Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Und du, gib ihr Lehren, von Köln, wo du Alles, gelernt
hast, wie man seinen Bruder von Haus und Geschäft
vertreibt, um -- nun, um -- hahaha! sag' ihr doch: ein
Weib soll willig sein. Was? O solch ein willig Weib
ist -- sag' ihr doch, was so eine ist. Sie weiß es noch
nicht, die -- Unschuld! hahaha!"

Apollonius begriff nichts von dem, was er hörte
und sah. Aber der Mißbrauch der männlichen Stärke
an einem ohnmächtigen Weibe empörte ihn. Unwillkür¬
lich riß dies Gefühl ihn hin. Er verdoppelte seine
ohnehin dem Bruder weit überlegene Kraft, als er den
packenden Arm faßte: so daß dieser die Beute los ließ
und herabfiel wie gelähmt. Die Frau wollte hinaus,
aber sie brach kraftlos zusammen. Apollonius fing sie
auf und lehnte sie in's Sopha. Dann stand er wie
ein zürnender Engel vor dem Bruder. "Ich habe dich
durch Milde gewinnen wollen, aber du bist sie nicht
werth. Ich habe Viel von dir ertragen und will's noch,"
sagte Apollonius; "du bist mein Bruder. Du giebst
mir Schuld, ich habe dich in's Unglück gestürzt; Gott
ist mein Zeuge, ich hab' Alles gethan, was ich wußte,
dich zu halten. Für wen hab' ich gethan, was du
mir vorwirfst, als für dich und um deine Ehre und
deine Frau und deine Kinder zu retten ? Wer hat mich dazu
gezwungen, gegen dich streng zu sein? Für wen schaff'
ich? für wen wach' ich? Wenn du wüßtest, wie mich
schmerzt, daß du mich zwingst, dir aufzurücken, was ich

Und du, gib ihr Lehren, von Köln, wo du Alles, gelernt
haſt, wie man ſeinen Bruder von Haus und Geſchäft
vertreibt, um — nun, um — hahaha! ſag' ihr doch: ein
Weib ſoll willig ſein. Was? O ſolch ein willig Weib
iſt — ſag' ihr doch, was ſo eine iſt. Sie weiß es noch
nicht, die — Unſchuld! hahaha!“

