sie einleitenden Erregerwirkung sich ähnlich wie im Rückenmark ge- staltet. -- Als eine Besonderheit des Hirns vor dem Rückenmark ist aber noch hervorzuheben, dass es eine eigenthümliche Art unwill- kürlicher Erregungsquellen in sich führt, auf deren Betrachtung wir im Folgenden eingehen.
Selbsterregung, Automatie. Vom Hirn aus werden ohne Zu- thun des Willens und ohne dass auch eine reflektorische Ursache vor- läge, eine Reihe von Bewegungen erregt; wir sind darum gezwungen, noch einige besondere, Erregung erzeugende Umstände in ihm anzu- nehmen, die wir in Ermanglung schärferer Bezeichnung mit den obigen Namen belegen. Die besondern Erscheinungen, unter denen die Selbsterregung auftritt, sind folgende: a) Die Orte des Hirns, von welchem die automatischen Erregungen ausgehen, sind ganz be- schränkt. -- b) Jede automatische Erregung erstreckt sich nicht auf einen, sondern immer auf eine Zahl von Muskeln; diese Muskeln wer- den immer nur in einer und derselben, räumlich und zeitlich genau geordneten Weise erregt, so dass der aus ihnen hervorgehende Be- wegungseffekt als ein solcher erscheint, der auf ein bestimmtes Ziel gerichtet ist; als Beispiele solcher Bewegungen dienen die Athem- und Schlingbewegungen. -- c) Die Erregung stellt sich in mehr oder weniger regelmässigen Zwischenräumen wieder ein, oder sie ist, wie man sich ausdrückt, eine rhythmisch wiederkehrende. Auf die Beschleunigung, resp. die Verlangsamung des Rhythmus sind von Einfluss: der Willen, indem es diesem gelingt, den selbsterregenden Apparaten einen Anstoss zu geben, in Folge dessen die Bewegung in gewöhnlicher Reihenfolge eintritt; die eigenthümliche Stellung des Willens zu diesen Apparaten liegt darin ausgesprochen, dass es uns für einzelne automatisch bewegte Apparate, wie in denen für den Schlingakt, nicht gelingt, die Ordnung, in der die Muskeln sich zusam- menziehen, umzukehren, wenn wir die Gesammtbewegung auch will- kürlich einleiten können. Ferner wirkt auf den Rhythmus der Reflex, wie am deutlichsten aus den Athembewegungen sichtbar wird, welche durch Erregungen der empfindlichen Haut- und Lungennerven sehr beschleunigt werden können. Ferner übt auf die Beschleunigung des Rhythmus einen Einfluss aus eine gewisse Zusammensetzung des Blutes, indem bei Anwesenheit gewisser Stoffe (wie z. B. der Kohlen- säure?) sich die Athembewegung beschleunigt, während bei Gegenwart anderer, wie des Opiums, sie sich verlangsamt. -- d) Zwischen Stärke und Zeitfolge der Bewegung scheint die Beziehung zu bestehen, dass die Intensität der Erregung mit der steigenden Beschleunigung der Auf- einanderfolge abnimmt; mit andern Worten, die Bewegungen werden um so weniger kräftig, je rascher sie folgen, wie uns am deutlichsten die Athembewegungen zeigen. Eine durch die Erfahrung bestätigte Folgerung dieses Satzes besteht darin, dass die zwei aufeinanderfol-
Selbsterregung.
sie einleitenden Erregerwirkung sich ähnlich wie im Rückenmark ge- staltet. — Als eine Besonderheit des Hirns vor dem Rückenmark ist aber noch hervorzuheben, dass es eine eigenthümliche Art unwill- kürlicher Erregungsquellen in sich führt, auf deren Betrachtung wir im Folgenden eingehen.
