zufallen, sich in seinen Arbeitskleidern, nur den Mantel übergeworfen, in den Postwagen gesetzt hatte. Der Mantel war unterwegs liegen geblieben, und die ein Recht auf seine Auslieferung hatten, meldeten sich natürlich nicht dazu. In den bloßen Arbeitskleidern war er zurückgekehrt. Wer von seiner Abreise wußte, setzte voraus, er sei zuerst in seinem Hause gewesen und habe sich da umgekleidet; wer auf dem Rückweg ihm begegnet war, hatte gemeint, er komme vom Schieferbruch oder irgend sonst von einer Arbeit oder Arbeitsrücksprache. Es fiel Niemand ein, rückwärts auf dergleichen kaum beachtete Umstände Gewicht zu legen, da es nicht galt, die Geschichte erst zusammen¬ zusetzen, da man sie schon fertig erhielt. Dazu hatte er vor der That an seinem gewöhnlichen Zerstreuungs¬ orte stark getrunken und mit seiner Wagehalsigkeit ge¬ prahlt. Darin hatte er von je, seiner Natur nach, die höchste Eigenschaft eines vollkommenen Schieferdeckers gesehn und in der Zeit seiner Thätigkeit genug Beweise gegeben, die der Oeffentlichkeit nicht unbekannt geblieben waren, daß er jene Eigenschaft besaß. Dann hatte er geäußert, jetzt wolle er sein Meisterstück machen, und war stark berauscht von der Schenke nach Sankt Georg gegangen. Alles Umstände, die herumkamen und die einmal gefaßte Meinung nur bestätigten. Ein glück¬ licher Zufall hatte alle Arbeiter von Sankt Georg entfernt; von dem Kampfe vor dem Sturz wußten
zufallen, ſich in ſeinen Arbeitskleidern, nur den Mantel übergeworfen, in den Poſtwagen geſetzt hatte. Der Mantel war unterwegs liegen geblieben, und die ein Recht auf ſeine Auslieferung hatten, meldeten ſich natürlich nicht dazu. In den bloßen Arbeitskleidern war er zurückgekehrt. Wer von ſeiner Abreiſe wußte, ſetzte voraus, er ſei zuerſt in ſeinem Hauſe geweſen und habe ſich da umgekleidet; wer auf dem Rückweg ihm begegnet war, hatte gemeint, er komme vom Schieferbruch oder irgend ſonſt von einer Arbeit oder Arbeitsrückſprache. Es fiel Niemand ein, rückwärts auf dergleichen kaum beachtete Umſtände Gewicht zu legen, da es nicht galt, die Geſchichte erſt zuſammen¬ zuſetzen, da man ſie ſchon fertig erhielt. Dazu hatte er vor der That an ſeinem gewöhnlichen Zerſtreuungs¬ orte ſtark getrunken und mit ſeiner Wagehalſigkeit ge¬ prahlt. Darin hatte er von je, ſeiner Natur nach, die höchſte Eigenſchaft eines vollkommenen Schieferdeckers geſehn und in der Zeit ſeiner Thätigkeit genug Beweiſe gegeben, die der Oeffentlichkeit nicht unbekannt geblieben waren, daß er jene Eigenſchaft beſaß. Dann hatte er geäußert, jetzt wolle er ſein Meiſterſtück machen, und war ſtark berauſcht von der Schenke nach Sankt Georg gegangen. Alles Umſtände, die herumkamen und die einmal gefaßte Meinung nur beſtätigten. Ein glück¬ licher Zufall hatte alle Arbeiter von Sankt Georg entfernt; von dem Kampfe vor dem Sturz wußten
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0269"n="260"/>
zufallen, ſich in ſeinen Arbeitskleidern, nur den Mantel<lb/>
übergeworfen, in den Poſtwagen geſetzt hatte. Der<lb/>
