ein gefährlich Handwerk, das Schieferdeckerhandwerk zwischen Himmel und Erde; das predigt der Mann, der unter dem schwarzen Flattern zwischen den Bretern liegt, so stumm er ist, mit erschütternder Beredsamkeit. Dann mustern sie den alten Herrn, den zwei Leid¬ tragende führen. Er sieht aus wie der Geist des ehr¬ lichen Begräbnisses selbst. Doch über dem schlanken, hohen Apollonius neben dem würdigen Bauherrn, ver¬ gessen sie die ganze Milde, die sie vorhin geübt; sie graben den Todten wiederum aus den nassen Todtenblumen heraus, womit sie seine menschliche Blöße bedeckt. Seinetwegen wär' der Hammer über ihm voll dunkeln Rosts der Schande. Apollonius ist's, dem er dankt, daß das Werkzeug so ehrenblank über seinem letzten Bette liegt. Und ob er's um ihn verdient hat? Das will keine sagen. Könnte sie der Todte hören vor den Bretern und dem schwarzen Geflatter darum, er hätte dem Bruder noch mehr zu verzeihn. Oder auch nicht zu verzeihn; er hatte ihm nichts verziehen, nicht was er an Apollonius, nicht was dieser an ihm gethan. Und könnt' er vollends dem Bruder in das Herz sehn, aus dem sein Tod allen Groll verwischt, das sich Vorwürfe macht, weil es einen Bösewicht sah, wo es den unglücklichen Wahnsinnigen hätte bedauern müssen, er steifte sich noch tiefer in den Neid der Teu¬ fel. Dann kommt die junge Frau an die Reihe, und völlig in der Weise ihres Geschlechtes schlagen die
ein gefährlich Handwerk, das Schieferdeckerhandwerk zwiſchen Himmel und Erde; das predigt der Mann, der unter dem ſchwarzen Flattern zwiſchen den Bretern liegt, ſo ſtumm er iſt, mit erſchütternder Beredſamkeit. Dann muſtern ſie den alten Herrn, den zwei Leid¬ tragende führen. Er ſieht aus wie der Geiſt des ehr¬ lichen Begräbniſſes ſelbſt. Doch über dem ſchlanken, hohen Apollonius neben dem würdigen Bauherrn, ver¬ geſſen ſie die ganze Milde, die ſie vorhin geübt; ſie graben den Todten wiederum aus den naſſen Todtenblumen heraus, womit ſie ſeine menſchliche Blöße bedeckt. Seinetwegen wär' der Hammer über ihm voll dunkeln Roſts der Schande. Apollonius iſt's, dem er dankt, daß das Werkzeug ſo ehrenblank über ſeinem letzten Bette liegt. Und ob er's um ihn verdient hat? Das will keine ſagen. Könnte ſie der Todte hören vor den Bretern und dem ſchwarzen Geflatter darum, er hätte dem Bruder noch mehr zu verzeihn. Oder auch nicht zu verzeihn; er hatte ihm nichts verziehen, nicht was er an Apollonius, nicht was dieſer an ihm gethan. Und könnt' er vollends dem Bruder in das Herz ſehn, aus dem ſein Tod allen Groll verwiſcht, das ſich Vorwürfe macht, weil es einen Böſewicht ſah, wo es den unglücklichen Wahnſinnigen hätte bedauern müſſen, er ſteifte ſich noch tiefer in den Neid der Teu¬ fel. Dann kommt die junge Frau an die Reihe, und völlig in der Weiſe ihres Geſchlechtes ſchlagen die
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0272"n="263"/>
ein gefährlich Handwerk, das Schieferdeckerhandwerk<lb/>
zwiſchen Himmel und Erde; das predigt der Mann,<lb/>
