und wohlklingend. Er hörte Beide, ohne zu ver¬ stehn, was sie sprachen. Er erschrak. So weit gekom¬ men hatt' er sich das Zerwürfniß nicht vorgestellt. Und er war schuld an dem Zerwürfniß. Er mußte thun, was er konnte, den Zustand zu bessern.
Der Bruder blieb erst wie versteint in seiner dro¬ henden Stellung, als er den Eintretenden erblickte. Er hatte das Gefühl eines Menschen, der plötzlich bei ei¬ nem Unrechte überrascht wird. Hätte ihn Apollonius angelassen, wie er verdiente, er wäre vor ihm gekro¬ chen. Aber Apollonius wollte ja versöhnen und sprach das ruhig und herzlich aus. Er hätte es freilich wis¬ sen können, er hatte es oft genug erfahren, seine Milde gab dem Bruder nur Muth zu höhnendem Trotz. Er erfuhr es jetzt wieder. Fritz verhöhnte ihn wild la¬ chend, daß er einen Vorwand mache, wo er Herr sei. Ob er sich deßhalb zum Herrn des Hauses gemacht? Er wußte, er an Apollonius Stelle wäre anders auf¬ getreten. Er hätt' es die fühlen lassen, die er in seiner Gewalt wußte. Er war ein ehrlicher Kerl und brauchte nicht schön zu thun. Dazu fiel ihm ein, wie oft er vergeblich die Thür umschlichen, um Apollonius in der Stube zu überraschen. Jetzt war er ja da in der Stube. Er war hereingetreten, weil er ihn nicht zu finden meinte. Apollonius war's, der erschrecken mußte, Apollonius war der Ertappte, nicht er. Die Versöh¬ nung war nur der erste, beste Vorwand, nach dem
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und wohlklingend. Er hörte Beide, ohne zu ver¬ ſtehn, was ſie ſprachen. Er erſchrak. So weit gekom¬ men hatt' er ſich das Zerwürfniß nicht vorgeſtellt. Und er war ſchuld an dem Zerwürfniß. Er mußte thun, was er konnte, den Zuſtand zu beſſern.
Der Bruder blieb erſt wie verſteint in ſeiner dro¬ henden Stellung, als er den Eintretenden erblickte. Er hatte das Gefühl eines Menſchen, der plötzlich bei ei¬ nem Unrechte überraſcht wird. Hätte ihn Apollonius angelaſſen, wie er verdiente, er wäre vor ihm gekro¬ chen. Aber Apollonius wollte ja verſöhnen und ſprach das ruhig und herzlich aus. Er hätte es freilich wiſ¬ ſen können, er hatte es oft genug erfahren, ſeine Milde gab dem Bruder nur Muth zu höhnendem Trotz. Er erfuhr es jetzt wieder. Fritz verhöhnte ihn wild la¬ chend, daß er einen Vorwand mache, wo er Herr ſei. Ob er ſich deßhalb zum Herrn des Hauſes gemacht? Er wußte, er an Apollonius Stelle wäre anders auf¬ getreten. Er hätt' es die fühlen laſſen, die er in ſeiner Gewalt wußte. Er war ein ehrlicher Kerl und brauchte nicht ſchön zu thun. Dazu fiel ihm ein, wie oft er vergeblich die Thür umſchlichen, um Apollonius in der Stube zu überraſchen. Jetzt war er ja da in der Stube. Er war hereingetreten, weil er ihn nicht zu finden meinte. Apollonius war's, der erſchrecken mußte, Apollonius war der Ertappte, nicht er. Die Verſöh¬ nung war nur der erſte, beſte Vorwand, nach dem
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und wohlklingend. Er hörte Beide, ohne zu ver¬
ſtehn, was ſie ſprachen. Er erſchrak. So weit gekom¬
men hatt' er ſich das Zerwürfniß nicht vorgeſtellt. Und
er war ſchuld an dem Zerwürfniß. Er mußte thun,
was er konnte, den Zuſtand zu beſſern.
Der Bruder blieb erſt wie verſteint in ſeiner dro¬
henden Stellung, als er den Eintretenden erblickte. Er
hatte das Gefühl eines Menſchen, der plötzlich bei ei¬
nem Unrechte überraſcht wird. Hätte ihn Apollonius
angelaſſen, wie er verdiente, er wäre vor ihm gekro¬
chen. Aber Apollonius wollte ja verſöhnen und ſprach
das ruhig und herzlich aus. Er hätte es freilich wiſ¬
ſen können, er hatte es oft genug erfahren, ſeine Milde
gab dem Bruder nur Muth zu höhnendem Trotz. Er
erfuhr es jetzt wieder. Fritz verhöhnte ihn wild la¬
chend, daß er einen Vorwand mache, wo er Herr ſei.
Ob er ſich deßhalb zum Herrn des Hauſes gemacht?
Er wußte, er an Apollonius Stelle wäre anders auf¬
getreten. Er hätt' es die fühlen laſſen, die er in ſeiner
Gewalt wußte. Er war ein ehrlicher Kerl und brauchte
nicht ſchön zu thun. Dazu fiel ihm ein, wie oft er
vergeblich die Thür umſchlichen, um Apollonius in der
Stube zu überraſchen. Jetzt war er ja da in der
Stube. Er war hereingetreten, weil er ihn nicht zu
finden meinte. Apollonius war's, der erſchrecken mußte,
Apollonius war der Ertappte, nicht er. Die Verſöh¬
nung war nur der erſte, beſte Vorwand, nach dem
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/156>, abgerufen am 23.11.2024.
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