Eine Erläuterung dieser merkwürdigen Erscheinung ist von J. Müller ge- geben worden. Es seien in Fig. 65 A, B, C die drei Nadeln, und es sollen die Augen I, II so gestellt sein, dass sich ihre Sehachsen I B und II B in B schneiden. B wird demnach sein Bild auf I und II oder auf identischen Stellen entwerfen d. h. ein- fach erscheinen. Unter dieser Voraussetzung bildet sich C in dem Auge I bei D und in dem Auge II bei E ab und ebenso A bei F und G. Demnach treffen diese Bil- der in den verschiedenen Augen auf nicht identischen Netzhautstellen und er- scheinen doppelt. Nun sehen wir nach einem schon besprochenen Gesetz jeglichen leuchtenden Punkt auf der Verlängerung seines Richtungsstrahles, es wird demnach das Bild von D in der Richtung von D T', und das Bild E in der Richtung E T" und ebenso F in der Richtung F H' und G in der Richtung G H" nach aussen gesetzt. Wie wir aber später erfahren werden, bestimmen wir die Entfernung eines jeden Bildes nach dem Abstand des Durchschnittspunktes beider Sehachsen vom mechanischen Mittel- punkt des Auges; wir werden also alle 5 Bilder in der Entfernung B zu sehen glauben. Nach diesen Angaben können wir nun den scheinbaren Ort der Doppelbilder leicht construiren, wenn wir mit dem Radius K B von den mechanischen Mittelpunkten der Augen aus Kreise ziehen; die Durchschnittspunkte H', H", F', F" derselben mit den Richtungsstrahlen oder deren Verlängerungen werden die scheinbaren Orte der Bil- der F, G, D, E sein.
Aus dieser Erläuterung folgt noch, dass mit der Verkleinerung des Zwischen- raumes zwischen den Nadeln der Abstand zweier zu einem Gegenstand gehören- den Bilder abnimmt. Ausserdem lässt sich mit Hilfe dieses einfachen Versuchs auch noch darthun, dass in der That der Horopter keine endliche Dicke besitzt, indem alle jenseits und diesseits des Fixationspunktes gelegenen Theile sogleich doppelt erscheinen. Dem Anfänger ist bei Wiederholung des im Text erwähnten Versuchs zu rathen, dass er ihn mit der Anwendung von nur zwei Nadeln beginne, und wechselnd bald die nähere und bald die fernere visire.
Da der Horopter wahrscheinlich eine Kugelschaale, jedenfalls ein Gebilde von verschwindender Dicke, darstellt, und da ausser den im Horopter liegenden leuchtenden Punkte auch viele der jenseits und diesseits desselben befindlichen ein Bild im Auge entwerfen, so muss die Summe der zu Doppelempfindung Veranlassung gebenden Bildern ausserordentlich viel grösser sein als die der einfach zu empfinden- den. Da wir nun aber nachweisslich diese Doppelbilder nur sehr sel- ten, und für das normale Auge nur unter ganz bestimmten schwierig zu erzeugenden Umständen sehen, so müssen irgend welche Gründe vorliegen, die es bedingen, dass wir die Doppelbilder ausser Acht las- sen. Diese Gründe liegen nun wahrscheinlich darin, dass im Sehfeld der normalen Augen zu allen Zeiten Bilder vorhanden sind, welche zu einer einfachen Empfindung zusammengelegt werden können und dass die einfach empfundenen Bilder der Seele einen intensiveren Eindruck geben als alle übrigen, die darum unsere Aufmerksam- keit (welche sich gleichzeitig nur auf beschränkte Stellen der Retinae richten kann) vor allen andern in Anspruch nehmen. -- Die erste der angegebenen Bedingungen, dass in beide Augen immer Bilder fallen, welche einfach empfunden werden können, wird durch die schon früher erwähnte bestimmte Verkettung der Augenmuskeln erzielt, in Folge deren die Augen stets eine solche Stellung erhalten, dass sich die Sehachsen in einem vor den Augen gelegenen Punkt
Lage und Zahl der Doppelbilder.