Mantel war unterwegs liegen geblieben, und die ein<lb/>
Recht auf ſeine Auslieferung hatten, meldeten ſich<lb/>
natürlich nicht dazu. In den bloßen Arbeitskleidern<lb/>
war er zurückgekehrt. Wer von ſeiner Abreiſe wußte,<lb/>ſetzte voraus, er ſei zuerſt in ſeinem Hauſe geweſen<lb/>
und habe ſich da umgekleidet; wer auf dem Rückweg<lb/>
ihm begegnet war, hatte gemeint, er komme vom<lb/>
Schieferbruch oder irgend ſonſt von einer Arbeit oder<lb/>
Arbeitsrückſprache. Es fiel Niemand ein, rückwärts<lb/>
auf dergleichen kaum beachtete Umſtände Gewicht zu<lb/>
legen, da es nicht galt, die Geſchichte erſt zuſammen¬<lb/>
zuſetzen, da man ſie ſchon fertig erhielt. Dazu hatte<lb/>
er vor der That an ſeinem gewöhnlichen Zerſtreuungs¬<lb/>
orte ſtark getrunken und mit ſeiner Wagehalſigkeit ge¬<lb/>
prahlt. Darin hatte er von je, ſeiner Natur nach, die<lb/>
höchſte Eigenſchaft eines vollkommenen Schieferdeckers<lb/>
geſehn und in der Zeit ſeiner Thätigkeit genug Beweiſe<lb/>
gegeben, die der Oeffentlichkeit nicht unbekannt geblieben<lb/>
waren, daß er jene Eigenſchaft beſaß. Dann hatte er<lb/>
geäußert, jetzt wolle er ſein Meiſterſtück machen, und<lb/>
war ſtark berauſcht von der Schenke nach Sankt Georg<lb/>
gegangen. Alles Umſtände, die herumkamen und die<lb/>
einmal gefaßte Meinung nur beſtätigten. Ein glück¬<lb/>
licher Zufall hatte alle Arbeiter von Sankt Georg<lb/>
entfernt; von dem Kampfe vor dem Sturz wußten<lb/></p></div></body></text></TEI>
[260/0269]
zufallen, ſich in ſeinen Arbeitskleidern, nur den Mantel
übergeworfen, in den Poſtwagen geſetzt hatte. Der
Mantel war unterwegs liegen geblieben, und die ein
Recht auf ſeine Auslieferung hatten, meldeten ſich
natürlich nicht dazu. In den bloßen Arbeitskleidern
war er zurückgekehrt. Wer von ſeiner Abreiſe wußte,
ſetzte voraus, er ſei zuerſt in ſeinem Hauſe geweſen
und habe ſich da umgekleidet; wer auf dem Rückweg
ihm begegnet war, hatte gemeint, er komme vom
Schieferbruch oder irgend ſonſt von einer Arbeit oder
Arbeitsrückſprache. Es fiel Niemand ein, rückwärts
auf dergleichen kaum beachtete Umſtände Gewicht zu
legen, da es nicht galt, die Geſchichte erſt zuſammen¬
zuſetzen, da man ſie ſchon fertig erhielt. Dazu hatte
er vor der That an ſeinem gewöhnlichen Zerſtreuungs¬
orte ſtark getrunken und mit ſeiner Wagehalſigkeit ge¬
prahlt. Darin hatte er von je, ſeiner Natur nach, die
höchſte Eigenſchaft eines vollkommenen Schieferdeckers
geſehn und in der Zeit ſeiner Thätigkeit genug Beweiſe
gegeben, die der Oeffentlichkeit nicht unbekannt geblieben
waren, daß er jene Eigenſchaft beſaß. Dann hatte er
geäußert, jetzt wolle er ſein Meiſterſtück machen, und
war ſtark berauſcht von der Schenke nach Sankt Georg
gegangen. Alles Umſtände, die herumkamen und die
einmal gefaßte Meinung nur beſtätigten. Ein glück¬
licher Zufall hatte alle Arbeiter von Sankt Georg
entfernt; von dem Kampfe vor dem Sturz wußten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/269>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.