Apollonius begriff nichts von dem, was er hörte
und ſah. Aber der Mißbrauch der männlichen Stärke
an einem ohnmächtigen Weibe empörte ihn. Unwillkür¬
lich riß dies Gefühl ihn hin. Er verdoppelte ſeine
ohnehin dem Bruder weit überlegene Kraft, als er den
packenden Arm faßte: ſo daß dieſer die Beute los ließ
und herabfiel wie gelähmt. Die Frau wollte hinaus,
aber ſie brach kraftlos zuſammen. Apollonius fing ſie
auf und lehnte ſie in's Sopha. Dann ſtand er wie
ein zürnender Engel vor dem Bruder. „Ich habe dich
durch Milde gewinnen wollen, aber du biſt ſie nicht
werth. Ich habe Viel von dir ertragen und will's noch,“
ſagte Apollonius; „du biſt mein Bruder. Du giebſt
mir Schuld, ich habe dich in's Unglück geſtürzt; Gott
iſt mein Zeuge, ich hab' Alles gethan, was ich wußte,
dich zu halten. Für wen hab' ich gethan, was du
mir vorwirfſt, als für dich und um deine Ehre und
deine Frau und deine Kinder zu retten ? Wer hat mich dazu
gezwungen, gegen dich ſtreng zu ſein? Für wen ſchaff'
ich? für wen wach' ich? Wenn du wüßteſt, wie mich
ſchmerzt, daß du mich zwingſt, dir aufzurücken, was ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0158" n="149"/>
Und du, gib ihr Lehren, von Köln, wo du Alles, gelernt<lb/>
ha&#x017F;t, wie man &#x017F;einen Bruder von Haus und Ge&#x017F;chäft<lb/>
vertreibt, um &#x2014; nun, um &#x2014; hahaha! &#x017F;ag' ihr doch: ein<lb/>
Weib &#x017F;oll willig &#x017F;ein. Was? O &#x017F;olch ein willig Weib<lb/>
i&#x017F;t &#x2014; &#x017F;ag' ihr doch, was &#x017F;o eine i&#x017F;t. Sie weiß es noch<lb/>
nicht, die &#x2014; Un&#x017F;chuld! hahaha!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Apollonius begriff nichts von dem, was er hörte<lb/>
und &#x017F;ah. Aber der Mißbrauch der männlichen Stärke<lb/>
an einem ohnmächtigen Weibe empörte ihn. Unwillkür¬<lb/>
lich riß dies Gefühl ihn hin. Er verdoppelte &#x017F;eine<lb/>
ohnehin dem Bruder weit überlegene Kraft, als er den<lb/>
packenden Arm faßte: &#x017F;o daß die&#x017F;er die Beute los ließ<lb/>
und herabfiel wie gelähmt. Die Frau wollte hinaus,<lb/>
aber &#x017F;ie brach kraftlos zu&#x017F;ammen. Apollonius fing &#x017F;ie<lb/>
auf und lehnte &#x017F;ie in's Sopha. Dann &#x017F;tand er wie<lb/>
ein zürnender Engel vor dem Bruder. &#x201E;Ich habe dich<lb/>
durch Milde gewinnen wollen, aber du bi&#x017F;t &#x017F;ie nicht<lb/>
werth. Ich habe Viel von dir ertragen und will's noch,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte Apollonius; &#x201E;du bi&#x017F;t mein Bruder. Du gieb&#x017F;t<lb/>
mir Schuld, ich habe dich in's Unglück ge&#x017F;türzt; Gott<lb/>
i&#x017F;t mein Zeuge, ich hab' Alles gethan, was ich wußte,<lb/>
dich zu halten. Für wen hab' ich gethan, was du<lb/>
mir vorwirf&#x017F;t, als für dich und um deine Ehre und<lb/>
deine Frau und deine Kinder zu retten ? Wer hat mich dazu<lb/>
gezwungen, gegen dich &#x017F;treng zu &#x017F;ein? Für wen &#x017F;chaff'<lb/>
ich? für wen wach' ich? Wenn du wüßte&#x017F;t, wie mich<lb/>
&#x017F;chmerzt, daß du mich zwing&#x017F;t, dir aufzurücken, was ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0158] Und du, gib ihr Lehren, von Köln, wo du Alles, gelernt haſt, wie man ſeinen Bruder von Haus und Geſchäft vertreibt, um — nun, um — hahaha! ſag' ihr doch: ein Weib ſoll willig ſein. Was? O ſolch ein willig Weib iſt — ſag' ihr doch, was ſo eine iſt. Sie weiß es noch nicht, die — Unſchuld! hahaha!“ Apollonius begriff nichts von dem, was er hörte und ſah. Aber der Mißbrauch der männlichen Stärke an einem ohnmächtigen Weibe empörte ihn. Unwillkür¬ lich riß dies Gefühl ihn hin. Er verdoppelte ſeine ohnehin dem Bruder weit überlegene Kraft, als er den packenden Arm faßte: ſo daß dieſer die Beute los ließ und herabfiel wie gelähmt. Die Frau wollte hinaus, aber ſie brach kraftlos zuſammen. Apollonius fing ſie auf und lehnte ſie in's Sopha. Dann ſtand er wie ein zürnender Engel vor dem Bruder. „Ich habe dich durch Milde gewinnen wollen, aber du biſt ſie nicht werth. Ich habe Viel von dir ertragen und will's noch,“ ſagte Apollonius; „du biſt mein Bruder. Du giebſt mir Schuld, ich habe dich in's Unglück geſtürzt; Gott iſt mein Zeuge, ich hab' Alles gethan, was ich wußte, dich zu halten. Für wen hab' ich gethan, was du mir vorwirfſt, als für dich und um deine Ehre und deine Frau und deine Kinder zu retten ? Wer hat mich dazu gezwungen, gegen dich ſtreng zu ſein? Für wen ſchaff' ich? für wen wach' ich? Wenn du wüßteſt, wie mich ſchmerzt, daß du mich zwingſt, dir aufzurücken, was ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/158
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/158>, abgerufen am 04.12.2024.