glück oder gar Schande bringen können. Ich bin ge¬ wiß, die Sache wird sich ausweisen, wie sie ist, und nicht, wie Er sie sich da zusammengeängstelt hat. Denn" --
Soweit war der alte Herr in seiner Rede gekommen, da hörte man draußen eine Last niedersetzen. Der alte Herr stand einen Augenblick stumm und wie versteinert da. Der Valentin hatte durch das Fenster den Blechschmiede¬ gesellen kommen sehn, der eben ablud. "Der Jörg vom Blechschmied," sagte Valentin, "der die blechernen Guirlanden vollends bringt." ""Und da ist Er er¬ schrocken mit seinen Einbildungen und hat gemeint, sie bringen, wer weiß wen. Wo ist der Fritz?"" "Auf dem Kirchendach," entgegnete Valentin. ""Gut,"" sagte Herr Nettenmair. ""Sag' Er dem Blechschmidt, er soll her¬ ein kommen, wenn er fertig ist."" Der Geselle that's. Bis Jener hereinkam, fuhr Herr Nettenmair noch mit gedämpftern Tönen in seiner Strafpredigt fort. Er sprach davon, wie Menschen sich Einbildungen zusam¬ mendichteten und sich ängsteten darüber, wie über wirk¬ liche Dinge; wie die Gedanken dem Menschen über den Kopf wüchsen und ihm keine gute Stunde ließen, wenn er nicht gleich im Anfang sich ihrer erwehre. Es war, als wollte der alte Herr sich über sich selbst lustig machen. Er dachte nicht daran, daß er den Va¬ lentin über seinen eigenen Fehler abkanzelte. Dagegen fühlte sich Valentin beschämt, als treffe ihn die Strafe verdientermaßen; und er hörte dem alten Herrn mit
glück oder gar Schande bringen können. Ich bin ge¬ wiß, die Sache wird ſich ausweiſen, wie ſie iſt, und nicht, wie Er ſie ſich da zuſammengeängſtelt hat. Denn“ —
Soweit war der alte Herr in ſeiner Rede gekommen, da hörte man draußen eine Laſt niederſetzen. Der alte Herr ſtand einen Augenblick ſtumm und wie verſteinert da. Der Valentin hatte durch das Fenſter den Blechſchmiede¬ geſellen kommen ſehn, der eben ablud. „Der Jörg vom Blechſchmied,“ ſagte Valentin, „der die blechernen Guirlanden vollends bringt.“ „„Und da iſt Er er¬ ſchrocken mit ſeinen Einbildungen und hat gemeint, ſie bringen, wer weiß wen. Wo iſt der Fritz?““ „Auf dem Kirchendach,“ entgegnete Valentin. „„Gut,““ ſagte Herr Nettenmair. „„Sag' Er dem Blechſchmidt, er ſoll her¬ ein kommen, wenn er fertig iſt.““ Der Geſelle that's. Bis Jener hereinkam, fuhr Herr Nettenmair noch mit gedämpftern Tönen in ſeiner Strafpredigt fort. Er ſprach davon, wie Menſchen ſich Einbildungen zuſam¬ mendichteten und ſich ängſteten darüber, wie über wirk¬ liche Dinge; wie die Gedanken dem Menſchen über den Kopf wüchſen und ihm keine gute Stunde ließen, wenn er nicht gleich im Anfang ſich ihrer erwehre. Es war, als wollte der alte Herr ſich über ſich ſelbſt luſtig machen. Er dachte nicht daran, daß er den Va¬ lentin über ſeinen eigenen Fehler abkanzelte. Dagegen fühlte ſich Valentin beſchämt, als treffe ihn die Strafe verdientermaßen; und er hörte dem alten Herrn mit
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0213"n="204"/>
glück oder gar Schande bringen können. Ich bin ge¬<lb/>
wiß, die Sache wird ſich ausweiſen, wie ſie iſt, und<lb/>
