Ausser diesen mechanischen Folgen der Trompete hat man öfter auch nach be- sonderen akustischen geforscht; einsichtlich ist es, dass die Resonnanz der Luft in der Trommelhöhle eine Veränderung erfährt, je nachdem ihre Wände rings geschlos- sen oder theilweise geöffnet sind; ob aber das auf das Hören von Einfluss ist, steht zu erweisen. Anderweitige Probalitäten finden sich noch in Müllers Handbuch der Physiologie II Bd. 444.
B. Schallleitung durch die Kopfknochen.
Der zweite Weg, auf welchem Schallwellen, die im Raume erregt worden zu den Gehörnerven gelangen können, sind die Schädel- knochen. Wegen des schlaffen wenig gespannten Ueberzugs, wel- chen die Weichtheile (Haut, Muskeln etc.) denselben gewähren, und wegen des beträchtlichen Spannungsunterschiedes, in welchem sich die Moleküle des Knochens gegenüber denen in eben diesen Weichtheilen befinden, könnte ein Zweifel erhoben werden, ob überhaupt die Kopf- theile insoweit zur Leitung fähig wären, dass eine merkliche Schall- bewegung durch sie zum Gehörnerven dränge. -- Dieser Zweifel wird durch die Erfahrung dahin berichtigt, dass allerdings nur Luft- wellen von sehr intensiven bewegenden Kräften durch die Kopfkno- chen vernommen werden, während Schallwellen, welche unmittelbar aus festen Körpern und namentlich durch die Zähne, in den Kopf ein- dringen, ohne besondere Schwierigkeit in das Labyrinth gelangen.
Ob hohe oder niedre Töne leichter geleitet werden, ob und welche Veränderungen an dem Gesetz der beschleunigenden Kräfte der schwin- genden Theilchen auf dem Wege durch die Kopfmassen zum Vor- schein treten, ist empirisch nicht festgestellt und theoretisch nicht be- stimmbar. Sehr wahrscheinlich ist es aber, dass dieselbe Welle, je nachdem sie durch die Trommelhöhle oder durch die Kopfknochen zu den Hörnerven gedrungen ist, verschieden modifizirt anlangt; Bon- nafond*).
Im Labyrinth selbst wird nach einer begründeten Vermuthung von E. H. Weber**) der durch die Kopfknochen dringende Schall vorzugsweise in die Schneckennerven eintreten, weil er zu diesen ohne irgend welche Reflexion gelangen kann; denn es verbreiten sich ja die Schneckennerven in festen Theilen. Schwieriger und dem- nach mit geringerer Intensität möchten sie dagegen in die Nerven der Ampullen und Säckchen dringen, weil sie, um zu diesen zu ge- langen, noch ein neues Medium, die Perilymphe zu überschreiten ha- ben. -- Die von Ed. Weber entdeckte Betheiligung dieser Art von Schallfortpflanzung bei der Bestimmung der Richtung des Hörens wird später behandelt werden.
Das einfache Mittel um die Leitungserscheinunges des Kopfes insbesondere zu studiren besteht darin, das Trommelfell unfähig zu machen für die Aufnahme von
*)Valentins Jahresbericht über Physiologie 1851. p. 162.
**) De utilitate cochleae etc. 1. c.
Gehörnerv.
Ausser diesen mechanischen Folgen der Trompete hat man öfter auch nach be- sonderen akustischen geforscht; einsichtlich ist es, dass die Resonnanz der Luft in der Trommelhöhle eine Veränderung erfährt, je nachdem ihre Wände rings geschlos- sen oder theilweise geöffnet sind; ob aber das auf das Hören von Einfluss ist, steht zu erweisen. Anderweitige Probalitäten finden sich noch in Müllers Handbuch der Physiologie II Bd. 444.
B. Schallleitung durch die Kopfknochen.
Der zweite Weg, auf welchem Schallwellen, die im Raume erregt worden zu den Gehörnerven gelangen können, sind die Schädel- knochen. Wegen des schlaffen wenig gespannten Ueberzugs, wel- chen die Weichtheile (Haut, Muskeln etc.) denselben gewähren, und wegen des beträchtlichen Spannungsunterschiedes, in welchem sich die Moleküle des Knochens gegenüber denen in eben diesen Weichtheilen befinden, könnte ein Zweifel erhoben werden, ob überhaupt die Kopf- theile insoweit zur Leitung fähig wären, dass eine merkliche Schall- bewegung durch sie zum Gehörnerven dränge. — Dieser Zweifel wird durch die Erfahrung dahin berichtigt, dass allerdings nur Luft- wellen von sehr intensiven bewegenden Kräften durch die Kopfkno- chen vernommen werden, während Schallwellen, welche unmittelbar aus festen Körpern und namentlich durch die Zähne, in den Kopf ein- dringen, ohne besondere Schwierigkeit in das Labyrinth gelangen.