Selbsterregung, Automatie. Vom Hirn aus werden ohne Zu- thun des Willens und ohne dass auch eine reflektorische Ursache vor- läge, eine Reihe von Bewegungen erregt; wir sind darum gezwungen, noch einige besondere, Erregung erzeugende Umstände in ihm anzu- nehmen, die wir in Ermanglung schärferer Bezeichnung mit den obigen Namen belegen. Die besondern Erscheinungen, unter denen die Selbsterregung auftritt, sind folgende: a) Die Orte des Hirns, von welchem die automatischen Erregungen ausgehen, sind ganz be- schränkt. — b) Jede automatische Erregung erstreckt sich nicht auf einen, sondern immer auf eine Zahl von Muskeln; diese Muskeln wer- den immer nur in einer und derselben, räumlich und zeitlich genau geordneten Weise erregt, so dass der aus ihnen hervorgehende Be- wegungseffekt als ein solcher erscheint, der auf ein bestimmtes Ziel gerichtet ist; als Beispiele solcher Bewegungen dienen die Athem- und Schlingbewegungen. — c) Die Erregung stellt sich in mehr oder weniger regelmässigen Zwischenräumen wieder ein, oder sie ist, wie man sich ausdrückt, eine rhythmisch wiederkehrende. Auf die Beschleunigung, resp. die Verlangsamung des Rhythmus sind von Einfluss: der Willen, indem es diesem gelingt, den selbsterregenden Apparaten einen Anstoss zu geben, in Folge dessen die Bewegung in gewöhnlicher Reihenfolge eintritt; die eigenthümliche Stellung des Willens zu diesen Apparaten liegt darin ausgesprochen, dass es uns für einzelne automatisch bewegte Apparate, wie in denen für den Schlingakt, nicht gelingt, die Ordnung, in der die Muskeln sich zusam- menziehen, umzukehren, wenn wir die Gesammtbewegung auch will- kürlich einleiten können. Ferner wirkt auf den Rhythmus der Reflex, wie am deutlichsten aus den Athembewegungen sichtbar wird, welche durch Erregungen der empfindlichen Haut- und Lungennerven sehr beschleunigt werden können. Ferner übt auf die Beschleunigung des Rhythmus einen Einfluss aus eine gewisse Zusammensetzung des Blutes, indem bei Anwesenheit gewisser Stoffe (wie z. B. der Kohlen- säure?) sich die Athembewegung beschleunigt, während bei Gegenwart anderer, wie des Opiums, sie sich verlangsamt. — d) Zwischen Stärke und Zeitfolge der Bewegung scheint die Beziehung zu bestehen, dass die Intensität der Erregung mit der steigenden Beschleunigung der Auf- einanderfolge abnimmt; mit andern Worten, die Bewegungen werden um so weniger kräftig, je rascher sie folgen, wie uns am deutlichsten die Athembewegungen zeigen. Eine durch die Erfahrung bestätigte Folgerung dieses Satzes besteht darin, dass die zwei aufeinanderfol-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0187"n="173"/><fwplace="top"type="header">Selbsterregung.</fw><lb/>
sie einleitenden Erregerwirkung sich ähnlich wie im Rückenmark ge-<lb/>
staltet. — Als eine Besonderheit des Hirns vor dem Rückenmark ist<lb/>
aber noch hervorzuheben, dass es eine eigenthümliche Art unwill-<lb/>
kürlicher Erregungsquellen in sich führt, auf deren Betrachtung wir<lb/>
im Folgenden eingehen.</p><lb/><p><hirendition="#g">Selbsterregung, Automatie</hi>. Vom Hirn aus werden ohne Zu-<lb/>
thun des Willens und ohne dass auch eine reflektorische Ursache vor-<lb/>
läge, eine Reihe von Bewegungen erregt; wir sind darum gezwungen,<lb/>
noch einige besondere, Erregung erzeugende Umstände in ihm anzu-<lb/>
nehmen, die wir in Ermanglung schärferer Bezeichnung mit den<lb/>
obigen Namen belegen. Die besondern Erscheinungen, unter denen<lb/>
die Selbsterregung auftritt, sind folgende: a) Die Orte des Hirns, von<lb/>
welchem die automatischen Erregungen ausgehen, sind ganz be-<lb/>
schränkt. — b) Jede automatische Erregung erstreckt sich nicht auf<lb/>
einen, sondern immer auf eine Zahl von Muskeln; diese Muskeln wer-<lb/>
den immer nur in einer und derselben, räumlich und zeitlich genau<lb/>
geordneten Weise erregt, so dass der aus ihnen hervorgehende Be-<lb/>
wegungseffekt als ein solcher erscheint, der auf ein bestimmtes<lb/>
Ziel gerichtet ist; als Beispiele solcher Bewegungen dienen die<lb/>
Athem- und Schlingbewegungen. — c) Die Erregung stellt sich in<lb/>
mehr oder weniger regelmässigen Zwischenräumen wieder ein, oder<lb/>
sie ist, wie man sich ausdrückt, eine rhythmisch wiederkehrende. Auf<lb/>
die Beschleunigung, resp. die Verlangsamung des Rhythmus sind von<lb/>
Einfluss: der <hirendition="#g">Willen</hi>, indem es diesem gelingt, den selbsterregenden<lb/>
Apparaten einen Anstoss zu geben, in Folge dessen die Bewegung in<lb/>
gewöhnlicher Reihenfolge eintritt; die eigenthümliche Stellung des<lb/>
Willens zu diesen Apparaten liegt darin ausgesprochen, dass es uns<lb/>
für einzelne automatisch bewegte Apparate, wie in denen für den<lb/>
Schlingakt, nicht gelingt, die Ordnung, in der die Muskeln sich zusam-<lb/>
menziehen, umzukehren, wenn wir die Gesammtbewegung auch will-<lb/>
kürlich einleiten können. Ferner wirkt auf den Rhythmus <hirendition="#g">der Reflex</hi>,<lb/>
wie am deutlichsten aus den Athembewegungen sichtbar wird, welche<lb/>
durch Erregungen der empfindlichen Haut- und Lungennerven sehr<lb/>
beschleunigt werden können. Ferner übt auf die Beschleunigung des<lb/>
Rhythmus einen Einfluss aus <hirendition="#g">eine gewisse Zusammensetzung des<lb/>
Blutes</hi>, indem bei Anwesenheit gewisser Stoffe (wie z. B. der Kohlen-<lb/>
säure?) sich die Athembewegung beschleunigt, während bei Gegenwart<lb/>
anderer, wie des Opiums, sie sich verlangsamt. — d) Zwischen Stärke<lb/>
und Zeitfolge der Bewegung scheint die Beziehung zu bestehen, dass<lb/>
die Intensität der Erregung mit der steigenden Beschleunigung der Auf-<lb/>
einanderfolge abnimmt; mit andern Worten, die Bewegungen werden<lb/>
um so weniger kräftig, je rascher sie folgen, wie uns am deutlichsten<lb/>
die Athembewegungen zeigen. Eine durch die Erfahrung bestätigte<lb/>
Folgerung dieses Satzes besteht darin, dass die zwei aufeinanderfol-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[173/0187]
Selbsterregung.
