fühlte, der Vater empfand diese Ungewißheit mit Be¬ schämung, und zwang die versagende Brust zu dem Rufe: Vater! lieber Vater! Er stürzte neben dem alten Herrn in die Kniee und wollte beide Arme um ihn schlagen. Der alte Herr machte eine Bewegung, die um Scho¬ nung zu bitten schien, obgleich sie nur den Jüngling von ihm abhalten sollte. Der schlug die zurückgewie¬ senen Arme um die eigene Brust, den Schmerz da fest zu halten, der, über die Lippen gestiegen, dem Vater verrathen hätte, wie tief er dessen Elend empfand. Die gleiche Schonung ließ den alten Valentin die unwill¬ kührliche Bewegung, dem alten Herrn sich aufrichten zu helfen, zu einem Griff nach der Scheere machen, die zwischen ihm und diesem lag. Auch er wollte den Ankömmling verbergen, was nicht zu verbergen war. So treu und tief hatte er sich in seinen alten Herrn hineingelebt.
Der alte Herr hatte sich erhoben und reichte dem Sohne die Hand, etwa als wär' dieser so viel Tage fortgewesen, als er Jahre fortgewesen war. Du wirst müde sein und hungrig. Ich leide etwas an den Augen, aber es hat nichts zu sagen. Wegen des Geschäftes rede mit dem Fritz. Ich hab's aufgegeben. Ich will Ruhe haben. Aber das ist's eigentlich nicht; junge Leute müssen auch einmal selbständig werden. Das gibt mehr Lust zum Geschäft.
Ludwig, Zwischen Himmel und Erde. 4
fühlte, der Vater empfand dieſe Ungewißheit mit Be¬ ſchämung, und zwang die verſagende Bruſt zu dem Rufe: Vater! lieber Vater! Er ſtürzte neben dem alten Herrn in die Kniee und wollte beide Arme um ihn ſchlagen. Der alte Herr machte eine Bewegung, die um Scho¬ nung zu bitten ſchien, obgleich ſie nur den Jüngling von ihm abhalten ſollte. Der ſchlug die zurückgewie¬ ſenen Arme um die eigene Bruſt, den Schmerz da feſt zu halten, der, über die Lippen geſtiegen, dem Vater verrathen hätte, wie tief er deſſen Elend empfand. Die gleiche Schonung ließ den alten Valentin die unwill¬ kührliche Bewegung, dem alten Herrn ſich aufrichten zu helfen, zu einem Griff nach der Scheere machen, die zwiſchen ihm und dieſem lag. Auch er wollte den Ankömmling verbergen, was nicht zu verbergen war. So treu und tief hatte er ſich in ſeinen alten Herrn hineingelebt.
Der alte Herr hatte ſich erhoben und reichte dem Sohne die Hand, etwa als wär' dieſer ſo viel Tage fortgeweſen, als er Jahre fortgeweſen war. Du wirſt müde ſein und hungrig. Ich leide etwas an den Augen, aber es hat nichts zu ſagen. Wegen des Geſchäftes rede mit dem Fritz. Ich hab's aufgegeben. Ich will Ruhe haben. Aber das iſt's eigentlich nicht; junge Leute müſſen auch einmal ſelbſtändig werden. Das gibt mehr Luſt zum Geſchäft.
Ludwig, Zwiſchen Himmel und Erde. 4
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fühlte, der Vater empfand dieſe Ungewißheit mit Be¬
ſchämung, und zwang die verſagende Bruſt zu dem Rufe:
Vater! lieber Vater! Er ſtürzte neben dem alten Herrn
in die Kniee und wollte beide Arme um ihn ſchlagen.
Der alte Herr machte eine Bewegung, die um Scho¬
nung zu bitten ſchien, obgleich ſie nur den Jüngling
von ihm abhalten ſollte. Der ſchlug die zurückgewie¬
ſenen Arme um die eigene Bruſt, den Schmerz da feſt
zu halten, der, über die Lippen geſtiegen, dem Vater
verrathen hätte, wie tief er deſſen Elend empfand. Die
gleiche Schonung ließ den alten Valentin die unwill¬
kührliche Bewegung, dem alten Herrn ſich aufrichten
zu helfen, zu einem Griff nach der Scheere machen,
die zwiſchen ihm und dieſem lag. Auch er wollte den
Ankömmling verbergen, was nicht zu verbergen war.
So treu und tief hatte er ſich in ſeinen alten Herrn
hineingelebt.
Der alte Herr hatte ſich erhoben und reichte dem
Sohne die Hand, etwa als wär' dieſer ſo viel Tage
fortgeweſen, als er Jahre fortgeweſen war. Du wirſt
müde ſein und hungrig. Ich leide etwas an den Augen,
aber es hat nichts zu ſagen. Wegen des Geſchäftes
rede mit dem Fritz. Ich hab's aufgegeben. Ich will
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/58>, abgerufen am 18.12.2024.
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