mit einer Bleiplatte überdeckt. Und die Zierrath kam, wenn der Wind sich darin fing, in eine ähnliche Be¬ wegung. Dann war noch Eins zu bedenken. Die Dachhacken liefen, je neun und einen halben Fuß von einander entfernt, in gleichlaufenden Kreisen um das Thurmdach; zwischen je zwei Kreisen befand sich ein Raum von fünf Fuß. Es galt, die Zierrath so anzu¬ bringen, daß sie keinen dieser Dachhacken überdeckte. Apollonius war fleißig bei der Arbeit. Der Blechschmied¬ meister, der seine Zier so bald als möglich prangen sehn wollte, hatte sich weniger über ihn zu beklagen, als Apol¬ lonius mit dem Meister zufrieden sein konnte. Im Anfang trieb dieser, bald mußte Apollonius den Meister treiben.
Es fehlte noch der Theil der obern Guirlande, der als Bogen über der Aussteigethür hängen sollte. Apollonius konnte nicht feiern, bis er das Material dazu erhielt. Von einem nahen Dorfe hatte man ihn wegen einer kleinen Reparatur beschickt; er ließ sein Fahrzeug bis auf seine Zurückkunft an dem Thurmdach von Sankt Georg hängen, und ging nach Brambach.
Es war den Tag darauf, daß der alte Valentin an die Wohnstubenthür pochte. Er war schon einige¬ mal an der Thür gewesen und wieder fortgegangen. Sein ganzes Wesen drückte Unruhe aus. Es machte ihn etwas, woran er immer denken mußte, so zerstreut, daß, als er vergebens auf ein "Herein" gewartet, er meinte, er müsse es in Gedanken überhört haben, und das
mit einer Bleiplatte überdeckt. Und die Zierrath kam, wenn der Wind ſich darin fing, in eine ähnliche Be¬ wegung. Dann war noch Eins zu bedenken. Die Dachhacken liefen, je neun und einen halben Fuß von einander entfernt, in gleichlaufenden Kreiſen um das Thurmdach; zwiſchen je zwei Kreiſen befand ſich ein Raum von fünf Fuß. Es galt, die Zierrath ſo anzu¬ bringen, daß ſie keinen dieſer Dachhacken überdeckte. Apollonius war fleißig bei der Arbeit. Der Blechſchmied¬ meiſter, der ſeine Zier ſo bald als möglich prangen ſehn wollte, hatte ſich weniger über ihn zu beklagen, als Apol¬ lonius mit dem Meiſter zufrieden ſein konnte. Im Anfang trieb dieſer, bald mußte Apollonius den Meiſter treiben.
Es fehlte noch der Theil der obern Guirlande, der als Bogen über der Ausſteigethür hängen ſollte. Apollonius konnte nicht feiern, bis er das Material dazu erhielt. Von einem nahen Dorfe hatte man ihn wegen einer kleinen Reparatur beſchickt; er ließ ſein Fahrzeug bis auf ſeine Zurückkunft an dem Thurmdach von Sankt Georg hängen, und ging nach Brambach.
Es war den Tag darauf, daß der alte Valentin an die Wohnſtubenthür pochte. Er war ſchon einige¬ mal an der Thür geweſen und wieder fortgegangen. Sein ganzes Weſen drückte Unruhe aus. Es machte ihn etwas, woran er immer denken mußte, ſo zerſtreut, daß, als er vergebens auf ein „Herein“ gewartet, er meinte, er müſſe es in Gedanken überhört haben, und das
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mit einer Bleiplatte überdeckt. Und die Zierrath kam,
wenn der Wind ſich darin fing, in eine ähnliche Be¬
wegung. Dann war noch Eins zu bedenken. Die
Dachhacken liefen, je neun und einen halben Fuß von
einander entfernt, in gleichlaufenden Kreiſen um das
Thurmdach; zwiſchen je zwei Kreiſen befand ſich ein
Raum von fünf Fuß. Es galt, die Zierrath ſo anzu¬
bringen, daß ſie keinen dieſer Dachhacken überdeckte.
Apollonius war fleißig bei der Arbeit. Der Blechſchmied¬
meiſter, der ſeine Zier ſo bald als möglich prangen ſehn
wollte, hatte ſich weniger über ihn zu beklagen, als Apol¬
lonius mit dem Meiſter zufrieden ſein konnte. Im Anfang
trieb dieſer, bald mußte Apollonius den Meiſter treiben.
Es fehlte noch der Theil der obern Guirlande, der
als Bogen über der Ausſteigethür hängen ſollte.
Apollonius konnte nicht feiern, bis er das Material
dazu erhielt. Von einem nahen Dorfe hatte man ihn
wegen einer kleinen Reparatur beſchickt; er ließ ſein
Fahrzeug bis auf ſeine Zurückkunft an dem Thurmdach
von Sankt Georg hängen, und ging nach Brambach.
Es war den Tag darauf, daß der alte Valentin
an die Wohnſtubenthür pochte. Er war ſchon einige¬
mal an der Thür geweſen und wieder fortgegangen.
Sein ganzes Weſen drückte Unruhe aus. Es machte
ihn etwas, woran er immer denken mußte, ſo zerſtreut,
daß, als er vergebens auf ein „Herein“ gewartet, er
meinte, er müſſe es in Gedanken überhört haben, und das
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/199>, abgerufen am 04.12.2024.
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