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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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gute Parthien sich ihm auch anboten. Damals schon
begann das eigene Zusammenleben.

Es ist natürlich, daß die guten Leute sich wundern;
sie wissen nicht, was damals in vier Seelen vorging;
und wüßten sie's, sie wunderten sich vielleicht nur noch
mehr. Nicht immer wohnte die Sonntagsruhe hier, die
[j]etzt selbst über die angestrengteste Geschäftigkeit der Be¬
wohner des Hauses mit dem Gärtchen ihre Schwingen
breitet. Es ging eine Zeit darüber hin, wo bittrer
Schmerz über gestohlenes Glück, wilde Wünsche seine
Bewohner entzweiten, wo selbst drohender Mord seinen
Schatten vor sich her warf in das Haus; wo Ver¬
zweiflung über selbstgeschaffenes Elend händeringend in
stiller Nacht an der Hinterthür die Treppe herauf und
über die Emporlaube und wieder hinunter den Gang
zwischen Gärtchen und Stallraum bis zum Schuppen
und ruhelos wieder vor und wieder hinterschlich. Damals
schon war das Gärtchen der Lieblingsaufenthalt einer
hohen Gestalt, aber den Eigensinn des greisen Gesichts
dämpfte nicht Milde; wenn sie über die Straße schritt,
hielten auch die Knaben im lustigen Spiele an; aber
die Gestalt sah nicht so freundlich auf sie nieder. Vielleicht,
weil ihr Augenlicht fast erloschen war. Wohl war auch
der ältere Herr Nettenmair ein geachteter Mann und
er verdiente die Achtung seiner Mitbürger, nicht weniger
als sein milderes Ebenbild nach ihm. Er war ein Mann
von strenger Ehre. Er war es nur zu sehr!

gute Parthien ſich ihm auch anboten. Damals ſchon
begann das eigene Zuſammenleben.

Es iſt natürlich, daß die guten Leute ſich wundern;
ſie wiſſen nicht, was damals in vier Seelen vorging;
und wüßten ſie's, ſie wunderten ſich vielleicht nur noch
mehr. Nicht immer wohnte die Sonntagsruhe hier, die
[j]etzt ſelbſt über die angeſtrengteſte Geſchäftigkeit der Be¬
wohner des Hauſes mit dem Gärtchen ihre Schwingen
breitet. Es ging eine Zeit darüber hin, wo bittrer
Schmerz über geſtohlenes Glück, wilde Wünſche ſeine
Bewohner entzweiten, wo ſelbſt drohender Mord ſeinen
Schatten vor ſich her warf in das Haus; wo Ver¬
zweiflung über ſelbſtgeſchaffenes Elend händeringend in
ſtiller Nacht an der Hinterthür die Treppe herauf und
über die Emporlaube und wieder hinunter den Gang
zwiſchen Gärtchen und Stallraum bis zum Schuppen
und ruhelos wieder vor und wieder hinterſchlich. Damals
ſchon war das Gärtchen der Lieblingsaufenthalt einer
hohen Geſtalt, aber den Eigenſinn des greiſen Geſichts
dämpfte nicht Milde; wenn ſie über die Straße ſchritt,
hielten auch die Knaben im luſtigen Spiele an; aber
die Geſtalt ſah nicht ſo freundlich auf ſie nieder. Vielleicht,
weil ihr Augenlicht faſt erloſchen war. Wohl war auch
der ältere Herr Nettenmair ein geachteter Mann und
er verdiente die Achtung ſeiner Mitbürger, nicht weniger
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[8/0017] gute Parthien ſich ihm auch anboten. Damals ſchon begann das eigene Zuſammenleben. Es iſt natürlich, daß die guten Leute ſich wundern; ſie wiſſen nicht, was damals in vier Seelen vorging; und wüßten ſie's, ſie wunderten ſich vielleicht nur noch mehr. Nicht immer wohnte die Sonntagsruhe hier, die jetzt ſelbſt über die angeſtrengteſte Geſchäftigkeit der Be¬ wohner des Hauſes mit dem Gärtchen ihre Schwingen breitet. Es ging eine Zeit darüber hin, wo bittrer Schmerz über geſtohlenes Glück, wilde Wünſche ſeine Bewohner entzweiten, wo ſelbſt drohender Mord ſeinen Schatten vor ſich her warf in das Haus; wo Ver¬ zweiflung über ſelbſtgeſchaffenes Elend händeringend in ſtiller Nacht an der Hinterthür die Treppe herauf und über die Emporlaube und wieder hinunter den Gang zwiſchen Gärtchen und Stallraum bis zum Schuppen und ruhelos wieder vor und wieder hinterſchlich. Damals ſchon war das Gärtchen der Lieblingsaufenthalt einer hohen Geſtalt, aber den Eigenſinn des greiſen Geſichts dämpfte nicht Milde; wenn ſie über die Straße ſchritt, hielten auch die Knaben im luſtigen Spiele an; aber die Geſtalt ſah nicht ſo freundlich auf ſie nieder. Vielleicht, weil ihr Augenlicht faſt erloſchen war. Wohl war auch der ältere Herr Nettenmair ein geachteter Mann und er verdiente die Achtung ſeiner Mitbürger, nicht weniger als ſein milderes Ebenbild nach ihm. Er war ein Mann von ſtrenger Ehre. Er war es nur zu ſehr!

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/17>, abgerufen am 21.11.2024.