nicht, wie Er ſie ſich da zuſammengeängſtelt hat. Denn“—</p><lb/><p>Soweit war der alte Herr in ſeiner Rede gekommen,<lb/>
da hörte man draußen eine Laſt niederſetzen. Der alte<lb/>
Herr ſtand einen Augenblick ſtumm und wie verſteinert da.<lb/>
Der Valentin hatte durch das Fenſter den Blechſchmiede¬<lb/>
geſellen kommen ſehn, der eben ablud. „Der Jörg<lb/>
vom Blechſchmied,“ſagte Valentin, „der die blechernen<lb/>
Guirlanden vollends bringt.“„„Und da iſt Er er¬<lb/>ſchrocken mit ſeinen Einbildungen und hat gemeint,<lb/>ſie bringen, wer weiß wen. Wo iſt der Fritz?““„Auf<lb/>
dem Kirchendach,“ entgegnete Valentin. „„Gut,““ſagte<lb/>
Herr Nettenmair. „„Sag' Er dem Blechſchmidt, er ſoll her¬<lb/>
ein kommen, wenn er fertig iſt.““ Der Geſelle that's.<lb/>
Bis Jener hereinkam, fuhr Herr Nettenmair noch mit<lb/>
gedämpftern Tönen in ſeiner Strafpredigt fort. Er<lb/>ſprach davon, wie Menſchen ſich Einbildungen zuſam¬<lb/>
mendichteten und ſich ängſteten darüber, wie über wirk¬<lb/>
liche Dinge; wie die Gedanken dem Menſchen über<lb/>
den Kopf wüchſen und ihm keine gute Stunde ließen,<lb/>
wenn er nicht gleich im Anfang ſich ihrer erwehre.<lb/>
Es war, als wollte der alte Herr ſich über ſich ſelbſt<lb/>
luſtig machen. Er dachte nicht daran, daß er den Va¬<lb/>
lentin über ſeinen eigenen Fehler abkanzelte. Dagegen<lb/>
fühlte ſich Valentin beſchämt, als treffe ihn die Strafe<lb/>
verdientermaßen; und er hörte dem alten Herrn mit<lb/></p></div></body></text></TEI>
[204/0213]
glück oder gar Schande bringen können. Ich bin ge¬
wiß, die Sache wird ſich ausweiſen, wie ſie iſt, und
nicht, wie Er ſie ſich da zuſammengeängſtelt hat. Denn“ —
Soweit war der alte Herr in ſeiner Rede gekommen,
da hörte man draußen eine Laſt niederſetzen. Der alte
Herr ſtand einen Augenblick ſtumm und wie verſteinert da.
Der Valentin hatte durch das Fenſter den Blechſchmiede¬
geſellen kommen ſehn, der eben ablud. „Der Jörg
vom Blechſchmied,“ ſagte Valentin, „der die blechernen
Guirlanden vollends bringt.“ „„Und da iſt Er er¬
ſchrocken mit ſeinen Einbildungen und hat gemeint,
ſie bringen, wer weiß wen. Wo iſt der Fritz?““ „Auf
dem Kirchendach,“ entgegnete Valentin. „„Gut,““ ſagte
Herr Nettenmair. „„Sag' Er dem Blechſchmidt, er ſoll her¬
ein kommen, wenn er fertig iſt.““ Der Geſelle that's.
Bis Jener hereinkam, fuhr Herr Nettenmair noch mit
gedämpftern Tönen in ſeiner Strafpredigt fort. Er
ſprach davon, wie Menſchen ſich Einbildungen zuſam¬
mendichteten und ſich ängſteten darüber, wie über wirk¬
liche Dinge; wie die Gedanken dem Menſchen über
den Kopf wüchſen und ihm keine gute Stunde ließen,
wenn er nicht gleich im Anfang ſich ihrer erwehre.
Es war, als wollte der alte Herr ſich über ſich ſelbſt
luſtig machen. Er dachte nicht daran, daß er den Va¬
lentin über ſeinen eigenen Fehler abkanzelte. Dagegen
fühlte ſich Valentin beſchämt, als treffe ihn die Strafe
verdientermaßen; und er hörte dem alten Herrn mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/213>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.