sprechen, er mochte sprechen von wem er wollte. "Nun, er wird nunmehr daheim sein," entgegnete der Gesell. Der alte Herr wiederholte seine Frage nicht; er mußte sich an dem Balken festhalten, an dem er lehnte. "Er war schon auf dem Wege," fuhr der Geselle fort; "ich bin mit ihm bis an's Thor gegangen. Da hat er mich zum Blechschmied geschickt, ich sollte fragen, ob das Blechzeug endlich fertig wär. Der Jörg sagte, er hätt's schon hingeschafft, und käm' eben vom Thurm¬ dach von Sankt Georg, da hätt' er den alten Herrn Nettenmair hinaufgeführt. Da hab' ich gemeint, er wird noch oben sein; und weil's so eilig war, wollt' ich ihn fragen, ob ich vielleicht den Herrn Apollonius heraufschicken soll."
Jetzt erst gelang's Herrn Nettenmair, den Balken, an dem er sich hatte festhalten müssen, herauf und herunter zu betasten, als hab' er ihn nur umfaßt, um ihn zu untersuchen. Da er fühlte, seine Hände zitterten, gab er die Untersuchung auf. Er sagte so grimmig, als er im Augenblick vermochte: ""Ich komme selber hin¬ unter. Wart' Er auf dem Absatz, bis ich ihn rufe."" Der Gesell gehorchte. Herr Nettenmair schöpfte tief Athem, als er sich nicht mehr beobachtet wußte. Aus dem Athmen ward ein Schluchzen. Jetzt, da der Seelenkrampf, in dem er sich seit Valentin's Mittheilung befunden, sich zu lösen begann, trat erst der Vater¬ schmerz hervor, den die leidenschaftliche Anstrengung
ſprechen, er mochte ſprechen von wem er wollte. „Nun, er wird nunmehr daheim ſein,“ entgegnete der Geſell. Der alte Herr wiederholte ſeine Frage nicht; er mußte ſich an dem Balken feſthalten, an dem er lehnte. „Er war ſchon auf dem Wege,“ fuhr der Geſelle fort; „ich bin mit ihm bis an's Thor gegangen. Da hat er mich zum Blechſchmied geſchickt, ich ſollte fragen, ob das Blechzeug endlich fertig wär. Der Jörg ſagte, er hätt's ſchon hingeſchafft, und käm' eben vom Thurm¬ dach von Sankt Georg, da hätt' er den alten Herrn Nettenmair hinaufgeführt. Da hab' ich gemeint, er wird noch oben ſein; und weil's ſo eilig war, wollt' ich ihn fragen, ob ich vielleicht den Herrn Apollonius heraufſchicken ſoll.“
Jetzt erſt gelang's Herrn Nettenmair, den Balken, an dem er ſich hatte feſthalten müſſen, herauf und herunter zu betaſten, als hab' er ihn nur umfaßt, um ihn zu unterſuchen. Da er fühlte, ſeine Hände zitterten, gab er die Unterſuchung auf. Er ſagte ſo grimmig, als er im Augenblick vermochte: „„Ich komme ſelber hin¬ unter. Wart' Er auf dem Abſatz, bis ich ihn rufe.““ Der Geſell gehorchte. Herr Nettenmair ſchöpfte tief Athem, als er ſich nicht mehr beobachtet wußte. Aus dem Athmen ward ein Schluchzen. Jetzt, da der Seelenkrampf, in dem er ſich ſeit Valentin's Mittheilung befunden, ſich zu löſen begann, trat erſt der Vater¬ ſchmerz hervor, den die leidenſchaftliche Anſtrengung
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ſprechen, er mochte ſprechen von wem er wollte. „Nun,
er wird nunmehr daheim ſein,“ entgegnete der Geſell.
Der alte Herr wiederholte ſeine Frage nicht; er mußte
ſich an dem Balken feſthalten, an dem er lehnte.
„Er war ſchon auf dem Wege,“ fuhr der Geſelle fort;
„ich bin mit ihm bis an's Thor gegangen. Da hat
er mich zum Blechſchmied geſchickt, ich ſollte fragen,
ob das Blechzeug endlich fertig wär. Der Jörg ſagte,
er hätt's ſchon hingeſchafft, und käm' eben vom Thurm¬
dach von Sankt Georg, da hätt' er den alten Herrn
Nettenmair hinaufgeführt. Da hab' ich gemeint, er
wird noch oben ſein; und weil's ſo eilig war, wollt'
ich ihn fragen, ob ich vielleicht den Herrn Apollonius
heraufſchicken ſoll.“
Jetzt erſt gelang's Herrn Nettenmair, den Balken,
an dem er ſich hatte feſthalten müſſen, herauf und herunter
zu betaſten, als hab' er ihn nur umfaßt, um ihn zu
unterſuchen. Da er fühlte, ſeine Hände zitterten, gab
er die Unterſuchung auf. Er ſagte ſo grimmig, als
er im Augenblick vermochte: „„Ich komme ſelber hin¬
unter. Wart' Er auf dem Abſatz, bis ich ihn rufe.““
Der Geſell gehorchte. Herr Nettenmair ſchöpfte tief
Athem, als er ſich nicht mehr beobachtet wußte. Aus
dem Athmen ward ein Schluchzen. Jetzt, da der
Seelenkrampf, in dem er ſich ſeit Valentin's Mittheilung
befunden, ſich zu löſen begann, trat erſt der Vater¬
ſchmerz hervor, den die leidenſchaftliche Anſtrengung
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/229>, abgerufen am 04.12.2024.
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