Das Alles waren nicht deutliche Gedanken; hundert einzelne Empfindungen, die, in den Strom Eines tiefen und wilden Gefühls hingerissen, durch seine Adern stürz¬ ten und die Muskeln seiner Arme spannten, etwas, das sein ist, an sein Herz zu pressen. Aber eine dunkle Angst drängt dem Strom entgegen und hält die Mus¬ keln wie im Starrkrampfe fest. Das Gefühl, er will etwas thun, und ist sich nicht klar, was es ist, wohin es führen kann; eine ferne Erinnerung, daß er ein Wort gegeben hat, das er brechen wird, läßt er sich fortreißen. Die dunkle Vorstellung, als stehe er wie an seinem Tische, und, bewegt er sich, eh' er sich um¬ gesehn, könn' er etwas wie ein Tintenfaß auf etwas wie Wäsche oder ein werthvolles Papier werfen; all' dem lag die angstvolle Vorahnung zu Grunde, er könne mit Einer Bewegung Etwas verderben, was nicht wieder gut zu machen sei. Er rang schon lange unter den berauschenden Tönen nach Etwas, eh' er wußte, daß er rang, und daß dies Etwas die Klarheit war, das Grundbedürfniß seiner Natur. Und nun kam sie ihm und sagte: "das Wort, das du gegeben hast, ist, die Ehre des Hauses aufrecht zu erhalten, und was du thun willst, muß sie zernichten." Er war der Mann und mußte für sich und sie einstehn. Sie brandmarkte den Verrath, den er mit einem Drucke, mit einem Blicke, an dem rührenden unbedingten Vertraun üben würde, das aus des Weibes Hingebung sprach,
Das Alles waren nicht deutliche Gedanken; hundert einzelne Empfindungen, die, in den Strom Eines tiefen und wilden Gefühls hingeriſſen, durch ſeine Adern ſtürz¬ ten und die Muskeln ſeiner Arme ſpannten, etwas, das ſein iſt, an ſein Herz zu preſſen. Aber eine dunkle Angſt drängt dem Strom entgegen und hält die Mus¬ keln wie im Starrkrampfe feſt. Das Gefühl, er will etwas thun, und iſt ſich nicht klar, was es iſt, wohin es führen kann; eine ferne Erinnerung, daß er ein Wort gegeben hat, das er brechen wird, läßt er ſich fortreißen. Die dunkle Vorſtellung, als ſtehe er wie an ſeinem Tiſche, und, bewegt er ſich, eh' er ſich um¬ geſehn, könn' er etwas wie ein Tintenfaß auf etwas wie Wäſche oder ein werthvolles Papier werfen; all' dem lag die angſtvolle Vorahnung zu Grunde, er könne mit Einer Bewegung Etwas verderben, was nicht wieder gut zu machen ſei. Er rang ſchon lange unter den berauſchenden Tönen nach Etwas, eh' er wußte, daß er rang, und daß dies Etwas die Klarheit war, das Grundbedürfniß ſeiner Natur. Und nun kam ſie ihm und ſagte: „das Wort, das du gegeben haſt, iſt, die Ehre des Hauſes aufrecht zu erhalten, und was du thun willſt, muß ſie zernichten.“ Er war der Mann und mußte für ſich und ſie einſtehn. Sie brandmarkte den Verrath, den er mit einem Drucke, mit einem Blicke, an dem rührenden unbedingten Vertraun üben würde, das aus des Weibes Hingebung ſprach,
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Das Alles waren nicht deutliche Gedanken; hundert
einzelne Empfindungen, die, in den Strom Eines tiefen
und wilden Gefühls hingeriſſen, durch ſeine Adern ſtürz¬
ten und die Muskeln ſeiner Arme ſpannten, etwas,
das ſein iſt, an ſein Herz zu preſſen. Aber eine dunkle
Angſt drängt dem Strom entgegen und hält die Mus¬
keln wie im Starrkrampfe feſt. Das Gefühl, er will
etwas thun, und iſt ſich nicht klar, was es iſt, wohin
es führen kann; eine ferne Erinnerung, daß er ein
Wort gegeben hat, das er brechen wird, läßt er ſich
fortreißen. Die dunkle Vorſtellung, als ſtehe er wie
an ſeinem Tiſche, und, bewegt er ſich, eh' er ſich um¬
geſehn, könn' er etwas wie ein Tintenfaß auf etwas
wie Wäſche oder ein werthvolles Papier werfen; all'
dem lag die angſtvolle Vorahnung zu Grunde, er
könne mit Einer Bewegung Etwas verderben, was
nicht wieder gut zu machen ſei. Er rang ſchon lange
unter den berauſchenden Tönen nach Etwas, eh' er
wußte, daß er rang, und daß dies Etwas die Klarheit
war, das Grundbedürfniß ſeiner Natur. Und nun kam
ſie ihm und ſagte: „das Wort, das du gegeben haſt,
iſt, die Ehre des Hauſes aufrecht zu erhalten, und was
du thun willſt, muß ſie zernichten.“ Er war der
Mann und mußte für ſich und ſie einſtehn. Sie
brandmarkte den Verrath, den er mit einem Drucke, mit
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/246>, abgerufen am 04.12.2024.
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