sie einleitenden Erregerwirkung sich ähnlich wie im Rückenmark ge-
staltet. — Als eine Besonderheit des Hirns vor dem Rückenmark ist
aber noch hervorzuheben, dass es eine eigenthümliche Art unwill-
kürlicher Erregungsquellen in sich führt, auf deren Betrachtung wir
im Folgenden eingehen.
Selbsterregung, Automatie. Vom Hirn aus werden ohne Zu-
thun des Willens und ohne dass auch eine reflektorische Ursache vor-
läge, eine Reihe von Bewegungen erregt; wir sind darum gezwungen,
noch einige besondere, Erregung erzeugende Umstände in ihm anzu-
nehmen, die wir in Ermanglung schärferer Bezeichnung mit den
obigen Namen belegen. Die besondern Erscheinungen, unter denen
die Selbsterregung auftritt, sind folgende: a) Die Orte des Hirns, von
welchem die automatischen Erregungen ausgehen, sind ganz be-
schränkt. — b) Jede automatische Erregung erstreckt sich nicht auf
einen, sondern immer auf eine Zahl von Muskeln; diese Muskeln wer-
den immer nur in einer und derselben, räumlich und zeitlich genau
geordneten Weise erregt, so dass der aus ihnen hervorgehende Be-
wegungseffekt als ein solcher erscheint, der auf ein bestimmtes
Ziel gerichtet ist; als Beispiele solcher Bewegungen dienen die
Athem- und Schlingbewegungen. — c) Die Erregung stellt sich in
mehr oder weniger regelmässigen Zwischenräumen wieder ein, oder
sie ist, wie man sich ausdrückt, eine rhythmisch wiederkehrende. Auf
die Beschleunigung, resp. die Verlangsamung des Rhythmus sind von
Einfluss: der Willen, indem es diesem gelingt, den selbsterregenden
Apparaten einen Anstoss zu geben, in Folge dessen die Bewegung in
gewöhnlicher Reihenfolge eintritt; die eigenthümliche Stellung des
Willens zu diesen Apparaten liegt darin ausgesprochen, dass es uns
für einzelne automatisch bewegte Apparate, wie in denen für den
Schlingakt, nicht gelingt, die Ordnung, in der die Muskeln sich zusam-
menziehen, umzukehren, wenn wir die Gesammtbewegung auch will-
kürlich einleiten können. Ferner wirkt auf den Rhythmus der Reflex,
wie am deutlichsten aus den Athembewegungen sichtbar wird, welche
durch Erregungen der empfindlichen Haut- und Lungennerven sehr
beschleunigt werden können. Ferner übt auf die Beschleunigung des
Rhythmus einen Einfluss aus eine gewisse Zusammensetzung des
Blutes, indem bei Anwesenheit gewisser Stoffe (wie z. B. der Kohlen-
säure?) sich die Athembewegung beschleunigt, während bei Gegenwart
anderer, wie des Opiums, sie sich verlangsamt. — d) Zwischen Stärke
und Zeitfolge der Bewegung scheint die Beziehung zu bestehen, dass
die Intensität der Erregung mit der steigenden Beschleunigung der Auf-
einanderfolge abnimmt; mit andern Worten, die Bewegungen werden
um so weniger kräftig, je rascher sie folgen, wie uns am deutlichsten
die Athembewegungen zeigen. Eine durch die Erfahrung bestätigte
Folgerung dieses Satzes besteht darin, dass die zwei aufeinanderfol-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/187>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.