Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

doch sah dieser in jeder Aeußerung, jedem Thun des
Leidenden nur schlecht verhehlten Triumph. Nach un¬
endlichen Müh'n gelang Apollonius eine Uebersicht
des Zustandes. Es ergab sich, wenn die Gläubiger
Geduld zeigten und man die Kunden wieder zu gewin¬
nen vermochte, so war mit strenger Sparsamkeit, mit
Fleiß und Gewissenhaftigkeit die Ehre des Hauses zu
retten, und ermüdete man nicht, konnten die Kinder des
Bruders einst ein wenigstens schuldenfreies Geschäft
als Erbe übernehmen. Apollonius schrieb sogleich an
die Kunden, dann ging er zu den Gläubigern des
Bruders. Die ersten wollten es noch einmal mit dem
Hause versuchen; man sah, sie gingen sicher; ihre
neuen Bestellungen waren wenig mehr als Proben.
Bei den Gläubigern hatte er die Freude, zu sehn,
welches Vertrau'n er bereits in seiner Vaterstadt ge¬
wonnen. Wenn er die Bürgschaft übernahm, blieben
die schuldigen Summen als Capitale gegen billige
Zinsen bis zur allmäligen Tilgung durch jährliche
Abzahlungen stehn. Manche wollten ihm noch baares
Geld dazu anvertraun. Er machte keinen Versuch,
die Wahrheit dieser Versicherungen auf die Probe der
That zu stellen, und gewann dadurch das Vertraun
der Versichernden nur noch mehr. Nun stellte er dem
Bruder anspruchslos und mit Milde dar, was er ge¬
than und noch thun wolle. Vorwürfe konnten nichts
helfen, und Ermahnungen hielt er für unnütz, wo die

doch ſah dieſer in jeder Aeußerung, jedem Thun des
Leidenden nur ſchlecht verhehlten Triumph. Nach un¬
endlichen Müh'n gelang Apollonius eine Ueberſicht
des Zuſtandes. Es ergab ſich, wenn die Gläubiger
Geduld zeigten und man die Kunden wieder zu gewin¬
nen vermochte, ſo war mit ſtrenger Sparſamkeit, mit
Fleiß und Gewiſſenhaftigkeit die Ehre des Hauſes zu
retten, und ermüdete man nicht, konnten die Kinder des
Bruders einſt ein wenigſtens ſchuldenfreies Geſchäft
als Erbe übernehmen. Apollonius ſchrieb ſogleich an
die Kunden, dann ging er zu den Gläubigern des
Bruders. Die erſten wollten es noch einmal mit dem
Hauſe verſuchen; man ſah, ſie gingen ſicher; ihre
neuen Beſtellungen waren wenig mehr als Proben.
Bei den Gläubigern hatte er die Freude, zu ſehn,
welches Vertrau'n er bereits in ſeiner Vaterſtadt ge¬
wonnen. Wenn er die Bürgſchaft übernahm, blieben
die ſchuldigen Summen als Capitale gegen billige
Zinſen bis zur allmäligen Tilgung durch jährliche
Abzahlungen ſtehn. Manche wollten ihm noch baares
Geld dazu anvertraun. Er machte keinen Verſuch,
die Wahrheit dieſer Verſicherungen auf die Probe der
That zu ſtellen, und gewann dadurch das Vertraun
der Verſichernden nur noch mehr. Nun ſtellte er dem
Bruder anſpruchslos und mit Milde dar, was er ge¬
than und noch thun wolle. Vorwürfe konnten nichts
helfen, und Ermahnungen hielt er für unnütz, wo die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0144" n="135"/>
doch &#x017F;ah die&#x017F;er in jeder Aeußerung, jedem Thun des<lb/>
Leidenden nur &#x017F;chlecht verhehlten Triumph. Nach un¬<lb/>
endlichen Müh'n gelang Apollonius eine Ueber&#x017F;icht<lb/>
des Zu&#x017F;tandes. Es ergab &#x017F;ich, wenn die Gläubiger<lb/>