der unter dem ſchwarzen Flattern zwiſchen den Bretern<lb/>
liegt, ſo ſtumm er iſt, mit erſchütternder Beredſamkeit.<lb/>
Dann muſtern ſie den alten Herrn, den zwei Leid¬<lb/>
tragende führen. Er ſieht aus wie der Geiſt des ehr¬<lb/>
lichen Begräbniſſes ſelbſt. Doch über dem ſchlanken,<lb/>
hohen Apollonius neben dem würdigen Bauherrn, ver¬<lb/>
geſſen ſie die ganze Milde, die ſie vorhin geübt; ſie graben<lb/>
den Todten wiederum aus den naſſen Todtenblumen<lb/>
heraus, womit ſie ſeine menſchliche Blöße bedeckt.<lb/>
Seinetwegen wär' der Hammer über ihm voll dunkeln<lb/>
Roſts der Schande. Apollonius iſt's, dem er dankt,<lb/>
daß das Werkzeug ſo ehrenblank über ſeinem letzten<lb/>
Bette liegt. Und ob er's um ihn verdient hat? Das<lb/>
will keine ſagen. Könnte ſie der Todte hören<lb/>
vor den Bretern und dem ſchwarzen Geflatter darum,<lb/>
er hätte dem Bruder noch mehr zu verzeihn. Oder<lb/>
auch nicht zu verzeihn; er hatte ihm nichts verziehen,<lb/>
nicht was er an Apollonius, nicht was dieſer an ihm<lb/>
gethan. Und könnt' er vollends dem Bruder in das<lb/>
Herz ſehn, aus dem ſein Tod allen Groll verwiſcht,<lb/>
das ſich Vorwürfe macht, weil es einen Böſewicht ſah,<lb/>
wo es den unglücklichen Wahnſinnigen hätte bedauern<lb/>
müſſen, er ſteifte ſich noch tiefer in den Neid der Teu¬<lb/>
fel. Dann kommt die junge Frau an die Reihe, und<lb/>
völlig in der Weiſe ihres Geſchlechtes ſchlagen die<lb/></p></div></body></text></TEI>
[263/0272]
ein gefährlich Handwerk, das Schieferdeckerhandwerk
zwiſchen Himmel und Erde; das predigt der Mann,
der unter dem ſchwarzen Flattern zwiſchen den Bretern
liegt, ſo ſtumm er iſt, mit erſchütternder Beredſamkeit.
Dann muſtern ſie den alten Herrn, den zwei Leid¬
tragende führen. Er ſieht aus wie der Geiſt des ehr¬
lichen Begräbniſſes ſelbſt. Doch über dem ſchlanken,
hohen Apollonius neben dem würdigen Bauherrn, ver¬
geſſen ſie die ganze Milde, die ſie vorhin geübt; ſie graben
den Todten wiederum aus den naſſen Todtenblumen
heraus, womit ſie ſeine menſchliche Blöße bedeckt.
Seinetwegen wär' der Hammer über ihm voll dunkeln
Roſts der Schande. Apollonius iſt's, dem er dankt,
daß das Werkzeug ſo ehrenblank über ſeinem letzten
Bette liegt. Und ob er's um ihn verdient hat? Das
will keine ſagen. Könnte ſie der Todte hören
vor den Bretern und dem ſchwarzen Geflatter darum,
er hätte dem Bruder noch mehr zu verzeihn. Oder
auch nicht zu verzeihn; er hatte ihm nichts verziehen,
nicht was er an Apollonius, nicht was dieſer an ihm
gethan. Und könnt' er vollends dem Bruder in das
Herz ſehn, aus dem ſein Tod allen Groll verwiſcht,
das ſich Vorwürfe macht, weil es einen Böſewicht ſah,
wo es den unglücklichen Wahnſinnigen hätte bedauern
müſſen, er ſteifte ſich noch tiefer in den Neid der Teu¬
fel. Dann kommt die junge Frau an die Reihe, und
völlig in der Weiſe ihres Geſchlechtes ſchlagen die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/272>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.