Eine Erläuterung dieser merkwürdigen Erscheinung ist von J. Müller ge- geben worden. Es seien in Fig. 65 A, B, C die drei Nadeln, und es sollen die Augen I, II so gestellt sein, dass sich ihre Sehachsen I B und II B in B schneiden. B wird demnach sein Bild auf I und II oder auf identischen Stellen entwerfen d. h. ein- fach erscheinen. Unter dieser Voraussetzung bildet sich C in dem Auge I bei D und in dem Auge II bei E ab und ebenso A bei F und G. Demnach treffen diese Bil- der in den verschiedenen Augen auf nicht identischen Netzhautstellen und er- scheinen doppelt. Nun sehen wir nach einem schon besprochenen Gesetz jeglichen leuchtenden Punkt auf der Verlängerung seines Richtungsstrahles, es wird demnach das Bild von D in der Richtung von D T′, und das Bild E in der Richtung E T″ und ebenso F in der Richtung F H′ und G in der Richtung G H″ nach aussen gesetzt. Wie wir aber später erfahren werden, bestimmen wir die Entfernung eines jeden Bildes nach dem Abstand des Durchschnittspunktes beider Sehachsen vom mechanischen Mittel- punkt des Auges; wir werden also alle 5 Bilder in der Entfernung B zu sehen glauben. Nach diesen Angaben können wir nun den scheinbaren Ort der Doppelbilder leicht construiren, wenn wir mit dem Radius K B von den mechanischen Mittelpunkten der Augen aus Kreise ziehen; die Durchschnittspunkte H′, H″, F′, F″ derselben mit den Richtungsstrahlen oder deren Verlängerungen werden die scheinbaren Orte der Bil- der F, G, D, E sein.
Aus dieser Erläuterung folgt noch, dass mit der Verkleinerung des Zwischen- raumes zwischen den Nadeln der Abstand zweier zu einem Gegenstand gehören- den Bilder abnimmt. Ausserdem lässt sich mit Hilfe dieses einfachen Versuchs auch noch darthun, dass in der That der Horopter keine endliche Dicke besitzt, indem alle jenseits und diesseits des Fixationspunktes gelegenen Theile sogleich doppelt erscheinen. Dem Anfänger ist bei Wiederholung des im Text erwähnten Versuchs zu rathen, dass er ihn mit der Anwendung von nur zwei Nadeln beginne, und wechselnd bald die nähere und bald die fernere visire.
Da der Horopter wahrscheinlich eine Kugelschaale, jedenfalls ein Gebilde von verschwindender Dicke, darstellt, und da ausser den im Horopter liegenden leuchtenden Punkte auch viele der jenseits und diesseits desselben befindlichen ein Bild im Auge entwerfen, so muss die Summe der zu Doppelempfindung Veranlassung gebenden Bildern ausserordentlich viel grösser sein als die der einfach zu empfinden- den. Da wir nun aber nachweisslich diese Doppelbilder nur sehr sel- ten, und für das normale Auge nur unter ganz bestimmten schwierig zu erzeugenden Umständen sehen, so müssen irgend welche Gründe vorliegen, die es bedingen, dass wir die Doppelbilder ausser Acht las- sen. Diese Gründe liegen nun wahrscheinlich darin, dass im Sehfeld der normalen Augen zu allen Zeiten Bilder vorhanden sind, welche zu einer einfachen Empfindung zusammengelegt werden können und dass die einfach empfundenen Bilder der Seele einen intensiveren Eindruck geben als alle übrigen, die darum unsere Aufmerksam- keit (welche sich gleichzeitig nur auf beschränkte Stellen der Retinae richten kann) vor allen andern in Anspruch nehmen. — Die erste der angegebenen Bedingungen, dass in beide Augen immer Bilder fallen, welche einfach empfunden werden können, wird durch die schon früher erwähnte bestimmte Verkettung der Augenmuskeln erzielt, in Folge deren die Augen stets eine solche Stellung erhalten, dass sich die Sehachsen in einem vor den Augen gelegenen Punkt
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Lage und Zahl der Doppelbilder.
