mit einem Wuthschrei der Verzweiflung, der sich endlich Luft verschaffte. Da fühlte er es krachen unter seiner Faust und mit aufathmender Befriedigung vernahm er den schneidenden Wehlaut des geknickten Baumes. Ein Opfer war gefallen. Der Druck auf seinem Herzen löste sich, die fürchterliche Spannung wich, und wie die stockenden Ströme des Blutes wieder zurück in die gewohnten Wege wallten, entflog der zornige Rausch, um einem männlichen Schmerze, einer tiefen Beschämung Platz zu machen. Von den Geistern seiner eigenen Gedanken verfolgt, eilte der unglückliche Mann den Tiefen des Waldes zu.

Auch die Rose-Marie setzte ihren Weg fort; es galt jetzt auszuschreiten, wenn sie das Wetter, wie es allen Anschein hatte, nicht noch im Walde ereilen sollte. Der Himmel hatte sich mit erschreckender Schnelle

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Zähne schlugen auf einander, aber die Lippen      blieben geschlossen, krampfhaft geschlossen; sie arbeiteten in gewaltiger Anstrengung, einen      Fluch hervorzustoßen, doch nur ein heiseres Stöhnen drang herüber. Kalter Schweiß brach ihm aus      der Stirn, und mit jedem Schritte, der sie näher brachte, sie, die ihm das Alles angethan,      umnachtete sein Geist sich mehr und mehr. Es war ein Zustand halben Wahnsinns, dem Vernichten      zur Wollust wird. Johannes fühlte Leben unter seiner Faust, junges, vollpulsirendes Leben &#x2014; ha!      während ihm der Tod in allen Adern saß &#x2014; seine Finger zogen sich zum eisernen Griffe zusammen &#x2014;      wüthend packte er den Stamm der Birke &#x2014;Weib! schrie er auf, unseliges Weib! mit einem      Wuthschrei der Verzweiflung, der sich endlich Luft verschaffte. Da fühlte er es krachen unter      seiner Faust und mit aufathmender Befriedigung vernahm er den schneidenden Wehlaut des      geknickten Baumes. Ein Opfer war gefallen. Der Druck auf seinem Herzen löste sich, die      fürchterliche Spannung wich, und wie die stockenden Ströme des Blutes wieder zurück in die      gewohnten Wege wallten, entflog der zornige Rausch, um einem männlichen Schmerze, einer tiefen      Beschämung Platz zu machen. Von den Geistern seiner eigenen Gedanken verfolgt, eilte der      unglückliche Mann den Tiefen des Waldes zu.</p><lb/>
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[0024] Zähne schlugen auf einander, aber die Lippen blieben geschlossen, krampfhaft geschlossen; sie arbeiteten in gewaltiger Anstrengung, einen Fluch hervorzustoßen, doch nur ein heiseres Stöhnen drang herüber. Kalter Schweiß brach ihm aus der Stirn, und mit jedem Schritte, der sie näher brachte, sie, die ihm das Alles angethan, umnachtete sein Geist sich mehr und mehr. Es war ein Zustand halben Wahnsinns, dem Vernichten zur Wollust wird. Johannes fühlte Leben unter seiner Faust, junges, vollpulsirendes Leben — ha! während ihm der Tod in allen Adern saß — seine Finger zogen sich zum eisernen Griffe zusammen — wüthend packte er den Stamm der Birke —Weib! schrie er auf, unseliges Weib! mit einem Wuthschrei der Verzweiflung, der sich endlich Luft verschaffte. Da fühlte er es krachen unter seiner Faust und mit aufathmender Befriedigung vernahm er den schneidenden Wehlaut des geknickten Baumes. Ein Opfer war gefallen. Der Druck auf seinem Herzen löste sich, die fürchterliche Spannung wich, und wie die stockenden Ströme des Blutes wieder zurück in die gewohnten Wege wallten, entflog der zornige Rausch, um einem männlichen Schmerze, einer tiefen Beschämung Platz zu machen. Von den Geistern seiner eigenen Gedanken verfolgt, eilte der unglückliche Mann den Tiefen des Waldes zu. Auch die Rose-Marie setzte ihren Weg fort; es galt jetzt auszuschreiten, wenn sie das Wetter, wie es allen Anschein hatte, nicht noch im Walde ereilen sollte. Der Himmel hatte sich mit erschreckender Schnelle

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:36:23Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:36:23Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Ludwig, Julie: Das Gericht im Walde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [237]–288. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_gericht_1910/24>, abgerufen am 21.11.2024.