Ob hohe oder niedre Töne leichter geleitet werden, ob und welche Veränderungen an dem Gesetz der beschleunigenden Kräfte der schwin- genden Theilchen auf dem Wege durch die Kopfmassen zum Vor- schein treten, ist empirisch nicht festgestellt und theoretisch nicht be- stimmbar. Sehr wahrscheinlich ist es aber, dass dieselbe Welle, je nachdem sie durch die Trommelhöhle oder durch die Kopfknochen zu den Hörnerven gedrungen ist, verschieden modifizirt anlangt; Bon- nafond*).
Im Labyrinth selbst wird nach einer begründeten Vermuthung von E. H. Weber**) der durch die Kopfknochen dringende Schall vorzugsweise in die Schneckennerven eintreten, weil er zu diesen ohne irgend welche Reflexion gelangen kann; denn es verbreiten sich ja die Schneckennerven in festen Theilen. Schwieriger und dem- nach mit geringerer Intensität möchten sie dagegen in die Nerven der Ampullen und Säckchen dringen, weil sie, um zu diesen zu ge- langen, noch ein neues Medium, die Perilymphe zu überschreiten ha- ben. — Die von Ed. Weber entdeckte Betheiligung dieser Art von Schallfortpflanzung bei der Bestimmung der Richtung des Hörens wird später behandelt werden.
Das einfache Mittel um die Leitungserscheinunges des Kopfes insbesondere zu studiren besteht darin, das Trommelfell unfähig zu machen für die Aufnahme von
*)Valentins Jahresbericht über Physiologie 1851. p. 162.
**) De utilitate cochleæ etc. 1. c.
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Gehörnerv.
Ausser diesen mechanischen Folgen der Trompete hat man öfter auch nach be-
sonderen akustischen geforscht; einsichtlich ist es, dass die Resonnanz der Luft in
der Trommelhöhle eine Veränderung erfährt, je nachdem ihre Wände rings geschlos-
sen oder theilweise geöffnet sind; ob aber das auf das Hören von Einfluss ist, steht
zu erweisen. Anderweitige Probalitäten finden sich noch in Müllers Handbuch der
Physiologie II Bd. 444.
B. Schallleitung durch die Kopfknochen.
Der zweite Weg, auf welchem Schallwellen, die im Raume erregt
worden zu den Gehörnerven gelangen können, sind die Schädel-
knochen. Wegen des schlaffen wenig gespannten Ueberzugs, wel-
chen die Weichtheile (Haut, Muskeln etc.) denselben gewähren, und
wegen des beträchtlichen Spannungsunterschiedes, in welchem sich
die Moleküle des Knochens gegenüber denen in eben diesen Weichtheilen
befinden, könnte ein Zweifel erhoben werden, ob überhaupt die Kopf-
theile insoweit zur Leitung fähig wären, dass eine merkliche Schall-
bewegung durch sie zum Gehörnerven dränge. — Dieser Zweifel
wird durch die Erfahrung dahin berichtigt, dass allerdings nur Luft-
wellen von sehr intensiven bewegenden Kräften durch die Kopfkno-
chen vernommen werden, während Schallwellen, welche unmittelbar
aus festen Körpern und namentlich durch die Zähne, in den Kopf ein-
dringen, ohne besondere Schwierigkeit in das Labyrinth gelangen.
Ob hohe oder niedre Töne leichter geleitet werden, ob und welche
Veränderungen an dem Gesetz der beschleunigenden Kräfte der schwin-
genden Theilchen auf dem Wege durch die Kopfmassen zum Vor-
schein treten, ist empirisch nicht festgestellt und theoretisch nicht be-
stimmbar. Sehr wahrscheinlich ist es aber, dass dieselbe Welle, je
nachdem sie durch die Trommelhöhle oder durch die Kopfknochen zu
den Hörnerven gedrungen ist, verschieden modifizirt anlangt; Bon-
nafond *).
Im Labyrinth selbst wird nach einer begründeten Vermuthung
von E. H. Weber **) der durch die Kopfknochen dringende Schall
vorzugsweise in die Schneckennerven eintreten, weil er zu diesen
ohne irgend welche Reflexion gelangen kann; denn es verbreiten
sich ja die Schneckennerven in festen Theilen. Schwieriger und dem-
nach mit geringerer Intensität möchten sie dagegen in die Nerven
der Ampullen und Säckchen dringen, weil sie, um zu diesen zu ge-
langen, noch ein neues Medium, die Perilymphe zu überschreiten ha-
ben. — Die von Ed. Weber entdeckte Betheiligung dieser Art von
Schallfortpflanzung bei der Bestimmung der Richtung des Hörens wird
später behandelt werden.
Das einfache Mittel um die Leitungserscheinunges des Kopfes insbesondere zu
studiren besteht darin, das Trommelfell unfähig zu machen für die Aufnahme von
*) Valentins Jahresbericht über Physiologie 1851. p. 162.
**) De utilitate cochleæ etc. 1. c.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/293>, abgerufen am 23.11.2024.
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