Eine Erläuterung dieser merkwürdigen Erscheinung ist von J. Müller ge-
geben worden. Es seien in Fig. 65 A, B, C die drei Nadeln, und es sollen die Augen
I, II so gestellt sein, dass sich ihre Sehachsen I B und II B in B schneiden. B wird
demnach sein Bild auf I und II oder auf identischen Stellen entwerfen d. h. ein-
fach erscheinen. Unter dieser Voraussetzung bildet sich C in dem Auge I bei D
und in dem Auge II bei E ab und ebenso A bei F und G. Demnach treffen diese Bil-
der in den verschiedenen Augen auf nicht identischen Netzhautstellen und er-
scheinen doppelt. Nun sehen wir nach einem schon besprochenen Gesetz jeglichen
leuchtenden Punkt auf der Verlängerung seines Richtungsstrahles, es wird demnach
das Bild von D in der Richtung von D T′, und das Bild E in der Richtung E T″ und
ebenso F in der Richtung F H′ und G in der Richtung G H″ nach aussen gesetzt. Wie
wir aber später erfahren werden, bestimmen wir die Entfernung eines jeden Bildes nach
dem Abstand des Durchschnittspunktes beider Sehachsen vom mechanischen Mittel-
punkt des Auges; wir werden also alle 5 Bilder in der Entfernung B zu sehen glauben.
Nach diesen Angaben können wir nun den scheinbaren Ort der Doppelbilder
leicht construiren, wenn wir mit dem Radius K B von den mechanischen Mittelpunkten
der Augen aus Kreise ziehen; die Durchschnittspunkte H′, H″, F′, F″ derselben mit den
Richtungsstrahlen oder deren Verlängerungen werden die scheinbaren Orte der Bil-
der F, G, D, E sein.
Aus dieser Erläuterung folgt noch, dass mit der Verkleinerung des Zwischen-
raumes zwischen den Nadeln der Abstand zweier zu einem Gegenstand gehören-
den Bilder abnimmt. Ausserdem lässt sich mit Hilfe dieses einfachen Versuchs
auch noch darthun, dass in der That der Horopter keine endliche Dicke besitzt,
indem alle jenseits und diesseits des Fixationspunktes gelegenen Theile sogleich
doppelt erscheinen. Dem Anfänger ist bei Wiederholung des im Text erwähnten
Versuchs zu rathen, dass er ihn mit der Anwendung von nur zwei Nadeln beginne,
und wechselnd bald die nähere und bald die fernere visire.
Da der Horopter wahrscheinlich eine Kugelschaale, jedenfalls ein
Gebilde von verschwindender Dicke, darstellt, und da ausser den im
Horopter liegenden leuchtenden Punkte auch viele der jenseits und
diesseits desselben befindlichen ein Bild im Auge entwerfen, so muss
die Summe der zu Doppelempfindung Veranlassung gebenden Bildern
ausserordentlich viel grösser sein als die der einfach zu empfinden-
den. Da wir nun aber nachweisslich diese Doppelbilder nur sehr sel-
ten, und für das normale Auge nur unter ganz bestimmten schwierig
zu erzeugenden Umständen sehen, so müssen irgend welche Gründe
vorliegen, die es bedingen, dass wir die Doppelbilder ausser Acht las-
sen. Diese Gründe liegen nun wahrscheinlich darin, dass im Sehfeld
der normalen Augen zu allen Zeiten Bilder vorhanden sind, welche
zu einer einfachen Empfindung zusammengelegt werden können
und dass die einfach empfundenen Bilder der Seele einen intensiveren
Eindruck geben als alle übrigen, die darum unsere Aufmerksam-
keit (welche sich gleichzeitig nur auf beschränkte Stellen der Retinae
richten kann) vor allen andern in Anspruch nehmen. — Die erste
der angegebenen Bedingungen, dass in beide Augen immer Bilder
fallen, welche einfach empfunden werden können, wird durch die
schon früher erwähnte bestimmte Verkettung der Augenmuskeln
erzielt, in Folge deren die Augen stets eine solche Stellung erhalten,
dass sich die Sehachsen in einem vor den Augen gelegenen Punkt
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/263>, abgerufen am 24.11.2024.
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