Geduld zeigten und man die Kunden wieder zu gewin¬<lb/>
nen vermochte, &#x017F;o war mit &#x017F;trenger Spar&#x017F;amkeit, mit<lb/>
Fleiß und Gewi&#x017F;&#x017F;enhaftigkeit die Ehre des Hau&#x017F;es zu<lb/>
retten, und ermüdete man nicht, konnten die Kinder des<lb/>
Bruders ein&#x017F;t ein wenig&#x017F;tens &#x017F;chuldenfreies Ge&#x017F;chäft<lb/>
als Erbe übernehmen. Apollonius &#x017F;chrieb &#x017F;ogleich an<lb/>
die Kunden, dann ging er zu den Gläubigern des<lb/>
Bruders. Die er&#x017F;ten wollten es noch einmal mit dem<lb/>
Hau&#x017F;e ver&#x017F;uchen; man &#x017F;ah, &#x017F;ie gingen &#x017F;icher; ihre<lb/>
neuen Be&#x017F;tellungen waren wenig mehr als Proben.<lb/>
Bei den Gläubigern hatte er die Freude, zu &#x017F;ehn,<lb/>
welches Vertrau'n er bereits in &#x017F;einer Vater&#x017F;tadt ge¬<lb/>
wonnen. Wenn er die Bürg&#x017F;chaft übernahm, blieben<lb/>
die &#x017F;chuldigen Summen als Capitale gegen billige<lb/>
Zin&#x017F;en bis zur allmäligen Tilgung durch jährliche<lb/>
Abzahlungen &#x017F;tehn. Manche wollten ihm noch baares<lb/>
Geld dazu anvertraun. Er machte keinen Ver&#x017F;uch,<lb/>
die Wahrheit die&#x017F;er Ver&#x017F;icherungen auf die Probe der<lb/>
That zu &#x017F;tellen, und gewann dadurch das Vertraun<lb/>
der Ver&#x017F;ichernden nur noch mehr. Nun &#x017F;tellte er dem<lb/>
Bruder an&#x017F;pruchslos und mit Milde dar, was er ge¬<lb/>
than und noch thun wolle. Vorwürfe konnten nichts<lb/>
helfen, und Ermahnungen hielt er für unnütz, wo die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0144] doch ſah dieſer in jeder Aeußerung, jedem Thun des Leidenden nur ſchlecht verhehlten Triumph. Nach un¬ endlichen Müh'n gelang Apollonius eine Ueberſicht des Zuſtandes. Es ergab ſich, wenn die Gläubiger Geduld zeigten und man die Kunden wieder zu gewin¬ nen vermochte, ſo war mit ſtrenger Sparſamkeit, mit Fleiß und Gewiſſenhaftigkeit die Ehre des Hauſes zu retten, und ermüdete man nicht, konnten die Kinder des Bruders einſt ein wenigſtens ſchuldenfreies Geſchäft als Erbe übernehmen. Apollonius ſchrieb ſogleich an die Kunden, dann ging er zu den Gläubigern des Bruders. Die erſten wollten es noch einmal mit dem Hauſe verſuchen; man ſah, ſie gingen ſicher; ihre neuen Beſtellungen waren wenig mehr als Proben. Bei den Gläubigern hatte er die Freude, zu ſehn, welches Vertrau'n er bereits in ſeiner Vaterſtadt ge¬ wonnen. Wenn er die Bürgſchaft übernahm, blieben die ſchuldigen Summen als Capitale gegen billige Zinſen bis zur allmäligen Tilgung durch jährliche Abzahlungen ſtehn. Manche wollten ihm noch baares Geld dazu anvertraun. Er machte keinen Verſuch, die Wahrheit dieſer Verſicherungen auf die Probe der That zu ſtellen, und gewann dadurch das Vertraun der Verſichernden nur noch mehr. Nun ſtellte er dem Bruder anſpruchslos und mit Milde dar, was er ge¬ than und noch thun wolle. Vorwürfe konnten nichts helfen, und Ermahnungen hielt er für unnütz, wo die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/144
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/144>, abgerufen am 21.11.2024.