den Armen fassen mit seiner ganzen Kraft, ihn herum¬ drehen und hinunterstürzen, oder der Bruder reißt ihn mit hinunter. Doch ruft er: "Ich nicht!" ""Gut!"" stöhnt Jener. ""Auch das willst du auf mich wälzen! Auch dazu willst du mich bringen! Nun ist's mit dei¬ ner Scheinheiligkeit am End'."" Apollonius würde einen andern Halt suchen, wüßt' er nicht, der Bruder benutzt den Augenblick, wo er den alten läßt. Und schon stürzt der mit wildem Anlauf heran. Apollonius' Hand rutscht von der Balkenkante ab. Er ist verloren, findet er keinen neuen Halt. Er kann vielleicht im Sprunge den Balken mit beiden Händen umfassen, aber dann stürzt den Bruder, den kein Widerstand mehr aufhält, die Gewalt des eigenen Anlaufes durch die Thür. Da sieht er im Geiste den alten, braven, stolzen Vater, sie und die Kinder; ihm kommt das Wort, das er sich gab; er ist der einzige Halt der Seinen; er muß leben. Ein Schwung, und er hat den Balken im Arme; in demselben Augenblicke stürzt der Bruder vorbei. Die Gewichte tief unter ihnen rasseln, und es schlägt zwei Uhr.
Die Dohlen, die der Kampf aus ihrer Ruhe ge¬ stört, schießen wild hernieder bis zur Aussteigethür, und schweben in krächzender Wolke dort. Tief unter ihnen hört man den Fall eines schweren Körpers auf dem Straßenpflaster. Ein Aufschrei schallt zugleich von allen Seiten. Ein Zusammeneilen, ein Hände¬
den Armen faſſen mit ſeiner ganzen Kraft, ihn herum¬ drehen und hinunterſtürzen, oder der Bruder reißt ihn mit hinunter. Doch ruft er: „Ich nicht!“ „„Gut!““ ſtöhnt Jener. „„Auch das willſt du auf mich wälzen! Auch dazu willſt du mich bringen! Nun iſt's mit dei¬ ner Scheinheiligkeit am End'.““ Apollonius würde einen andern Halt ſuchen, wüßt' er nicht, der Bruder benutzt den Augenblick, wo er den alten läßt. Und ſchon ſtürzt der mit wildem Anlauf heran. Apollonius' Hand rutſcht von der Balkenkante ab. Er iſt verloren, findet er keinen neuen Halt. Er kann vielleicht im Sprunge den Balken mit beiden Händen umfaſſen, aber dann ſtürzt den Bruder, den kein Widerſtand mehr aufhält, die Gewalt des eigenen Anlaufes durch die Thür. Da ſieht er im Geiſte den alten, braven, ſtolzen Vater, ſie und die Kinder; ihm kommt das Wort, das er ſich gab; er iſt der einzige Halt der Seinen; er muß leben. Ein Schwung, und er hat den Balken im Arme; in demſelben Augenblicke ſtürzt der Bruder vorbei. Die Gewichte tief unter ihnen raſſeln, und es ſchlägt zwei Uhr.
Die Dohlen, die der Kampf aus ihrer Ruhe ge¬ ſtört, ſchießen wild hernieder bis zur Ausſteigethür, und ſchweben in krächzender Wolke dort. Tief unter ihnen hört man den Fall eines ſchweren Körpers auf dem Straßenpflaſter. Ein Aufſchrei ſchallt zugleich von allen Seiten. Ein Zuſammeneilen, ein Hände¬
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den Armen faſſen mit ſeiner ganzen Kraft, ihn herum¬
drehen und hinunterſtürzen, oder der Bruder reißt ihn
mit hinunter. Doch ruft er: „Ich nicht!“ „„Gut!““
ſtöhnt Jener. „„Auch das willſt du auf mich wälzen!
Auch dazu willſt du mich bringen! Nun iſt's mit dei¬
ner Scheinheiligkeit am End'.““ Apollonius würde
einen andern Halt ſuchen, wüßt' er nicht, der Bruder
benutzt den Augenblick, wo er den alten läßt. Und
ſchon ſtürzt der mit wildem Anlauf heran. Apollonius'
Hand rutſcht von der Balkenkante ab. Er iſt verloren,
findet er keinen neuen Halt. Er kann vielleicht im
Sprunge den Balken mit beiden Händen umfaſſen,
aber dann ſtürzt den Bruder, den kein Widerſtand
mehr aufhält, die Gewalt des eigenen Anlaufes durch
die Thür. Da ſieht er im Geiſte den alten, braven,
ſtolzen Vater, ſie und die Kinder; ihm kommt das
Wort, das er ſich gab; er iſt der einzige Halt der
Seinen; er muß leben. Ein Schwung, und er hat
den Balken im Arme; in demſelben Augenblicke ſtürzt
der Bruder vorbei. Die Gewichte tief unter ihnen
raſſeln, und es ſchlägt zwei Uhr.
Die Dohlen, die der Kampf aus ihrer Ruhe ge¬
ſtört, ſchießen wild hernieder bis zur Ausſteigethür,
und ſchweben in krächzender Wolke dort. Tief unter
ihnen hört man den Fall eines ſchweren Körpers auf
dem Straßenpflaſter. Ein Aufſchrei ſchallt zugleich
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/267>, abgerufen am 18.12.2024.
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